Berlin. Produzieren, wenn die Sonne scheint und der Wind weht? Ein Vorschlag zur Reform der Stromgebühren sorgt für hitzige Debatten.

Der massive Umbau des deutschen Energiesystems und immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne machen es langfristig auch nötig, den Stromverbrauch anzupassen. Experten halten es grundsätzlich für geboten, dann mehr Energie zu verbrauchen, wenn die Sonne scheint und der Wind weht – und somit mehr günstiger Strom zur Verfügung steht.

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Einen ersten Plan dafür hat nun die Bundesnetzagentur vorgelegt. Grundsätzlich sieht die Idee vor, Unternehmen mit günstigeren Netzentgelten zu belohnen, wenn sie in „Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen“, heißt es in einem Eckpunktepapier, das bereits seit Ende Juli mit Unternehmen und Verbänden diskutiert wird. Konkret will die Behörde, die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zugeordnet ist, so Anreize schaffen, die unternehmerische Produktion an das schwankende Stromangebot von Wind und Sonne anzupassen.

Netzentgelte: Belastungen am Standort Deutschland dürften nicht weiter steigen

Deutschland zählt schon heute im EU-Vergleich zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen. Ein Grund: die wegen des Stromnetzausbaus hohen Netzentgelte, die vollständig von Verbrauchern und Firmen getragen werden. Wirtschaftsverbände reagierten entsprechend verhalten auf das vorgelegte Papier. „Für die Industrie sind die hohen und weiter steigenden Stromnetzentgelte inzwischen eine ernsthafte Belastung am Standort Deutschland. Die geplanten Änderungen dürfen die Kostenlast nicht noch weiter erhöhen“, sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), unserer Redaktion.

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    Mit Blick auf eine Neueregelung bei den Netzengelten drängt der BDI hingegen darauf, den Standort attraktiver zu machen. Dazu zählten auch verlässliche Produktionsbedingungen. „Kürzere Auslastungszeiten und eine flexible Nutzung von Produktionsanlagen machen Produktionsprozesse oft teurer und weniger wettbewerbsfähig. Für viele Produktionsprozesse ist aber nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus technischen Gründen eine möglichst gleichmäßige Anlagenauslastung notwendig“, erklärte BDI-Vize Lösch weiter. Wichtig sei daher, eine kontinuierliche und verlässliche Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen sicherzustellen.

    Würde „wie eine Strafgebühr wirken“ – DIHK mit deutlicher Kritik

    Auch von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gab es Kritik an dem Vorschlag. Es sei zwar richtig, dass Unternehmen belohnt werden müssten, wenn sie sich flexibel verhielten und die Netze entlasteten, sagte Sebastian Bolay, Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie, unserer Redaktion. „Gleichzeitig sind und bleiben zahlreiche Produktionsprozesse in Industrie und Gewerbe unflexibel. Hohe Netzkosten in Zeiten mit wenig Stromerzeugung aus Wind und Sonne würden daher wie eine Strafgebühr wirken“, so Bolay. Die DIHK wirbt nun zunächst dafür, die Übertragungsnetzentgelte durch einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zu senken.

    Bundeskabinett
    Das Ministerium von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellt den Vorschlag der Bundesnetzagentur nun zur Diskussion. © DPA Images | Kay Nietfeld

    Derzeit erhalten Großverbraucher wie Unternehmen einen Rabatt bei den Netzentgelten, wenn sie Strom möglichst gleichmäßig verbrauchen – eine Regelung aus der Vergangenheit, als Atom- und Kohlestrom Hauptfaktoren für die deutsche Stromerzeugung waren. Mehr Strom aus Sonne und Wind macht es nötig, den Verbrauch daran anzupassen. Richtig, sagen Fachleute wie Lion Hirth, Energieökonom von der Hertie School. Günstigen, grünen Überschussstrom zu nutzen, sei „ein wesentlicher Baustein, um steigende Anteile erneuerbarer Energien effizient im Stromsystem zu integrieren“, schrieb Hirth am Dienstag auf der Plattform X.

    Habeck-Ministerium will Bundesnetzagentur-Plan nun mit allen Akteuren erörtern

    Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) bezeichnete dafür das Setzen von Anreizen über Netzentgelte als „geeigneten Weg“. „Gleichzeitig muss es auch einen Rahmen geben, in dem Unternehmen, die aus produktionstechnischen Gründen nicht flexibel laufen können, weiter wie bisher produzieren können“, so BEE-Präsidentin Simone Peter. Vom Energiewirtschaftsverband BDEW hieß es, künftige Regelungen müssten einfach und für alle Beteiligten umsetzbar seien.

    Ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Habeck betonte gegenüber unserer Redaktion: „Bei den Eckpunkten handelt es sich um ein Konsultationspapier der BNetzA, nicht um Pläne des BMWK.“ Man werde die Überlegungen nun „ausführlich mit allen Akteuren erörtern“.