Berlin. Auf neuem Posten nimmt sich Anne Brorhilker die nächste Masche des Steuerbetrugs vor. 28,5 Milliarden Euro seien dem Staat verloren gegangen.
Die Summe würde reichen, um die größten Löcher im Bundeshaushalt zu schließen. Es gehe um mindestens 28,5 Milliarden Euro, sagte Anne Brorhilker am Montag. Die Geschäftsführerin der Organisation Finanzwende will dieses Geld „zurückholen“. Deutschen und ausländischen Banken wirft sie jahrelangen Steuerbetrug, hiesigen Finanzbehörden die Tolerierung dieser Geschäfte vor.
Finanzwende setzt sich unter anderem dafür ein, dass Banken mehr im Interesse der Allgemeinheit handeln. Brorhilker arbeitete bis vor Kurzem als Oberstaatsanwältin in Köln, wo sie zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen große Steuerbetrüger in Gang brachte. Ihre erste Aktivität am neuen Platz richtet sich gegen eine spezielle Art von Steuerbetrug, die als „CumCum“-Modell bezeichnet wird. „Cum“ heißt auf Lateinisch „mit“, in diesem Fall „mit Dividendenanspruch“.
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„CumCum“: So lief der Steuerbetrug genau ab
Bei solchen Geschäften ließen sich ausländische Banken und Investoren, die deutsche Aktien besaßen, auf Dividenden gezahlte Steuern von hiesigen Finanzämtern widerrechtlich zurückerstatten. Einheimische Institute halfen dabei, indem sie die Anteilsscheine im Umkreis des Dividendenstichtags von den Besitzern vorübergehend ausliehen, die Steuerrückzahlung einstrichen und die Einnahmen mit den ausländischen Aktionären teilten. Derartiger Steuerbetrug stellte „eine der Haupteinnahmequellen“ internationaler Investmentbanken dar, erklärte Finanzwende. Aber auch deutsche Sparkassen und Volksbanken hätten davon profitiert.
2015 habe der Bundesfinanzhof diese Geschäfte „unter bestimmten Umständen als unzulässig“ eingestuft, sagte Brorhilker. Trotzdem hätten Finanzministerien von Bund und Ländern bis 2021 die Augen zugedrückt.
Brorhilker in ihrem neuen Job: Die Aufklärung ist weiter mühsam
Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) habe dem Treiben dann ein Ende gesetzt, wobei bisher nur ein kleiner Teil zurückgefordert worden sei. „Warum dauert das so lange“, fragte Brorhilker, „wo ist das Geld, welche Bank musste bisher zahlen?”
Solche Informationen versucht die Organisation unter anderem dadurch zu beschaffen, dass sie Anfragen auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes an die Ministerien richtet. Der Ertrag sei oft überschaubar, erklärte die frühere Staatsanwältin und präsentierte komplett geschwärzte Unterlagen, die sie als Antwort erhalten hatte.
Finanz-Lobby im Bundestag: Großer Einfluss dank viel Geld
„Der Schutz der Banken wiegt für die Finanzbehörden offenbar schwerer als der Schutz von Steuergeldern der Allgemeinheit”, sagte Brorhilker. Um die Vorgänge aufzuklären, hat die Organisation mittlerweile Klagen bei Gerichten eingereicht.
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Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick sieht in der CumCum-Geschichte einen Beleg für die Aktivitäten der „Finanzlobby“. Deren Verbände und Anwälte übten erheblichen Einfluss auf die oft zu schlecht ausgestattete öffentliche Finanzverwaltung und die Justiz aus, damit die Geschäfte reibungslos weiterlaufen könnten. Allein für die Beeinflussung der Gesetzgebung im Bundestag investiere die Finanzbranche Mittel in der Größenordnung von beispielsweise 42 Millionen Euro jährlich. Finanzwende fordert, die Ermittlungen zu CumCum beim neuen Bundesamt für die Bekämpfung von Finanzkriminalität zu zentralisieren.
„Uns liegen keine konkreten Zahlen zu einer möglichen Schadenssumme vor“, erklärte der Verband der privaten Banken auf Anfrage. Man unterstütze „die Maßnahmen des Gesetzgebers zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung“. Das Bundesfinanzministerium äußerte sich zunächst nicht.
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