San Francisco. Autonomes Fahren ist in San Francisco Alltag. Google bringt seine PS mit Waymo auf die Straße. Worauf sich (Berufs)Fahrer einstellen müssen.
An der Kreuzung Taylor Street/Beach Street schaltet die Ampel auf Rot. Sanft geht der weiße Jaguar I-Pace vom Gas – vom Strompedal. Der Beifahrer dreht sich lächelnd zu seinen Kumpels nach hinten. Seine Handykamera hält er auf den Fahrersitz: Er ist leer.
Sie sitzen in einem Waymo. Vermutlich Touristen. Für Einheimische sind die autonom fahrenden Taxis auf den Straßen von San Francisco ein vertrauter Anblick; schon von Weitem am rotierenden Zylinder-Gehäuse auf dem Dach und den schwarzen Sensoren und Kameras zu erkennen.
Waymo ist anderen Herstellern voraus. Die Frage ist, wohin die Fahrt geht. In eine Welt ohne Auto-, Bus- und LKW-Fahrer? Elon Musk, der Mehrheitseigner von Tesla, hat neulich an die Aufzugführer erinnert, an den Liftboy. Ein Beruf von gestern.
Googles Waymo ist beim autonomen Fahren voraus
Die Entwicklung wird von Unternehmen forciert, die nicht zum ersten Mal aus Technologie ein Geschäft machen. Die nicht lokal, regional oder national denken, sondern global. Und das Kapital haben, um Durststrecken zu überstehen.
Waymo gehört zu Alphabet. Das ist der Mutterkonzern von Google. Auf das autonome Fahren wetten auch Amazon, die General-Motors-Tochter Cruise sowie Baidu, ein chinesischer Techkonzern. Tesla stellte einen Cybercab vor. Bis 2026 will er so weit sein. MAN führte in Deutschland die erste Autobahnfahrt eines autonomen LKWs durch.
Fünf Stufen des autonomen Fahrens
Technologisch ist die Entwicklung vorgezeichnet – in einem Fünf-Stufen-Plan. Die Eingangsstufe kennt jeder: Assistenzsysteme wie der Tempomat. Auf Stufe zwei hält das Fahrzeug die Spur, bremst, beschleunigt, für kurze Zeit kann der Fahrer das Lenkrad loslassen. Auf Stufe drei fährt der Wagen unter Bedingungen (etwa nur auf Autobahnen) selbständig. Darunter fällt der Staupilot von Mercedes in der S-Klasse.
Waymo ist auf Stufe vier. Der Wagen fährt selbständig, auch leer, aber in San Francisco nur in der Stadt, (noch) nicht auf der Autobahn. In Stufe fünf ist der Fahrer endgültig Passagier, das Fahrzeug braucht weder Lenkrad noch Gas- oder Bremspedal.
Waymo startete 2020 am Stadtrand von Phoenix (Arizona). Drei Jahre später ging es nach San Francisco. Die Stadt gilt als der lukrativste Taximarkt nach New York.
Welpenschutz für Googles „Waymo“
Kein schlechtes Pflaster für technologische Neuerungen. In San Francisco wurde Twitter groß, hier sitzen Uber, Airbnb, im nahe liegenden Silicon Valley Apple und Alphabet. Als die Künstliche Intelligenz enger reglementiert werden sollte und die Firmen mit Wegzug drohten, legte Gouverneur Gavin Newsom sein Veto ein. Er sorgte auch dafür, dass Waymo frühestens 2026 Strafzettel bekommt. Bis dahin haben die Taxis Welpenschutz.
Sicher müssen sie gleichwohl sein. Waymo-Konkurrent Cruise verlor die Lizenz für seine Robotaxis. Was war passiert? Ein anderes Fahrzeug fuhr eine Fußgängerin an, die unter das Taxi geriet. Das Cruise-Auto wollte die Unfallstelle räumen – und schleifte die Frau mit. Inzwischen fahren die Autos wieder – zur Kontrolle mit einem Fahrer. Waymos Probleme nehmen sich im Vergleich harmlos aus.
Bloß „Kinderkrankheiten“ beim autonomen Fahren?
Zwischenfall Nummer 1: Ein Hupkonzert in der Nacht. Auslöser war folgende Funktion: Die Autos sollen hupen, wenn jemand langsam rückwärts auf sie zufährt. Als ein Waymo damit auf dem hauseigenen Parkplatz begann, kam es zum kollektiven Hupen.
Schon ernster: Zwischenfall Nummer zwei. Ausgerechnet bei einem Besuch der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Beim Wendemanöver blieb ein Waymo mitten auf der Straße stehen und blockierte die Autokolonne. Ein Polizist stieg ins Auto und fuhr es weg. Zum Glück hat Waymo noch ein Lenkrad.
HAPPENING NOW: A driverless @Waymo gets stuck making a u-turn as @VP’s motorcade arrived at the Fairmont S.F.
— LaurenABC7 (@LaurenABC7) 28. September 2024
An SFPD officer had to manually drive the vehicle out. We’re hearing this wasn’t the only one… @abc7newsbayarea pic.twitter.com/uCdiTf9lbB
Von Zwischenfall Nummer drei gibt es auch ein Video. Mitten auf der Straße begannen Aktivisten, ein Waymo mit Graffiti zu bemalen. Ein Fahrer hätte die Polizei gerufen, wäre davongerast oder ausgestiegen und hätte die Störer zur Rede gestellt. Das Robottaxi blieb stehen. Auf Vandalismus ist es nicht programmiert.
