Berlin. Deutschland mangelt es an bezahlbaren Wohnungen. Wie groß ist der Mangel in den Städten und Gemeinden konkret? Machen Sie den Check.
In vielen deutschen Städten herrscht Wohnungsnot: Die Nachfrage steigt konstant an, das Angebot aber wächst nicht im gleichen Zuge mit. Wie viele Wohnungen wirklich fehlen, darüber gibt es immer wieder Diskussionen – und die Spannbreite ist groß. Im Frühjahr errechnete das auf Wohnungsmärkte spezialisierte Forschungsinstitut Empirica einen bundesweiten Fehlbedarf von 170.000 Wohnungen. Das Hannoveraner Pestel-Institut geht dagegen von einem Defizit von 800.000 Wohnungen aus.
Das Ungleichgewicht am Wohnungsmarkt zieht Folgeeffekte nach sich. Die Mieten stiegen zuletzt stark an. Für Wohnungen in Neubauten wurden im 2. Quartal des laufenden Jahres im Schnitt 8,7 Prozent mehr Miete als noch im selben Zeitraum des vergangenen Jahres verlangt, hat das Immobilienportal Immoscout24 errechnet. Bei Wohnungen in Bestandsbauten betrug das Plus 4,2 Prozent. Ursprünglich hatte die Bundesregierung geplant, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen fertigstellen zu wollen. Dieses Ziel ist mittlerweile gekappt, im vergangenen Jahr wurden nicht einmal 300.000 neue Wohnungen gebaut.
Wo aber fehlen die meisten Wohnungen? Und welche Städte und Kommunen bauen am stärksten? Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln hat in einer großen Analyse 400 Landkreise und kreisfreie Städte unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse liegen unserer Redaktion exklusiv vor – und liefern teils überraschende Einsichten.
Wo der Bedarf an neuen Wohnungen am größten ist
„Der Wohnungsbau steckt in einer veritablen Krise“, heißt es in der Studie. Um der Wohnungsknappheit zu begegnen, hätten in der bis zum kommenden Jahr laufenden Legislaturperiode eigentlich 372.600 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssen, haben die IW-Forscher Philipp Deschermeier, Ralph Henger und Julia Sprenger errechnet. Dieses Ziel hat die Ampel-Koalition verfehlt: 2021 wurden 293.400, ein Jahr später 295.300 und im vergangenen Jahr 294.400 neue Wohnungen fertiggestellt. In diesem Jahr rechnen Experten mit einem deutlichen Rückgang, der sich auch im kommenden Jahr fortsetzen dürfte.
Die künftigen Bundesregierungen haben es laut IW-Prognose etwas leichter: Weil sich die Bevölkerungszahl wohl verringern wird, werden auch weniger neue Wohnungen benötigt. Die Kölner Forscher taxieren den Bedarf von 2026 bis 2040 auf dann noch 257.400 neue Wohnungen pro Jahr – also 31 Prozent weniger als bisher.
Größter Wohnungsmangel aktuell in Potsdam
Den größten Wohnungsmangel hat laut IW derzeit die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam. Pro Jahr müssten eigentlich 2224 Wohnungen entstehen, um den Bedarf zu decken – im Verhältnis zu 1000 Einwohnern macht das 12,2 Fertigstellungen pro Jahr. Tatsächlich entstand zuletzt nicht einmal die Hälfte der benötigten Wohnungen in der Landeshauptstadt. Auch in der Potsdamer Nachbarschaft ist fehlender Wohnraum ein großes Problem: In Berlin bräuchte es 31.252 neue Wohnungen pro Jahr, die mit Abstand höchste absolute Zahl gefolgt von Hamburg (12.357). Doch sowohl in der Haupt- als auch in der Hansestadt wird nur etwas mehr als die Hälfte des Bedarfs tatsächlich gedeckt.
Gemessen an der Bevölkerungszahl weisen nach Potsdam die Städte Regensburg, Flensburg und Bamberg den höchsten Bedarf an neuen Wohnungen auf.
