Berlin. Der Preis für das 49-Euro-Angebot könnte künftig an einen Index gekoppelt sein. Was das bedeuten würde – und woher nun Kritik kommt.
Über Tarifgrenzen hinaus im öffentlichen Nahverkehr mit Bus und Bahn unterwegs sein – das geht mit dem Deutschlandticket. Derzeit ist das Angebot noch für 49 Euro monatlich zu haben. Als sicher gilt aber, dass der Preis im kommenden Jahr steigen wird. Die Politik müsse zwar mit finanzieren, solle sich künftig aber beim Festlegen des Preises raushalten, hatte in dieser Woche Hessens Verkehrsminister Kaweh Mansoori (SPD) gegenüber unserer Redaktion erklärt.
Stattdessen sollte sich der Preis künftig anhand eines „objektiven Systems“ berechnen. Mansoori schlug dafür einen neuen Index vor. Eine Berechnung, die das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Auftrag unserer Redaktion vorgenommen hat, zeigt nun erstmals, was das auf Grundlage aktueller Zahlen bedeuten könnte.
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„Wenn man die Börsenpreise für Strom nimmt und den Tariflohnanstieg im ÖPNV in Sachsen-Anhalt als mögliche Basis für die Tariflöhne insgesamt, dann kommt man von 2024 zum Jahr 2025 auf einen Anstieg von insgesamt etwa zehn Prozent“, sagte der Vizepräsident und Leiter der Abteilung Makroökonomik, Oliver Holtemöller. „Nach dieser Logik müsste das Deutschlandticket 4,90 Euro teurer werden.“ Ausschlaggebend ist dabei die Gewichtung von eins zu drei – „also, dass Lohnkosten dreimal so hoch sind wie Energie und restliche Kosten“, so der Experte.
Deutschlandticket: Hessens Verkehrsminister für „transparenten Mechanismus“
Hessens Verkehrsminister Mansoori hatte dafür plädiert, den jetzigen Preis des Deutschlandtickets zu nehmen und die weitere Preisentwicklung an einen bestimmten Index zu knüpfen. „Ich denke da zum Beispiel an die Lohnentwicklung im ÖPNV gemixt mit einer teilweisen Abbildung der erhöhten Kosten für Sprit und Energie“, so der SPD-Politiker. Mansoori hatte darüber hinaus gefordert, den Preis für das Ticket-Angebot künftig losgelöst von der Politik festzulegen.
Nötig sei ein „ein transparenter und nachvollziehbarer Mechanismus, nach dem sich der Preis fortentwickeln“ könne. Das würde Planungssicherheit schaffen – bei Verbrauchern und den Verkehrsverbünden.
Unterstützung für den Vorschlag aus Hessen kommt vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Dessen Geschäftsführer Alexander Möller sagte unserer Redaktion: „Wir begrüßen das Ansinnen, die künftige Preisentwicklung beim Deutschlandticket an die objektive Kostenentwicklung bei Bus und Bahn zu koppeln.“ Der VDV habe im Januar dieses Jahres erstmals einen solchen Preis-Index vorgeschlagen. „Wir erreichen so ein höheres Kundenvertrauen, bekommen Planungssicherheit – und sparen Kosten, da wir das Tarifsystem dann endlich verschlanken können“, sagte Möller weiter.
Deutschlandticket: Verband will „fachlich fundierte, schnelle Entscheidung“
Das Deutschlandticket soll noch bis Jahresende 49 Euro kosten. Minister von Bund und Ländern ringen schon seit mehreren Monaten um den künftigen Preis. Erwartet wird, dass bei der nächsten Verkehrsministerkonferenz im Herbst eine Entscheidung fällt. „Wir wollen keine wochenlange Preisdebatte, sondern eine fachlich fundierte, schnelle Entscheidung. Parallel dazu eine Zusage von Bund und Ländern für das dauerhafte Deutschlandticket“, so VDV-Geschäftsführer weiter. Danach könnten die Verkehrsunternehmen ihre Tarifangebote insgesamt überarbeiten und die Kunden könnten sich dauerhaft auf das Ticket verlassen.
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Möller wies erneut darauf hin, dass der derzeitige Preis von 49 Euro lediglich als Einführung gedacht gewesen sei. Nun werde es Zeit für einen gemeinsam verhandelten Index ohne Taktik. „Hier müssen sich für eine definierte Zeit fehlende Einnahmen bei anderen Ticketarten genauso abbilden wie Lohnentwicklungen und Kosten für den Betrieb insgesamt“, sagte Möller. „Insbesondere die von der Branche erwartete Transformation zur Emissionsfreiheit ist dabei wesentlich.“ Angesichts der angespannten Finanzlage würden Kommunen und ihre Verkehrsunternehmen sowie der Bahn-Regionalverkehr aktuell für den Erhalt ihrer Angebote kämpfen.
Verkehrsexperte: Indexierte Preiserhöhung würde Verluste nicht auffangen
Bedenken an der Preisberechnung anhand eines Indexes äußerte ein Verkehrsexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaft (IW Köln). Bislang habe das Deutschlandticket vor allem zu Einnahmeverlusten bei den Verkehrsverbünden geführt – vor allem deshalb, weil mehr als die Hälfte der bisherigen Abonnenten auf das günstigere Deutschlandticket umgestiegen sind, sagte IW-Wissenschaftler Thomas Puls. Lediglich 28 Prozent der heutigen Nutzer hätten vorher weniger oder gar nichts für den ÖPNV bezahlt.
„Eine indexierte Preiserhöhung würde diese Lücke nicht schließen“, erklärte Puls. „Um das Kostenproblem zu lösen, muss sich eine Seite bewegen: Entweder der Preis steigt stärker als die Kosten – oder die Politik stockt die Finanzierung weiter auf.“ Die von SPD-Politiker Mansoori vorgeschlagene Berechnung anhand von Löhnen sowie Sprit- und Energiekosten hielte der Experte zudem für unzureichend. Die tatsächliche Kostenstruktur vieler Verkehrsbetriebe würde so eher nicht abgebildet.
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