Hamburg. In Corona-Zeiten tummeln sich mehr Menschen denn je auf/am Wasser – aber Geschäftsleute leiden. Und reagieren pragmatisch.
Der Alster ist es egal, ob Corona ist. Grau-blau liegt der Alstersee im Novemberdunst; Jogger und einige junge Eltern mit Kinderwagen drehen ihre Runde auf den Spazierwegen. Diese Hamburgensie schlechthin wird die Pandemie überdauern; die Hamburger lieben das Stück Natur als größtes Freizeitgebiet mitten in der Stadt. Doch die Corona-Krise hat diese Liebe noch einmal ganz neu beflügelt. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr trieb es die Menschen mit umso größerer Lust ins Freie – und an und auf die Alster.
Zu Tausenden sonnten sich die Hamburger am Ufer und auf den Stegen und nutzten jegliches schwimmfähige Gerät für eine Tour auf dem Wasser. Die Außenalster als größter Spielplatz der Stadt wurde zur kleinen Flucht in der Krise. An schönen Tagen hätte man das Wasser südlich der Krugkoppelbrücke – dort, wo der Alsterfluss und der Rondeelkanal in die Außenalster münden – fast trockenen Fußes überqueren können, so dicht lagen Boote, aufblasbare Schwimminseln und Stand-up-Paddling-Bretter. Dazwischen hatten Alsterdampfer und elegante Drachen-Segelboote oftmals Mühe zu kreuzen.
Auch in Schlauchbooten kann man in See stechen
Weil Reisen schwieriger möglich waren, schafften sich viele Menschen ein eigenes, aufblasbares SUP-Brett an – das lohnte sich ja jetzt. Und sie entdeckten, dass man nicht nur in Ruderbooten, Kanus und Tretbooten auf der Alster in See stechen kann, sondern – warum nicht? – auch in Schlauchbooten. Händler müssen das Schlauchboot der Marke Excursion in riesigen Mengen besonders günstig abgegeben haben, jedenfalls war das grau-blaue Modell das meistgesehene Boot auf dem Wasser. Die Jüngeren legten sich gern mit ihren schwimmbaren Untersätzen ins Paket und feierten auf dem Wasser – manchmal so dicht, dass die Polizei einschreiten musste. Viele nutzten die Boote wie Schwimminseln und sprangen ins Wasser – die Alster wurde zum Badesee.
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Man könnte annehmen, es sei ein fantastisches Jahr für all diejenigen gewesen, die an und mit der Alster Geschäfte machen, doch das ist nicht so – im Gegenteil: Bei Gastronomen und Bootsverleihern fällt die Bilanz gemischt bis schlecht aus. Schuld ist der Lockdown im Frühjahr, als alle Anlagen wochenlang geschlossen bleiben mussten. „Ohne Corona wäre es ein Bombensommer geworden“, erzählt Marc Sämann, in fünfter Generation Inhaber des Gastronomie- und des Bootsbetriebes Bobby Reich. Doch die achtwöchige Schließung ab März war später, als der Betrieb wieder losging, nicht mehr zu kompensieren. „Dank des schönen Wetters hat es uns nicht so hart getroffen. wie wir noch im Frühjahr befürchtet haben“, sagt Sämann. Dennoch rechnet er mit einem zweistelligen Minus. Bobby Reich verleiht insgesamt etwa 40 Ruder- und Segelboote. Im Sommer gab es zwar einen Ansturm auf die Boote, aber auch nicht mehr als sonst bei schönem Wetter. Und den Trend, dass sich Hamburger vermehrt selbst Gummiboote und SUP-Bretter anschaffen, beobachtet auch Sämann. „An vielen Tagen war es für die Segler und Ruderer, die ihren Sport seit Jahrzehnten auf der Alster betrieben, schwer, da überhaupt durchzukommen, sagt er.
