Mülheim. Verbraucher achten auf Obst und Gemüse aus der Region. Aldi Süd baut Sortiment aus. Wie andere Discounter reagieren. Und was regional bedeutet.
Beim Einkauf achten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur auf Preis und Qualität. Zunehmend ist ihnen wichtig, dass Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse aus der Nähe kommen. Immer mehr „regionale Produkte“ landen deshalb auch in den Regalen der Discounter. Aldi Süd hat dazu gerade eine neue Kampagne gestartet. Aber auch Penny, Netto und Lidl bauen ihr Angebot aus.
Die Zahlen gehen etwas auseinander, zeigen aber alle einen Trend. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2022 geben 84 Prozent der Befragten an, dass ihnen die regionale Herkunft bei frischem Obst und Gemüse wichtig ist. In einer ähnlichen Erhebung von Statista Consumer Insights gaben 38 Prozent der Befragten in Deutschland an, dass die regionale Herkunft für sie ein Kaufgrund sei. In Großbritannien und USA liegt der Wert dagegen weit darunter und nur bei 13 und elf Prozent.
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Julia Adou beschäftigt sich seit 20 Jahren mit dem großen Thema Nachhaltigkeit. Seit 15 Jahren leitet sie die inzwischen 30-köpfige Nachhaltigkeitsabteilung bei Aldi Süd in Mülheim. „Regionale Produkte interessieren immer mehr Kundinnen und Kunden. Das wissen wir auch aus Umfragen“, sagt Adou. „Je naturbelassener die Produkte sind, desto größer wird die Nachfrage nach Regionalem. Das sehen wir etwa bei Obst und Gemüse.“
5500 Produkte tragen das „Regionalfenster“
Nachdem der Discounter sein Image als „größter Bio-Händler Deutschlands“ bereits seit geraumer Zeit pflegt, will er nun auch das Sortiment mit regionalen Produkten ausbauen. Zumindest da, wo es geht. Bananen und Orangen wird der hiesige Einzelhandel auch weiterhin aus dem Ausland importieren müssen, weil diese Früchte hier nicht wachsen. Aktuell hat Aldi Süd über das Jahr und das Verbreitungsgebiet gerechnet mehr als 350 Produkte im Sortiment, die das Siegel „Regional“ des Vereins Regionalfenster tragen. Überdies hat die Mülheimer Kette mit ihren rund 2000 Filialen die Eigenmarke „Bestes aus der Region“ eingeführt, die Kundinnen und Kunden zusätzlich einen Herkunftshinweis an die Hand geben soll. Die Eigenmarke stehe „für Produkte, bei denen die Rohstoffe überwiegend - und die Hauptzutat vollständig - aus der gekennzeichneten Region stammen. Auch die Produktion beziehungsweise Verarbeitung muss in derselben Region stattfinden“, teilt Aldi Süd mit.
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„Wir haben den Anspruch, die Zahl der regionalen Produkte immer weiter zu steigern. Aufgrund der saisonalen Verfügbarkeit gibt es im Winter aber natürlich Grenzen“, erklärt Adou. Doch wann darf sich ein Apfel oder Kopfsalat regional nennen? Eine bundeseinheitliche Definition gibt es dazu nicht. Dafür aber den Verein Regionalfenster. Dessen Siegel tragen bundesweit rund 5500 Lebensmittel, Blumen und Zierpflanzen. Regionalfenster e.V. wird getragen von großen Handelsketten wie Edeka, Rewe, Lidl, dem Zentralverband des Handwerks, Bioland, Naturland und zahlreichen anderen Organisationen. Aldi ist nicht Mitglied des Trägervereins, gehört aber zum Kreis der Lizenznehmer und trägt damit zur Finanzierung des Regionalfensters bei.
Mit einem Teil der Erlöse lässt der Verein jährlich überprüfen, ob die Produkte tatsächlich regional sind. „Regionen sind gefühlte Einheiten mit wechselnden Grenzen – sie lassen sich somit schwer in Gesetze mit starren Bezugsgrößen gießen“, argumentiert der Verein. Deshalb müssen Händler Kilometerradien angeben, innerhalb derer das Produkt erzeugt und verpackt wurde wie „Milch aus einem Umkreis von 30 Kilometern“.
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Sie können aber auch Naturräume heranziehen wie den Niederrhein (u.a. mit dem Kreis Wesel und den Revierstädten Duisburg und Oberhausen), Rheinland (Wesel, Duisburg, Essen, Mülheim, Oberhausen) und natürlich das Sauerland. „Äpfel vom Niederrhein“ müssen dann tatsächlich aus den definierten Kreisen oder Städten kommen.
Niederrhein, Rheinland und Sauerland sind Naturräume
Bei Aldi Süd gibt es über das Regionalfenster hinaus eine Eigenmarke mit einem Regelwerk für Regionalität, das der Discounter selbst geschaffen hat. „Bei Obst und Gemüse ist der Nachweis leichter als bei Mischprodukten wie Wurst“, sagt Nachhaltigkeitschefin Adou. Mit der aktuellen Kampagne wolle man „Wertschätzung für die Erzeugerinnen und Erzeuger zum Ausdruck bringen“, aber auch ein ökologisches Signal setzen.
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Adou: „Mit dem Kauf regionaler Produkte können Kundinnen und Kunden ganz persönlich die Umwelt schonen, allein schon weil die Transportwege kürzer sind. Dann bleiben Obst und Gemüse besonders frisch. Je kürzer der Weg, desto besser.“ Sie ist davon überzeugt, dass Kunden im Laden und Erzeuger auf dem Feld gleichermaßen von dem Ansatz profitieren: „Regionale Produkte bieten für viele Optionen. Mit Aldi können unsere Partnerinnen und Partner große Mengen handeln, was sich wiederum auf die Preise in der Filiale auswirkt“, sagt Adou.
>>> So machen es Penny, Netto und Lidl
Penny: Die Rewe-Discount-Tochter Penny hat Ende Mai die eigene Regionalmarke „Marktliebe Regional“ geschaffen. Von den bis zu 200 Sorten Obst und Gemüse seien bis zu 50 Artikel regional, heißt es auf Anfrage. Ein weiterer Ausbau sei geplant. Für Penny sind Produkte regional, wenn sie „im jeweiligen gekennzeichneten Bundesland oder übergeordnetem Anbaugebiet“ hergestellt werden.
Netto: Bei Netto, dem Discounter des Edeka-Verbunds, heißt die regionale Eigenmarke „Heimat“. Über einen QR-Code können Kundinnen und Kunden Einzelheiten zur Herkunft der Produkte erhalten. In NRW hat Netto nach eigenen Angaben rund 330 regionale Artikel im Sortiment. Auf der Homepage sind die Landwirtinnen und Landwirte aufgelistet, die den Discounter beliefern. Eine ganze Reihe stammen vom Niederrhein.
Lidl: Der Discounter Lidl, der wie Kaufland zur Schwarz-Gruppe gehört, nutzt das Regionalfenster bereits seit 2014. Lidl verweist darauf, Ware von mehr als 3900 deutschen Erzeugern zu beziehen. „Wo es möglich ist, bieten wir beispielsweise Molkereiartikel sowie Obst und Gemüse von regionalen Erzeugern an, darunter viele saisonale Produkte wie Erdbeeren oder Spargel“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Alle Discounter verwenden das Siegel „Regionalfenster“.