Berlin. In Frankreich gibt‘s im Restaurant kostenloses Leitungswasser, in Deutschland nicht. Warum ist das so? Und wird sich das bald ändern?

Wer im Sommerurlaub gerne landestypisch einkehrt, kennt die ebenso angenehme wie selbstverständliche Geste, mit der Wirte in Italien, Spanien oder Frankreich ihre Gäste willkommen heißen: Zusätzlich zur Speisekarte kommt eine Karaffe mit kühlem Leitungswasser – kostenlos. Der kleine und bei Hitze überaus willkommene Gruß gehört zum Service. In deutschen Restaurants hingegen warten wir auch bei großer Sommerhitze auf diese kleine Aufmerksamkeit in aller Regel vergebens.

Wer Wasser möchte, muss Mineralwasser bestellen und bezahlen. „Wo kämen wir denn hin …“, denken offenbar die Branchenvertreter des Gastronomie-Verbands Dehoga. Es bestehe in der Gastronomie in Deutschland kein Anspruch auf kostenloses Leitungswasser, betonen sie. Der Gast, der im Restaurant speise, könne natürlich um ein Glas oder eine Karaffe Leitungswasser bitten. „Das heißt aber nicht, dass der Gastronom dieses im Fall der Erfüllung der Bitte kostenlos serviert“, stellt ein Dehoga-Sprecher auf Nachfrage klar.

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Warum Gastronomen die EU-Trinkwasserrichtlinie nicht umsetzen wollen

Und tatsächlich ist von behördlicher Seite in dieser Sache offenbar keine nennenswerte Unterstützung zu erwarten: Zwar gilt auch in Deutschland seit Anfang 2023 die EU-Trinkwasserrichtlinie. Die regelt unter anderem die Überwachung der Trinkwasserqualität vom Brunnen bis zum Zapfhahn. Auch die Trinkwasserverfügbarkeit soll nach dem Willen der EU-Bürokraten verbessert werden. Die Richtlinie fordert sogar eine größere Zahl von Wasserspendern an öffentlichen Orten. Auch für Restaurants wird in Artikel 16 Absatz 2 angeregt, Wasser kostenlos oder gegen eine geringe Dienstleistungsgebühr zur Verfügung stellen.

Das Problem ist nur: Die Vorgaben sind für die deutschen Restaurantbetreiber nicht verbindlich. Die Richtlinie hat empfehlenden Charakter, verpflichten kann sie die Gastronomen nicht. Und die deutschen Wirte wehren sich mit Händen und Füßen. Sie befürchten Umsatzeinbußen. 

Young woman enjoying coffee at a cafe
Teils bekommt man in Deutschland zum Kaffee kostenloses Wasser. © Getty Images | damircudic

„Für die Wirte ist das Mineralwasser eine wichtige Einnahmequelle“, sagt der Chefredakteur des Münchener Gastro-Reports, Josef Stadler. „Im Verhältnis verdienen sie an Mineralwasser mehr als an Bier. Deshalb ist es finanziell oft sogar lukrativer, das Wasser zu verkaufen und stattdessen nach dem Essen einen Schnaps kostenlos auszuschenken.“

Mineralwasser – das alkoholfreie Lieblingsgetränk der Deutschen

Die deutschen Mineralbrunnen, die Mineralwasser abfüllen und in den Handel bringen, bemühen sich folglich sehr um ihre Gastronomen-Kundschaft: Gemeinsam mit dem Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels unterstützt die Informationszentrale Deutsches Mineralwasser (IDM) den Getränkehandel „bei der kompetenten Mineralwasser-Beratung von Gastronomen“. Im Angebot sind auch Workshops mit Mineralwasser-Sommeliers für das Gastronomiefachpersonal.

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„Kein anderes alkoholfreies Getränk lässt sich auf so vielfältige Art und Weise zu Speisen und Getränken kombinieren“, schwärmt die IDM: „Das macht Mineralwasser nicht nur zu einem idealen Begleitgetränk, sondern auch zu einem erfolgreichen Umsatzbringer.“ Viele assoziieren mit ihm Begriffe wie Natur, Reinheit oder Gesundheit. Nach Branchenangaben ist natürliches Mineralwasser seit Jahren hierzulande das beliebteste alkoholfreie Kaltgetränk. Durchschnittlich 124 Liter konsumierte jeder Bundesbürger demnach im vergangenen Jahr. Wie das Institut für Demoskopie Allensbach jüngst mitteilte, verzeichneten deutsche Hersteller von Mineralwasser und Erfrischungsgetränken 2021 einen Umsatz von mehr als 8,3 Milliarden Euro.

Spezieller Service: Für Hunde ist das Wasser meist kostenlos

Der Service von Leitungswasser sei eine gastgewerbliche Leistung, für die Kosten entstehen, argumentiert die Dehoga. Das Glas werde zur Verfügung gestellt, serviert und gespült. „Man stelle sich vor, 15 durstige Radfahrer nehmen auf der Sonnenterrasse Platz und bestellen je einen halben Liter Leitungswasser“, gruselt sich die Dehoga. Wäre das Wasser kostenlos, würde für den Wirt da kein Umsatz entstehen.

Allerdings handeln auch die wasserspendierenden südeuropäischen Wirte nicht völlig selbstlos: „Beim Ländervergleich dürfen wir nicht vergessen, dass auch in europäischen Nachbarländern der Wasserausschank nicht immer kostenlos ist“, relativiert Stadler. So bezahlen die Gäste in Italien etwa das „Coperto“, eine Art Gebühr für den Aufwand des Gastronomen und das Gedeck. Das Glas Wasser werde in das Coperto einfach eigepreist, ebenso wie die Kosten für Brot oder Knabbereien, die normalerweise ohne Bestellung serviert werden.

Auch in Deutschland variiere überdies das Angebot, betont Stadler. Vor allem in Großstädten werde Leitungswasser ausgeschenkt: „In München etwa bieten manche Lokale inzwischen Zapfstellen an. Und in Biergärten ist zumindest für Hunde das Wasser kostenlos.“