Essen/Duisburg. Zur Jahresbilanz von Thyssenkrupp machen Aktionärsvertreter und Politiker Druck. Sie fordern von Konzernchef López Klarheit zum Stahl.
Zur Jahresbilanz des angeschlagenen Essener Industriekonzerns Thyssenkrupp fordern Aktionärsvertreter und Politiker Klarheit vom Management um Vorstandschef Miguel López zur Zukunft der Stahlsparte. „Herr López muss sich endlich zur traditionsreichen Stahlsparte in seinem Konzern bekennen und eine tragbare Zukunftsperspektive aufzeigen“, sagte Sarah Philipp, die Co-Chefin der NRW-SPD, unserer Redaktion.
Ähnlich äußerte sich auch der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Dennis Radtke. „Ich erwarte von Herrn López eine klare Ansage zur Umstellung auf grünen Stahl und ein klares Bekenntnis zu seiner Verantwortung für die gesamte Stahlsparte“, sagte Radtke unserer Redaktion. Thyssenkrupp dürfte bei der Stahlsparte „nicht Reise nach Jerusalem mit den Beschäftigten und der Politik spielen“, wobei „Herr López dann einfach plötzlich die Musik abstellt“, so Radtke.
Am 19. November legt Konzernchef López die Jahresbilanz für 2023/24 in der Essener Konzernzentrale vor. In den vergangenen Wochen hatte das Thyssenkrupp-Management den geplanten Bau einer Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage), mit deren Hilfe der Konzern erstmals grünen Stahl an Deutschlands größtem Stahlstandort Duisburg erzeugen will, öffentlich hinterfragt. Unklar ist auch, ob der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky über seinen bisherigen Anteil von 20 Prozent noch größer bei der Stahlsparte von Thyssenkrupp einsteigen wird. Der Bau der Direktreduktionsanlage sei notwendig, betonte SPD-Landeschefin Philipp. „Ohne sie wird der klimaneutrale Umbau der Stahlsparte nicht möglich sein“, sagte die Politikerin aus Duisburg.
„Zukunft von Thyssenkrupp hängt von der Stahlfrage ab“
„Die Zukunft von Thyssenkrupp hängt von der Stahlfrage ab“, mahnt Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch nach wie vor sei ungewiss, was aus der Stahlsparte mit großen Standorten in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen werde. „Die Hängepartie ist brandgefährlich“, so Tüngler, und zwar „nicht nur für Thyssenkrupp und Herrn López, sondern auch für die jeweiligen Regierungen auf Bundes- und Landesebene“.
Die Bundesregierung und das Land NRW hatten zugesagt, bis zu zwei Milliarden Euro für das DRI-Projekt in Duisburg beisteuern zu wollen. Der Landesanteil – bis zu 700 Millionen Euro – ist dabei die größte Einzelförderung, die es jemals in NRW gegeben hat, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Mai vergangenen Jahres im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Duisburg betonte. Den symbolischen Scheck präsentierte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) persönlich auf dem Thyssenkrupp-Areal. Mit Hilfe der DRI-Anlage sollen die besonders klimaschädlichen Hochöfen verzichtbar werden.
Kommt noch eine zweite DRI-Anlage für Duisburg?
Der Bau mindestens einer zweiten Direktreduktionsanlage war unter dem mittlerweile geschassten Stahl-Management rund um Bernhard Osburg fest eingeplant. „Wir haben vor, bis 2030 noch eine zweite Anlage umzustellen“, sagte Osburg im vergangenen Jahr bei einem Auftritt von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Duisburg. Es gehe darum, den Standort „zu dekarbonisieren“. Habeck signalisierte, wenn sich Thyssenkrupp für neue Projekte entscheide, werde es auch weitere Förderungen geben. Doch von Plänen für eine zweite Direktreduktionsanlage ist zuletzt bei Thyssenkrupp öffentlich keine Rede mehr gewesen.
Deutschland könne bei der erforderlichen Grünstrom-Produktion im Wettbewerb mit anderen europäischen Nationen nicht mithalten, betonte Thyssenkrupp-Chef López vor wenigen Tagen in einem „Focus“-Interview. „Ich sehe nicht, wie grüne Energieerzeugung in der nötigen Größenordnung in Deutschland jemals zu wettbewerbsfähigen Preisen realisiert werden kann“, sagte der Thyssenkrupp-Chef. „Wenn Sie die Kosten von grünem Strom in Schweden, Norwegen, auf der iberischen Halbinsel oder in den USA mit denen hierzulande vergleichen, und in die Zukunft projizieren, ist das Ergebnis immer dasselbe: Solar rechnet sich in Deutschland nicht und Windanlagen werden wir bei uns nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung haben.“
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