A Waymo car was vandalized while a passenger was inside in San Francisco pic.twitter.com/p2eP9p6gnd
— Clown World ™ 🤡 (@ClownWorld_) 24. September 2024
Bemerkenswert ist Zwischenfall Nummer vier. Um nicht einer Gruppe von Scooter-Fahrern hinterherzufahren, ignorierte Waymo die durchgezogene Linie und überholte auf der Gegenspur. Der Roboter entschied, eine Verkehrsregel vorsätzlich zu brechen.
Klagen gab es von der Feuerwehr. Mehrmals hatten Waymos Zufahrten versperrt, sogar vor Feuerwehrstationen. Aber aus jedem Zwischenfall hat das System gelernt.
Waymos fahren wie von Geisterhand
Wer in San Francisco lebt, erlebt jeden Tag, wie gut die Autos durch den dichten Verkehr kommen, auch nachts, bei Regen, Nebel oder gleißendem Sonnenlicht; wie sie anderen Fahrzeugen ausweichen, sich auf engen Straßen vorbeischlängeln, defensiv, aber ohne alle aufzuhalten. Beim Überqueren des Zebrastreifens zuckt man noch. Hält er? Er hält.
Rund 300 dieser Taxis fahren hier. Im Mai zählte Waymo 200.000 Passagiere, im August schon eine halbe Million. Nach der Erprobung in Santa Monica ist Waymo in Los Angeles unterwegs, ebenso in Austin (Texas). Dort wird die Expansion von Uber unterstützt. Nächste Station auf der Erfolgsspur: Atlanta.
Wie von Geisterhand gelenkt
Waymo und das Zürcher Versicherungsunternehmen Swiss Re haben 2022 eine Studie zur Sicherheit vorgelegt. Ergebnis: Autonome Fahrzeuge sind sicherer als solche, die von Menschen gesteuert werden.
Die Bestellung ist leicht. Der Kunde lädt sich die App herunter und bucht einen Trip. Um nicht verwechselt zu werden, leuchten auf dem Dachgehäuse seine Initialen. Der Gast steigt ein, tippt auf „start Ride“, die Türen gehen zu, die Fahrt los. Im Hintergrund ertönt Musik. Wie von Geisterhand bewegt sich das Lenkrad.
Anspruchsloser Fahrer
Das System greift auf GPS zurück und gleicht die Straße mit detaillierten Karten – Markierungen, Stoppschilder, Bordsteine, Zebrastreifen – ab: Mit Sensoren, einem Radar (zeichnet ein 3-D-Modell der Umgebung), 29 Kameras. Millionen Messwerte werden im Rechner unter dem Kofferraum mithilfe künstlicher Intelligenz verarbeitet. Der Roboter achtet auf alles, Fußgänger, Radfahrer, Schilder, Signale.
Ist der Gast raus, gehen die Fenster runter, zum Lüften. Zum Betriebshof fährt das Taxi zur Wartung oder Reparatur und jeden Tag zum Laden. Das besorgt tatsächlich noch ein Mensch. Ansonsten ist Waymo im 24/7-Modus unterwegs. Schläft nicht, raucht nicht, trinkt nicht, lässt sich nicht ablenken. Kein Urlaub, keine Rente, keine Gewerkschaft.
Google macht mit „Waymo“ noch kein Geschäft
Der Preis variiert je nach Strecke, Fahrzeit, Verkehr und Nachfrage. Bei einer Fahrt am Abend waren es 17,88 US-Dollar für 4,5 Kilometer, Dauer: zwölf Minuten. Ein Geschäft ist das Robotaxi nicht. Ökonomen sind in der Bilanz von Alphabet in der Sparte „andere Kosten“ fündig geworden: vier Milliarden Dollar, wohl Waymos Anlaufinvestitionen.
Je mehr Autos fahren, desto niedriger die Betriebskosten. In der modernsten Generation haben Waymos 13 statt 29 Kameras, vier statt fünf Radarsensoren. Es wird billiger, perspektivisch auch dank einer Kooperation mit einem chinesischen Hersteller.
Es gibt Schätzungen, wonach ein Waymo rund 180.000 Dollar kostet und die Investition im ersten Jahr hereinfahren kann. Ein Vorteil ist zweifellos der Zugriff auf die gesamte Flotte. So lassen sich die Auslastung und die Wartezeiten optimieren.
Herausforderung für VW & Co?
Musk wiederum schwebt als Geschäftsidee vor, dass normale Tesla-Käufer seine Robotertaxis erwerben und vermieten können – eine Art Airbnb für Autos. Er will auch ohne aufwendige Sensor-Technik und Laser-Radare auskommen. Viel Vision. Bislang bietet Tesla nur autonomes Fahren der Stufe drei an.
Lesen Sie auch: Harsche Kritik an Elon Musks Tesla-Show: Alles nur geklaut?
Die Amazon-Tochter Zoox probiert es mit einem Shuttle ohne Lenkrad; Passagiere sitzen sich auf zwei Bänken gegenüber. Es hakt offenbar noch bei der Zulassung.
Tatsächlich ist Waymo am weitesten und am gefährlichsten für die tradierte Autoindustrie. Die Leute von Google bringen ihre PS auf die Straße in San Francisco.
Das könnte Sie auch interessieren: Musks Robotaxi: Anleger senken den Daumen – Nur Showbiz?
- Altersvorsorge: Ruhestand mit 30, 40 oder 50? So viel Geld brauchen Sie dafür
- Arbeit & Ausbildung: 5000 Euro für Azubis – Deutschlands bestbezahlte Berufe
- Arbeitsplatz: Abfindung im Job kassieren? Diese Tipps sind bares Geld wert
- Ruhestand: Drei Banker verraten, was sie für ihre Altersvorsorge tun
- Wohnen und Mieten: Reich werden mit Airbnb – Zwei Brüder verraten, wie es geht
- Geldanlage: Goldpreis auf Rekordhoch: Lohnt sich der Einstieg noch?