Paris. Mit kleineren Flugzeugen Interkontinentalflüge absolvieren – der neue Airbus A321-XLR macht es möglich. Schon 500 Maschinen sind bestellt.
Es ist ein Stück Luftfahrtgeschichte, dass Iberia jüngst geschrieben hat: Die spanische Fluglinie ist mit dem neuen Airbus A321XLR erstmals mit zahlenden Passagieren über den Atlantik geflogen. Das Besondere am neuen Hoffnungsträger aus dem Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder: Es handelt sich um ein „single aisle“-Flugzeug mit nur einem Mittelgang. Normalerweise gelten diese schmalen Flugzeuge als ungeeignet für solche Langstreckenflüge.
Nun aber soll der nagelneue Jet regelmäßig auf der Transatlantikroute zum Einsatz kommen. Sieben Stunden und 31 Minuten Flugzeit dauerte der Erstflug mit zahlenden Kundinnen und Kunden, ehe die in Madrid gestartete Maschine sicher auf amerikanischem Boden in Boston aufsetzte.
Airbus A321-XLR: 220 Sitzplätze und eine Reichweite von 8700 Kilometern
Neu ist der Versuch, mit einem eigentlich für die Mittelstrecke konzipierten Flugzeug kommerzielle Linienflüge über den Atlantik anzubieten, nicht. Der amerikanische Konkurrent Boeing hatte zwar früher einmal mit dem B757 eine ähnliche Maschine im Sortiment geführt, stellt ihn aber seit 2004 nicht mehr her, weil er nicht weit genug fliegen kann und zu wenig Komfort bietet.
Der A321 steigert seine Reichweite dagegen auf 8700 Kilometer. Das sind 1300 Kilometer mehr bei früheren A321-Versionen. Von Europa aus werden Destinationen in den USA, Lateinamerika oder Indien non-stop erreichbar. Und das wohlgemerkt in einem Mittelstreckenflug mit maximal 220 Sitzplätzen.
Kosten pro Sitzplatz sinken um 30 Prozent
Rom-New York, London-Vancouver oder Berlin-Delhi werden damit auch in einem vergleichsweise kleinen, leichteren und damit billigeren Flugzeug möglich. Die Kosten pro Sitzplatz sinken laut Airbus um 30 Prozent. Bisher konnten nur schwere Doppelgang-Maschinen wie Boeings 747 und 787 oder Airbus’ 380 und 350 solche Distanzen absolvieren. Und sie operieren vor allem über die „Hubs“ der größten Airlines wie Emirates oder Lufthansa, die ihre Drehkreuze vorwiegend mit Groß-Carriers bedienen.
Der A321-XLR erlaubt es dagegen, auch mittlere Städte und Destinationen mit etwas weniger Passagieraufkommen ohne Umsteigen anzufliegen. Dieser Vorteil hat Airbus bereits über 500 Bestellungen für den A321-XLR beschert, noch bevor die Maschine zu ihrem ersten Kursflug abgehoben hat. Der europäische Flugzeugbauer hat in diesem Segment das Monopol: Boeing hat nichts entgegenzusetzen, weil sein geplantes Konkurrenzmodell mit dem Codenamen „NMA“ (New Midsize Aircraft) wegen der anderweitigen Konzernprobleme nie realisiert wurde.
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Große Nachfrage bei Billig-Airlines aus Indien
Die Airbus-Ingenieure haben dagegen ganze Arbeit geleistet. Seit 2019 schichteten sie in dem XLR-Projekt die Gepäckräume massiv um, was im unteren Rumpf Platz für zusätzliche Treibstofftanks schuf. Diese Parforce-Leistung ermöglichte die Reichweite von 8700 Kilometer. Airbus hätte in dem neuen XLR – das Kürzel steht für Extra Long Range – sogar 9000 Kilometer geschafft, doch die europäische Luftfahrtbehörde EASA verlangte kleinere Abstriche.
Schon sehr gefragt ist das neue Flugzeug bei Billig-Airlines aus Großstaaten wie Indien. Von den europäischen Traditionslinien ist nicht nur Iberia interessiert: Die irische Aer Lingus stößt sogar ältere A330 ab, um mindestens ein Halbdutzend A321-XLR anzuschaffen.
Bei Lufthansa ist der neue Airbus „nicht im Fokus“
Andere sind da vorsichtiger. Lufthansa erklärte auf Anfrage, man prüfe den Markt der neuen Flugzeugtypen zwar kontinuierlich; der A321-XLR sei aber „bisher nicht im Fokus“. Konzernchef Carsten Spohr hatte im Juni bei einer Mitarbeiterversammlung erklärt, für den Einsatz des neuen Airbus-Fliegers kämen nur sehr wenige Lufthansa-Strecken in Betracht. Das auch, weil sich das Unternehmen mit seinen Partnermarken Swiss, Austrian Airlines oder Eurowings weiterhin auf sein Hub-Konzept mit den Umsteigeorten Frankfurt und München abstützen will.
Einzelne Experten halten das Festhalten an den Drehkreuzen für riskant. Lowcost-Konkurrenten wie Indigo (Indien), AirAsia oder die ungarische Wizz Air werden es sich nicht nehmen lassen, mit dem A321-XLR weiter Marktanteile im interkontinentalen Geschäft zu ergattern. Diese Langstrecken sind für Airlines wie Lufthansa aber heute noch lukrativer als innereuropäische Ziele.
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Noch ist unklar, wie die Passagiere die Maschine annehmen werden
Den Ausschlag werden vielleicht die Passagiere geben. 8700 Kilometer Reichweite ermöglicht Flüge von elf Stunden. Sie in einem für Mittelstrecken gedachten Rumpf mit enger Bestuhlung für 220 Passagiere zu absolvieren, ist nicht jedermanns Sache. Iberia hat deshalb in seine erste Maschine Liegesitze für die Business Class eingerichtet. Das senkt die Sitzzahl auf 182 – und steigert damit den Sitzpreis.
Der in Toulouse tätige Luftfahrtexperte Paul Chiambaretto hält den A321-XLR auf jeden Fall für einen „Game changer“ im zivilen Luftverkehr. Der bereits garantierte Erfolg des neuen Fliegers werde viele Flugpläne umstürzen und „die gesamte Hub-Logik mit dem Umsteigen in den Mega-Flughäfen in Frage stellen“.
Klimapolitisch sind von dem A321-XLR keine großen Änderungen zu erwarten. Das Wegfallen von Zwischenlandungen und das geringere Gewicht verringern zwar für den ökologischen Fußabdruck pro Passagier. Generell macht das neue Flugzeug das Fliegen aber attraktiver.
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