Hamburg. Abendblatt-Serie: Was bedeutet die Pandemie für die Hamburgensien? Die Gastronomen am Elbufer schlagen sich durch.

Zurzeit wird die Speisekarte nicht von einem elegant gekleideten Kellner formvollendet serviert. Wer sein Gericht auswählt, informiert sich im Internet – oder guckt auf eine Schiefertafel vor dem Eingang des Fischereihafen Restaurants. Etwa eine halbe Stunde nach telefonischer Bestellung kann das Essen an der Großen Elbstraße abgeholt werden.

Wie auch bei anderen Institutionen der Hansestadt sind mehr denn je Improvisationskunst und Fantasie gefragt. Neben gutbürgerlichen Klassikern wie Rouladen mit Rotkohl befindet sich Wiener Schnitzel im Angebot eines Lokals, das weit über Hamburg für Delikatessen aus dem Meer bekannt ist. Ab sofort können krosse Bauernente sowie Grünkohl mit allen Finessen zum Mitnehmen geordert werden. Not macht erfinderisch.

Erlesene Küche und ein entspanntes Umfeld

„Unsere Stammgäste machen uns in der Krise stark“, sagt Inhaber Dirk Kowalke bei Kaffee und Gebäck im Gastraum seines gepachteten Restaurants. Der Zuspruch sei enorm. Zwar kamen zuletzt weniger auswärtige Kunden zum gepflegten Speisen mit Flussblick, doch habe die Besucherquote der Hamburger Klientel in gleichem Maße zugenommen. „Viele Gäste sind Mutmacher für uns“, ergänzt Benjamin Kast, ebenso wie Mutter Susanne Kowalke Mitglied der Geschäftsleitung. Gründer Rüdiger Kowalke verstarb im Februar 2019. Unter dem Strich habe sich im Sommer dieses Jahres ein gutes Geschäft ergeben. Trotz allem.

Zur Tradition des Hauses zählt das Prinzip, neben einer erlesenen Küche ein entspanntes Umfeld zu bieten. „Natürlich können auch wir die Entwicklung nicht voraussehen“, sinniert Dirk Kowalke, „gehen jedoch davon aus, dass wir Anfang Dezember wirklich wieder öffnen können.“ Auch im Fischereihafen Restaurant sind Hoffnung und Zuversicht wichtige Zutaten, um in bitterer Zeit über die Runden zu kommen – nicht nur wirtschaftlich. Dirk Kowalke und sein Stiefbruder „Benny“ Kast wünschen sich ein baldiges Ende der Gastro-Flaute besonders auch für ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. In normalen Zeiten kümmern sich 60 Mitarbeiter, darunter fast zur Hälfte Köche, um gut 300 Gäste täglich. Eigentlich ist 365 Tage geöffnet; in den vergangenen Jahren wurden im Schnitt jeweils mehr als 120.000 Gäste begrüßt. Das lässt sich 2020 nicht wiederholen.

Kowalke hat Vertrauen in die politische Führung

Und wie sieht es mit der Corona-Hilfe des Staates aus? Für den November ohne an Tischen platzierte Kundschaft werden bekanntlich bis zu 75 Prozent des November-Vorjahresumsatzes angekündigt. „Wenn es bei dieser Summe bleibt, ist es finanziell eine sehr faire Lösung“, sagt Dirk Kowalke. Trotz geballter Sorgen und Probleme könne man froh sein, an einem stabilen Ort wie Deutschland zu leben und zu arbeiten. Grundsätzlich habe er Vertrauen in die politische Führung.

Corona-Krise: Senat zur Situation in Hamburg

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Weitere Forderungen schließt das nicht aus. Ein Stichwort sind gesenkte Umsatzsteuersätze. Während diese Beträge bundesweit von 19 auf 16 Prozent gesenkt wurden, fielen sie in der Gastronomie bei Speisen auf fünf Prozent. Im kommenden Jahr sollen diese Sätze wieder auf 19 Prozent steigen. „Das ist ungerecht und darf nicht passieren“, verlangt Dirk Kowalke. Diese Meinung eint ihn mit anderen namhaften Gastgebern der Stadt.

Vielleicht bleiben Trennwände auch nach Corona stehen

Das aktuelle Angebot, kulinarische Dauerbrenner wie Räucheraalfilets auf Kräuterrührei und geröstetem Schwarzbrot, Seezunge Müllerin Art oder im Stück gebratenen Steinbutt zum Abholen zuzubereiten, bringe betriebswirtschaftlich kaum Gewinn. „Dieser Service ist mehr als Geste unseren Stammkunden gegenüber gedacht“, sagt Benjamin Kast. Eine Ausnahme solle keineswegs zur Regel werden.

Gibt es denn auch positive Erkenntnisse, die aus dieser Krise erwachsen? Pluspunkte erkennen die Chefs in ihrem Bereich nicht. Von Kleinigkeiten mal abgesehen. So sei es vorstellbar, zukünftig Desinfektionsmittel am Eingang anzubieten. Dieses befand sich vor Corona nur in den Waschräumen.

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Vielleicht bleibt auch ein Teil der gläsernen Trennwände zwischen den Tischen mit den gestärkten Tüchern. 20 solcher rollbaren Spezialanfertigungen wurden im Frühjahr angeschafft, für jeweils 250 Euro. Im Moment sorgen Kowalke, Kast und Co. trotz des auf Sparflamme laufenden Betriebs für klare Sichtverhältnisse. Alles soll picobello vorbereitet sein für den Tag, der mit der Wiedereröffnung ein starkes Adventsgeschäft bescheren möge. Mancher Gast meinte, dass diese diskreten Glaswände zusätzlich Privatatmosphäre bringe – quasi als Separee frei von Sichtbehinderung. Das kann auch dann funktionieren, wenn wieder wie gewohnt bestuhlt werden darf. In den Sommermonaten wurden wegen der Abstandsregeln lediglich 140 der 180 Plätze vergeben. Und vom Balkon wurden drei von zwölf Tischen ins Lager gebracht. Der Umsatzverlust in dieser Zeit habe rund 20 Prozent betragen. Das reichte, um bisher keine Entlassungen vornehmen zu müssen.

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Einer wie der andere hofft und glaubt, dass sich daran im neuen Jahr nichts ändern wird. „Unser Fundament als Institution ist stabil“, meint Dirk Kowalke. Der zweifache Vater möchte 2021 nicht nur vier Jahrzehnte Familie Kowalke im Fischereihafen Restaurant, sondern auch seinen 50. Geburtstag in würdigem Rahmen feiern. Als „Hamburgensie“, als gastronomischem Leuchtturm im Hamburger Hafen mit hart erarbeitetem Ruf, braucht das Fischereihafen Restaurant keinen Aderlass der Kundschaft zu befürchten. Im Gegenteil: Wenn das Leben in der Elbphilharmonie, in den großen Hotels und anderen Magnetpunkten wieder in Schwung komme, erwarte man im Restaurant am Elbufer eine Renaissance.

Bis dahin, hofft Dirk Kowalke, ist ein weiteres Ärgernis ad acta gelegt. Seine Gerichtsklage wegen einer nicht ausgezahlten Betriebsunterbrechungsversicherung ist noch nicht entschieden.

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