Essen. Thyssenkrupp will in großem Umfang Jobs abbauen, die Wut darüber ist groß. In der SPD wird der Ruf nach einem Staatseinstieg lauter.

Unter dem Eindruck der Stahlkrise bei Thyssenkrupp belebt die SPD die Debatte um eine deutsche Stahl AG neu. Die mächtige nordrhein-westfälische Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion sieht in dem oft diskutierten Zusammenschluss von mehreren Stahlunternehmen zu einer „Deutschland Stahl AG“ eine entscheidende Chance, die massiv ins Rutschen geratene Branche zu retten.

„Die Standorte müssen stabilisiert werden und das gelingt am ehesten, wenn man ihre Kräfte vereint und all das auslagert, was sie belastet“, sagt Mahmut Özdemir, Bundestagsabgeordneter aus Duisburg und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Nötig sei dazu ein Stabilisierungsgesetz, das angelehnt an Gesetze aus der Bankenkrise eine Art Schutzschirm für die stahlproduzierenden Unternehmen im Land ermögliche. So sollen Nachteile der deutschen Industrie im internationalen Markt ausgeglichen werden. So wird es in einem Papier formuliert, hinter dem sich die NRW-Bundestagsabgeordneten versammelt haben.

Sozialdemokraten aus Niedersachsen zeigen sich gesprächsoffen

Die Idee einer deutschen Stahl AG schwelt seit Jahren. Mal brachte sie der damalige NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) ins Gespräch, mal war es der Ex-SPD-Chef und frühere Aufsichtsratschef bei Thyssenkrupp Steel, Sigmar Gabriel, der hinter den Kulissen an dem Plan gearbeitet haben soll, die Stahlsparten von Thyssenkrupp und die niedersächsische Salzgitter AG zusammenzubringen.

Der Duisburger Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, stellt sich hinter die Forderung nach einem Staatseinstieg bei Thyssenkrupp.
Der Duisburger Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, stellt sich hinter die Forderung nach einem Staatseinstieg bei Thyssenkrupp. © dpa | Christoph Soeder

Bislang waren diese Vorhaben stets gescheitert. Die Gemengelange ist kompliziert, weil die Eigentümer zustimmen müssten. Bei der Salzgitter AG ist das auch das Land Niedersachsen, das sich hinter der Forderung aus NRW versammeln müsste. Bei Thyssenkrupp Steel müsste der tschechische Milliardär Daniel Křetínský überzeugt werden, dessen Firma EPCG bald 50 Prozent an der Duisburger Stahlsparte halten soll. Laut SPD unterstützt der Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen, Johann Saathoff, den Vorstoß aus NRW. Er sei gesprächsoffen. 

Staatseinstieg: Sozialdemokraten aus NRW fordern Beteiligung in „erheblichem“ Umfang

Bewegung scheint in die Debatte um einen Staatseinstieg bei Thyssenkrupp zu kommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine Beteiligung an Thyssenkrupp gegenüber dieser Redaktion zuletzt nicht ausgeschlossen. Aus NRW wird die ausdrückliche Forderung nach einer „erheblichen staatlichen Beteiligungen“ an Thyssenkrupp am Aktienmarkt laut. So solle der Staat einen „direkten Einfluss in den Gremien im Konzern und im Vorstand“ gewinnen, heißt es in dem Papier der NRW-Bundestagsabgeordneten.

Langfristig brauche es zudem Planungssicherheit und Ruhe, so Özdemir. Er wirbt deshalb sogar dafür, dass sich der Staat massiver in den Markt einmische und mit den Stahlchefs einen Investitionspakt über 50 Jahre schließen solle.

Der Gelsenkirchener Markus Töns ist Sprecher der Ruhrgebiets-Bundestagsabgeordneten der SPD.
Der Gelsenkirchener Markus Töns ist Sprecher der Ruhrgebiets-Bundestagsabgeordneten der SPD. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Staat engagiert sich längst in der Stahlbranche. Mit zwei Milliarden Euro fördern Bund und Land den Umbau eines Hochofens, der künftig als sogenannte Direktreduktionsanlage grünen und damit klimafreundlichen Stahl produzieren soll. Auf dem Gelände wird bereits CO2-geminderter Stahl produziert. Weil umweltschonender produzierter Stahl teurer ist als die Billigimporte aus Fernost, sieht der Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Markus Töns die EU am Ball. Sie müsse klimafreundlicheren Stahl schützen, etwa indem er im innereuropäischen Vergaberecht bevorzugt wird. „Wenn wir CO2-geminderten Stahl haben will, dann müssen wir dafür einen Markt schaffen“, sagt Töns.

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