Plastik und Einweg wurden wieder notwendig
Die Alsterperle am Eduard-Rhein-Ufer war im Sommer gepackt voll mit Menschen, doch der Lockdown hat auch hier reingehauen. Die letzten Monate des Jahres 2019 seien „wettertechnisch eine Katastrophe“ gewesen, im Januar und Februar wurde es nicht besser, erzählt René Kurth, einer der beiden Betreiber. Die Hoffnungen ruhten auf dem Saisonstart 2020. „Zwei Wochen vor Ostern hatten wir fast schon Sommerwetter, doch wir konnten nichts tun“, sagt Kurth. „Alles nur to go und in Plastik und Einweg. Das hatten wir gerade abgeschafft – dank der Initiative von Greta.“
Die Sommersaison lief dann gut, vieles konnte aufgeholt werden. Doch die Touristen fehlen bis heute. Nahe der Alsterperle machen manche Stadtrundfahrtbusse halt. Selbst den Passagieren von Kreuzfahrtschiffen werden Touren mit Stopp an diesem Fleckchen mit spektakulärem Blick auf das Stadtpanorama angeboten. Alles derzeit weg. Und damit, wie Kurth sagt, auch die Leichtigkeit. Die Alsterperle hat weiter geöffnet, doch Tische und Stühle sind mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Speisen und Getränke gibt es am Kiosk nur zum Mitnehmen.
Auch die Alstertouristik hatte durch den Lockdown im Frühjahr und die derzeitigen Beschränkungen harte Einbußen. „Das Jahr war für uns eine Katastrophe“, lautet das bittere Fazit von Tobias Haack, Geschäftsführer der Alstertouristik. Die Saison für Alsterfahrten und Kanaltörns beginnt sonst üblicherweise im März – da ging in diesem Jahr gar nichts. Von Mai an konnten die Alsterschiffe wieder – wegen des coronabedingten Abstandsgebots – zur Hälfte belegt werden und von Juli an dann in Gänze. Da stiegen auch die Fahrgastzahlen wieder an, wenngleich hier ebenfalls die Touristen fehlten.
Entlassungen oder Kurzarbeit konnte die Alstertouristik vermeiden
„Wir haben in diesem Jahr einen Riesenverlust geschrieben, was im Lockdown verloren wurde, konnten wir nicht wieder aufholen“, sagt Haack. Beziffern will er den Verlust noch nicht, auch derzeit dürfen die Schiffe nicht fahren. Entlassungen oder Kurzarbeit konnte die Alstertouristik vermeiden. Einige Schiffsführer und Techniker wurden auf Hadag-Booten auf der Elbe eingesetzt, technische Mitarbeiter sogar bei der Hochbahn.
Den Ansturm der Freizeitsportler auf Alster und Kanäle sieht Haack kritisch. „Der starke Nutzungsdruck ist für uns ein Problem. Unsere Schiffsführer kamen teilweise gar nicht mehr durch. und die meisten, die dort auf SUPs und in Schlauchbooten unterwegs waren, kennen die Regeln nicht und sind auch wenig vorsichtig.“ Ein Alsterdampfer-Kapitän sprach im Sommer bereits von der „Ballermannisierung“ der Alster.
Die Liebe zur Alster hat auch Schattenseiten
Die Liebe der Hamburger und ihrer Gäste zu diesem Gewässer ist so groß geworden, dass etwas passieren muss – das hat auch die Regierungskoalition im Rathaus erkannt. Für das kommende Jahr soll der Senat gemeinsam mit allen beteiligten Behörden und Bezirken, Verleihern, Vereinen und Schifffahrtsgesellschaften sowie Natur- und Tierschutzverbänden Lösungen entwickeln, wie die Freizeitnutzung sicher gestaltet und mit den Belangen von Natur- und Lärmschutz vereinbart werden kann, wie es in einem Antrag von SPD und Grünen für die Bürgerschaft heißt.
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Insbesondere wird geprüft, wie das Baden und das Springen von Brücken an ungeeigneten Stellen unterbunden werden kann. Am Winterhuder Kai beispielsweise waren junge Leute oftmals auch nachts ins Wasser gesprungen.
Urlaub vor der Haustür habe viele Vorteile, meint Ulrike Sparr, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. „Allerdings hat die zunehmende Nutzung der Gewässer auch Schattenseiten: Wasservögel geben ihre Nester auf, Uferbereiche leiden, und der Lärm nimmt zu.“ Alstertouristik-Chef Haack sagt: „So kann es nicht bleiben, wir müssen uns an einen Tisch setzen und überlegen, wie wir das Geschehen wieder in geordnete Bahnen lenken können.“
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