Wo beim Wohnungsbau geklotzt und wo gekleckert wird
Regensburg hat zwar den zweithöchsten Bedarf an neuen Wohnungen, in der Domstadt wurde zuletzt aber auch geklotzt. Pro Jahr wurden im Mittel zwischen 2021 und 2023 8,3 neue Wohnungen je 1000 Einwohner gebaut. Unter den Städten ist das ein Spitzenwert, nur der Landkreis Straubing übertrumpft die Zahl mit 9,6 Fertiggestellungen pro 1000 Einwohner noch. Auch Wolfsburg (6,4 neue Wohnungen pro 1000 Einwohner), Wiesbaden und Münster (je 6,2) verzeichneten hohe Neubautätigkeiten. Hohe Werte weisen die Landkreise Dahme-Spreewald (8,1) sowie die Kreisstadt Neumarkt in der Oberpfalz (8,0) auf. Die NRW-Städte Gelsenkirchen, Oberhausen (je 0,7) und Hagen (0,6) bilden dagegen die Schlusslichter. In absoluten Zahlen wurde im bayerischen Hof am wenigsten gebaut: Pro Jahr entstanden in der fränkischen Mittelstadt nur 38 neue Wohnungen pro Jahr.
Bei den Metropolen liegt München mit einem Wert von 5,6 Fertigstellungen pro 1000 Einwohner ganz vorn – das macht in absoluten Zahlen 8298 Wohneinheiten pro Jahr. In Berlin wurden zwar absolut gesehen fast doppelt so viele neue Wohnungen gebaut, 16.382 pro Jahr, im Verhältnis zu 1000 Einwohnern entspricht das allerdings nur einem Wert von 4,6. Womit die Hauptstadt allerdings immer noch deutlich vor Düsseldorf (3,6), Köln (2,7) und Stuttgart (2,4) liegt.
Wo am Wohnungsbedarf vorbeigebaut wird
Am Bedarf vorbeigebaut wird den Daten zufolge sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. In Hof wurde gerade einmal ein Fünftel der benötigten Wohnungen gebaut. Nicht viel besser sieht es in den Städten Wuppertal (21 Prozent), Jena (23 Prozent), Oberhausen (24 Prozent) und Flensburg (25 Prozent) aus. „Durch die Knappheiten entsteht ein intensiver Wettbewerb um Wohnraum, der mit steigenden Preisen und Mieten einhergeht“, heißt es in der Studie.
Die höchste Bedarfsdeckung gibt es im Kurort Bad Kissingen. Eigentlich bräuchte es pro Jahr nur 58 neue Wohnungen, hat das IW errechnet, tatsächlich wurden zuletzt 382 neue Wohneinheiten pro Jahr fertiggestellt – macht eine Bedarfsdeckung von 662 Prozent. Auch im Landkreis Main-Spessart wurden sechsmal mehr Wohnungen gebaut, als überhaupt benötigt werden.
Dieses Missverhältnis setzt sich auch in anderen Städten und Kreisen fort. Laut IW wurden in 156 von 400 Kreisen zu viele Wohnungen gebaut. „Insgesamt entstanden dort jedes Jahr 25.400 Wohnungen und damit an Standorten, an denen die Befriedigung des Wohnungsbedarfes auch durch den Umbau der Wohnungsbestände und die Aktivierung der Leerstände hätte erreicht werden können“, schreiben die IW-Forscher. Gerade einmal in jedem dritten Kreis habe sich die Bautätigkeit mit dem Bedarf ungefähr gedeckt. In 55 der 70 Großstädte entstanden zu wenige neue Wohnungen.
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Prognose: Wo langfristig der größte Bedarf an Wohnungen bestehen wird
Vor allem in den 2030er-Jahren wird der Bedarf an neuen Wohnungen aufgrund rückläufiger Bevölkerungszahlen abnehmen, heißt es in der IW-Studie – wobei auch auf die große Unsicherheit in der Prognose verwiesen wird. Der derzeitige Wohnungsmangel resultiert zum Teil auch auf falschen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in der Vergangenheit. Sollte es aber so kommen, wie die Ökonomen annehmen, dann hätten die Städte Landshut, Berlin und Flensburg in Relation zur Bevölkerungszahl künftig den größten Bedarf an neuen Wohnungen.
In absoluten Zahlen müssten zwischen 2026 und 2040 in Berlin pro Jahr rund 24.000 und in Hamburg rund 8700 neue Wohnungen pro Jahr entstehen. Fast jede dritte Stadt und jeder dritte Landkreis müssten demnach ihre Bautätigkeiten trotz sinkender Bevölkerungszahlen ausweiten.
In den Metropolen dürfte der Wachstumsdruck in Frankfurt am Main, Düsseldorf und München stark nachlassen, prognostizieren die IW-Ökonomen.
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