Essen. Konzern erleidet erneut Milliardenverlust. Neben internen Machtkämpfen drohen vor allem dem Stahl neue Probleme durch die politischen Erdbeben.

Nach einem erneuten Milliardenverlust hat Thyssenkrupp-Chef Miguel López das „Jahr der Entscheidung“ für seine Stahltochter ausgerufen. Das könnten die auf ihn nicht gut zu sprechenden rund 27.500 Stahlbeschäftigten als Drohung empfinden, schließlich sollen Tausende von ihnen gehen. Aber auch als Versprechen, dass absehbar endlich Klarheit herrscht, wie es mit ihnen weitergeht. Klar wird in diesen Wochen aber vor allem eines: Dass daran nicht allein López mit seiner Forderung nach einer härteren Sanierung Schuld trägt, sondern immer mehr auch der weltweit extreme politische und ökonomische Gegenwind. Das Ampel-Aus und Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten waren zumindest für den Stahl von Thyssenkrupp die nächsten Hiobsbotschaften.

Wie also soll es weitergehen in der Stahlstadt am Duisburger Rhein und den Werken in Bochum, Dortmund, Gelsenkirchen und all den anderen Standorten? Der neue Stahlchef Dennis Grimm soll in wenigen Wochen seinen Sanierungsplan vorlegen, einen, der über den seines Vorgängers Osburg hinausgeht. Ob wirklich die „Hütte halbiert“ wird und 10.000 Arbeitsplätze wegfallen, wie die IG Metall warnt? López ließ diese Frage bei der Bilanzvorlage offen, was nicht eben zur Beruhigung beitragen wird. Und das nach seinen Worten „sehr vertrauensvolle“ Miteinander zwischen Management und Arbeitnehmerseite sehen außer ihm nicht viele.

Trifft Trump die deutsche Autoindustrie, schadet er auch Thyssenkrupp Steel

Wird die DRI-Anlage, mit der künftig grüner Stahl hergestellt werden soll, überhaupt zu Ende gebaut? Er gehe davon aus, sagte der Konzernchef, mochte sich aber erneut nicht festlegen. Dafür gibt es inzwischen nachvollziehbare Gründe: Der Bau des Wasserstoff-Netzes und die Planung von Produktionsanlagen verzögert sich, in Teilen der Wirtschaft wird gar daran gezweifelt, ob er überhaupt gelingt. Thyssenkrupp wartet auf die Pipelines, dagegen warten potenzielle Leitungsbauer darauf, dass Thyssenkrupp und andere Konzerne eine sichere Abnahme garantieren.

Gleichzeitig löst sich jene Bundesregierung auf, die den Wasserstoff-Hochlauf organisieren und subventionieren wollte. Ob ein Kanzler Friedrich Merz eine Neuauflage des Klimafonds wollen würde? Mehr Unsicherheit geht nicht. Niemand investiert in einer solch verfahrenen Lage. Ihrem Land ein halbes Jahr Stillstand aufzubürden, war verantwortungslos von den Ampel-Protagonisten mit FDP-Chef Christian Lindner und seinem akribisch geplanten D-Day vorneweg.

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Aus eigener Kraft, also mit dem Verkauf seines herkömmlichen Stahls, wird Thyssenkrupp die grüne Transformation niemals stemmen können. Nicht jetzt, da ihre größte Kundin, die deutsche Automobilindustrie, am Boden liegt. Und schon gar nicht mit der Aussicht, dass Trump als Präsident die Zollmauer hochziehen und damit vor allem VW, Daimler und BMW treffen will. Auch die Stahlzölle dürften Thyssenkrupp indirekt hart treffen, weil sie etliche Tonnen chinesischen Billigstahls statt nach Amerika nach Europa spülen werden. Verhindern könnten das nur ähnlich hohe Zölle der EU. Politiker, die in Berlin noch ein Regierungsmandat haben, sollten dringend in Brüssel vorfühlen.

Dividende passt nicht zum Milliardenverlust

Diese bedrohliche Gesamtlage trifft Thyssenkrupp in einer denkbar schlechten Verfassung. 3,5 Milliarden Euro Nettoverlust in den vergangenen beiden Jahren sprechen bei einem auf 2,3 Milliarden Euro geschrumpften Börsenwert für sich. Dass trotzdem eine kleine Dividende ausgeschüttet wird, passt dazu nicht, sichert dem Vorstand vorerst aber die weitere Unterstützung der Großaktionäre, allen voran der Krupp-Stiftung.

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Über das Schicksal des Konzerns und vor allem des Stahls entscheidet aber etwas anderes: Ob der Vorstand genügend Geld für die wichtigen Zukunftsinvestitionen auftreiben kann. Genug eigenes hat er weder für neue Grünstahl-Anlagen noch für die Erweiterung seiner ausgelasteten Werften. Deshalb ist es richtig, Partner für beide Töchter zu suchen und absehbar die Mehrheit an ihnen abgeben zu wollen. Mit den Erlösen für die Marine könnte Thyssenkrupp etwa die erfolgreiche Dekarbonisierungs-Sparte ausbauen, die gute Chancen hat, an der grünen Transformation der Industrie weltweit mitzuverdienen.

Aufstockung von Kretinsky auf 50 Prozent am Stahl wieder fraglich

Für den Stahl ist ein weißer, wohlhabender und waghalsiger Ritter zwar in Sicht, aber noch nicht greifbar. Mit der Abwertung seiner Stahltochter um eine Milliarde Euro will der Konzern sie attraktiver, weil günstiger für potenzielle Geldgeber machen, allen voran für den tschechischen Investor Daniel Kretinsky, der bereits 20 Prozent erworben hat. Doch seinem erklärten Ziel, der Milliardär solle auf 50 Prozent aufstocken, ist López nicht erkennbar nähergekommen. Dass Finanzchef Jens Schulte betont, Kretinsky könne auch bei 20 Prozent, also alles beim alten bleiben, lässt jedenfalls nichts Gutes erahnen.