Frankfurt am Main. Sollte Unicredit die Commerzbank übernehmen, entstünde ein europäischer Bankenriese. Das hätte Folgen – vor allem für den Mittelstand.

Es ist ein Krimi im deutschen Bankenmarkt: Die italienische Großbank Unicredit versucht, die Commerzbank zu übernehmen – ein Manöver, das auch die Bundesregierung überrumpelt hat. Über Finanzinstrumente hat sich die Unicredit die Option gesichert, ihren Anteil an der Commerzbank von neun auf 21 Prozent aufzustocken – und sie strebt offenbar nach mehr.

Bekommt Unicredit den neuerlichen Anteilserwerb genehmigt, wird der Bankkonzern mit Sitz in Mailand größter Commerzbank-Aktionär – noch vor dem Bund. Der hatte die Bank in der Finanzkrise 2008 und 2009 gestützt und sie mit Kapitalhilfen von insgesamt 18,2 Milliarden Euro gerettet. Inzwischen hat sie die Krise überwunden und wies im vergangenen Jahr einen Gewinn von rund 2,2 Milliarden Euro aus. Seine Beteiligung wollte der Bund nun reduzieren – allerdings Schritt für Schritt. Auch größter Einzelaktionär wollte der Bund eigentlich noch bleiben. Nun sinkt der Bundesanteil von 16,49 auf zwölf Prozent. Politisch sorgt der Vorstoß für Verärgerung. Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte das Vorgehen.

Commerzbank: Hält die Deutsche Bank mit einem eigenen Angebot dagegen?

„Was Unicredit derzeit macht, hat nur einen Sinn, wenn sie die Commerzbank wirklich übernehmen wollen, analysiert Christoph Schalast, Experte für Fusionen und Übernahmen und Professor an der Frankfurt School of Finance. Allerdings, betont er, seien feindliche Übernahmen im Finanzsektor unüblich und auf dem deutschen Markt selten erfolgreich.

Mit Spannung blicken Experten auf die Deutsche Bank, die mit eigenen Geboten dagegenhalten könnte, um eine Komplettübernahme für den Konkurrenten möglichst teuer zu machen. „Man kann davon ausgehen, dass die Bundesregierung einen nationalen Champion bevorzugen würde“, vermutet Schalast. Bislang gelinge es der Unicredit offenbar, zuzukaufen, ohne den Preis durch die Decke zu treiben, sagt Hans-Peter Burghof, Finanzprofessor an der Universität Hohenheim. „Ab jetzt dürfte jede weitere Aktie teurer werden“.

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Angst vor massiven Arbeitsplatzabbau

Unicredit erhofft sich durch eine stärkere Präsenz in Deutschland Synergien. Seit der Übernahme der HypoVereinsbank vor 20 Jahren ist das Mailänder Geldhaus auf dem deutschen Markt stark vertreten. Ihre Manager kennen ihn gut. „Eine signifikante Erhöhung unseres Marktanteils in Deutschland wäre gut für die Unicredit“, sagt Vorstandschef Andrea Orcel. Allerdings will er auch Fortschritte bei der Profitabilität sehen: Die Eigenkapitalrendite der Hypo-Vereinsbank (HVB) sei doppelt so hoch wie die der Commerzbank, betont er.

Entsprechend alarmiert sind die Belegschaftsvertreter. Die Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Gesamtbetriebsrat der Commerzbank haben erbitterten Widerstand angekündigt. Eine Übernahme sei nicht im Sinne der Beschäftigten und werde zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung führen. Sollte ein Deal mit der Unicredit zustande kommen, könnten zwei Drittel der Arbeitsplätze wegfallen, warnt der Vorsitzende des Commerzbank-Gesamtbetriebsrats, Uwe Tschäge. Die Commerzbank beschäftigt nach eigenen Angaben aktuell rund 39.000 Vollzeit-Mitarbeiter, davon mehr als 25.000 in Deutschland.

Durch die Übernahme könnte die neue Großbank 80 Milliarden Euro schwer werden

„Eine Konsolidierung am europäischen Bankenmarkt ist ökonomisch sinnvoll“, findet dennoch der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick. Eine fusionierte Unicredit-Commerzbank käme immerhin auf eine Marktkapitalisierung von gut 80 Milliarden Euro. Damit hätte sie nach Dafürhalten vieler Experten eine ausreichende Größe, um im europäischen Bankenmarkt bestehen zu können. Das Größen-Ungleichgewicht beispielsweise gegenüber großen US-Instituten wäre damit aber noch lange nicht aufgehoben.

Der deutsche Bankenmarkt gilt für ausländische Akteure eigentlich als mäßig attraktiv. Das liege vor allem an der Stärke des öffentlichen Sektors mit Sparkassen und Landesbanken, die den Wettbewerb hochhält, unterstreicht Friedrich Heinemann, Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

Deshalb wäre eine Übernahme durch Unicredit auch kein Thema für die Fusionskontrolle, vermutet Schalast. Durch die besondere Struktur des deutschen Bankenmarktes sei ein wesentlicher Teil seines Volumens einer möglichen Fusion ohnehin entzogen, weil Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit internationalen Geschäftsbanken nicht fusionieren dürfen.

Durch eine Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit würde ein europäischer Bankenriese entstehen. Im Vergleich zu US-Banken wäre aber selbst eine Unicredit-Commerzbank noch klein.
Durch eine Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit würde ein europäischer Bankenriese entstehen. Im Vergleich zu US-Banken wäre aber selbst eine Unicredit-Commerzbank noch klein. © picture alliance/dpa | Arne Dedert

Für den Mittelstand könnte die Fusion problematisch werden

Privatkunden müssten sich voraussichtlich auf ein deutlich gestrafftes Filialnetz einstellen. Nach der Übernahme durch die Unicredit schloss die HVB rund 200 Filialen. Für Sparer würde sich an der Sicherheit ihrer Spareinlagen nichts ändern. Die Unicredit unterliegt der europäischen Einlagensicherung. Entsprechend sind Spareinlagen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro pro Einleger durch die Einlagensicherungssysteme der Europäischen Union geschützt.

Ungünstig könnte sich die Fusion vor allem für den deutschen Mittelstand auswirken, dem ein wichtiger Finanzierungs-Anbieter wegbräche. In Deutschland hat die Commerzbank mehr als 22.000 mittelständische Firmenkunden. „Die Commerzbank würde für den deutschen Mittelstand fehlen“, denkt Schalast. „Es würden wichtige Kompetenzen wegbrechen“. Die neue Bank könnte nicht mehr wie zuvor als Hausbank für mittelständische Unternehmen auftreten wollen, erwartet auch Burghof. Eine internationale und kostenoptimierte Geschäftsbank würde womöglich andere Prioritäten setzen.

Allerdings sorgt gerade die starke Stellung des öffentlichen Bankensektors dafür, dass Finanzierungsalternativen bleiben werden. „Entwicklungen wie die vielen FinTech-Innovationen sind ohnehin die viel bahnbrechendere Veränderung für den Markt als eine solche Fusion“, findet Heinemann.

Für die geplante Abwicklung über Finanzinstrumente brauchen die Italiener noch die Zustimmung der Aufsichtsbehörden. Zuständig ist die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Bankenaufsicht für den Euroraum. Zugleich beantragte die Unicredit die Erlaubnis, ihren Anteil auf bis zu 29,9 Prozent aufzustocken. Ab einem Anteil von 30 Prozent wäre sie verpflichtet, ein öffentliches Übernahmeangebot vorzulegen.