Essen. Für Start-ups gibt es frisches Kapital. Revier-Unternehmen und NRW-Bank zahlen in Gründerfonds II ein. Thyssenkrupp ist nicht mehr dabei.
Wer ein Unternehmen gründen will, braucht neben einer zündenden Geschäftsidee vor allem eines: Kapital. Geldgeber sind rar. Insofern ist es eine gute Nachricht für die Start-up-Szene im Revier, dass der Gründerfonds Ruhr in die zweite Runde geht und in den kommenden Jahren 31 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Die Macher im Hintergrund arbeiten bereits an einer weiteren Aufstockung.
Venture-Capital-Fonds, die sich mit Wagniskapital an Start-ups beteiligen, sitzen gemeinhin in Berlin, München, Münster oder gar im Ausland. Im Ruhrgebiet hat sich der Gründerfonds Ruhr als verlässliche Größe etabliert. 2015 mit 34,5 Millionen Euro gestartet, wollen NRW-Bank, RAG-Stiftung und Mitglieder des Wirtschaftsbündnisses Initiativkreis Ruhr wie Brost-Stiftung, die Essener National-Bank, die Landesbank Hessen-Thüringen Helaba, Kötter Security und Evonik nun ihr Engagement für weitere zehn Jahre verlängern. Thyssenkrupp gehört demnach nicht mehr zu den Geldgebern.
Gründerfonds Ruhr geht in die zweite Runde
„Der Gründerfonds Ruhr II geht mit 31 Millionen Euro an den Start. Unser Ziel ist es, in den kommenden zwölf Monaten potenzielle Fondsinvestoren wie Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen anzusprechen, um auf 50 Millionen Euro aufstocken zu können“, sagt Ann-Christin Kortenbrede, Geschäftsführerin des Gründerfonds Ruhr. Mit 15 Millionen Euro steuert die landeseigene NRW-Bank knapp die Hälfte der Summe bei. „Mit unserer Beteiligung am Gründerfonds Ruhr II wollen wir noch stärker das Potenzial fördern, das im Ruhrgebiet mit seiner dichten Forschungslandschaft und dem urbanen Umfeld vorhanden ist“, sagt Johanna Antonie Tjaden-Schulte, Mitglied des Vorstands der NRW-Bank.
Jan Gräfe spricht von „starken Partnern, die über signifikante Ressourcen verfügen und auch bereit sind, diese zur Verfügung zu stellen“. Der Co-Geschäftsführer des Gründerfonds Ruhr hält das Angebot aber auch für notwendig. „Es ist erforderlich, mehr für Start-ups im Ruhrgebiet zu tun. Kapital ist dabei der am meisten benötigte Baustein“, sagt Gräfe. Der Gründerfonds Ruhr habe sich als „relevanter Frühphasen-Investor im Ruhrgebiet“ etabliert.
Überregionale Investoren für das Revier gewinnen
„Erfreulicherweise stellen wir fest, dass inzwischen mehr Kapital für Start-ups zur Verfügung steht als noch vor fünf Jahren“, so der Finanzexperte. Dennoch gebe es noch viel zu tun. „Eine Herausforderung ist es, überregionale Investoren in die Region zu bekommen, die ihrerseits größere Finanzierungsrunden in zweistelliger Millionenhöhe stemmen können.“
Nichtsdestotrotz kann sich die Bilanz des Gründerfonds Ruhr sehen lassen: In den vergangenen Jahren hat er zehn Start-ups aus dem Ruhrgebiet finanziell und ideell unterstützt. Darunter die Essener Fasciotens GmbH, die medizintechnische Produkte etwa für offene Bauchräume herstellt; die Bochumer Dimate GmbH, die IT-Lösungen für Werkstoffprüfungen entwickelt; das Duisburger Biotech-Unternehmen Emergence Therapeutics, das Antikörper-Wirkstoffe zur Therapie schwer behandelbarer Tumore entwickelt oder das bekannte Bochumer Cybersicherheits-Unternehmen VMRay.
Nun geht der Gründerfonds II an den Start – mit einer bedeutenden Neuerung. „Frühphasen-Investoren gibt es sehr viele, jedoch nicht im Ruhrgebiet. Wir behalten unseren Fokus auf der Region, wollen aber künftig 25 Prozent unseres Kapitals Start-ups in ganz Deutschland zur Verfügung stellen“, sagt Geschäftsführerin Kortenbrede. Der Gründerfonds Ruhr will seine Fühler also demnächst auch bundesweit ausstrecken. „Wir schauen uns junge, innovative Tech-Unternehmen an, die sich mit Themen wie Industrie, neuen Materialien, Energie, Gesundheit und Datensicherheit beschäftigen“, erklärt Kortenbrede. Allein in diesem Jahr habe das nur vier Köpfe umfassende Team des Gründerfonds Ruhr bereits rund 350 Start-ups analysiert.
Gründerfonds Ruhr: Start-ups von außerhalb anlocken
Den Blick über die Grenzen der Region kann sich der Fonds auch leisten, weil er die hiesige Gründerszene auf einem guten Weg sieht. „In der Vergangenheit sind viele Start-ups – auch aus dem Ruhrgebiet – nach Berlin abgewandert, weil sie Angst hatten, in der Heimat keine Investoren zu finden“, räumt Kortenbrede ein. Das habe sich aber inzwischen geändert – auch dank der „der guten Aufbauarbeit unserer Partner wie der NRW-Bank, dem Initiativkreis Ruhr, den Hochschulen und vielen weiteren Akteuren“. Die Gründerfonds-Geschäftsführerin ist davon überzeugt, dass das Revier auch in der Lage ist, Start-ups von außerhalb anzulocken. „Die industrielle Landschaft und der Zusammenhalt im Ruhrgebiet sind Stärken, um die wir beneidet werden“, sagt Kortenbrede.
Auf Augenhöhe mit Berlin und München, den Hotspots der Start-up-Szene, sieht der Gründerfonds das Ruhrgebiet aber dennoch nicht. Geschäftsführer Gräfe appelliert an den Gründergeist: „Wir müssen mehr Talente begeistern, Unternehmen zu gründen.“ Der Gründerfonds Ruhr II wurde am Donnerstag, 10. Oktober, beim „Portfolio Day 2024“ im Essener Colosseum vorgestellt.
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