Berlin. Überkapazitäten, massiver Nachfrageeinbruch: Die Wärmepumpe erlebt in Deutschland ihre erste Krise. Was das für die Wärmewende bedeutet.

Die deutsche Heizungsbranche ist verunsichert – vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern ergeht es nicht anders: Deutschlands Wärmewende stockt. Nicht nur die Absatzzahlen von Wärmepumpen sind in diesem Jahr massiv eingebrochen. Die Branche selbst rechnet so schnell nicht mit Besserung, hinzu kommt die Konkurrenz durch ausländische Wettbewerber, die meist günstiger produzieren können. Droht der hiesigen Wärmepumpenbranche ein Fiasko wie einst der deutschen Solarindustrie? Wichtige Fragen und Antworten:

Wie steht es aktuell um den Absatz von Wärmepumpen?

Unerwartet schlecht. Eigentlich hatte die Branche angepeilt, ab 2024 jährlich gut eine halbe Million Wärmepumpen in Deutschland zu installieren, auch weil politisch dieses Ziel formuliert worden war. Entsprechend hatten sich die deutschen Wärmepumpenbauer aufgestellt. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) spricht von zum Teil „milliardenschweren Investitionen“. Nun scheint die Rechnung nicht aufzugehen. „Derzeit müssen wir leider erleben, dass der Markt sich in die komplett entgegengesetzte Richtung entwickelt. In der Prognose gehen wir davon aus, dass wir im laufenden Jahr bis zu 200.000 Wärmepumpen absetzen werden“, sagte BDH-Sprecher Frederic Leers unserer Redaktion.

Zahlen belegen, dass den Deutschen offenbar generell die Lust auf den Heizungstausch vergangen ist. Laut BDH sank der Absatz von Wärmeerzeugern im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 29 Prozent. „Diese negative Entwicklung setzt sich im Jahresverlauf fort. Wir verkaufen nicht nur weniger Wärmepumpen, auch die Absatzzahlen etwa von Biomasseheizungen, Brennwertheizungen oder hybriden Heizsystemen sind rückläufig“, so der Verband.

Wie reagieren deutsche Hersteller darauf?

Nach Vaillant und Stiebel Eltron hat in dieser Woche mit Viessmann Climate Solutions der dritte deutsche Anbieter Kurzarbeit angemeldet. Betroffen sind sowohl Produktion als auch Verwaltung in der Viessmann Werke Allendorf GmbH, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. „Die Kurzarbeit ist für die Monate Juli und August geplant. Weitere Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Kurzarbeit werden in Abhängigkeit von der Marktsituation getroffen. Die abgeschlossene Betriebsvereinbarung bietet Planungssicherheit für einen Zeitraum von einem Jahr“, sagte ein Sprecher. Informationen unserer Redaktion zufolge sind an dem Standort 1200 der 4000 Beschäftigten betroffen.

Wer ist verantwortlich für die Lage?

Innerhalb der Branche ist man sich da einig. Viele Verbraucher sind mit Blick auf einen möglichen Wechsel ihrer Heizungsanlage verunsichert. Das liege an der Politik. „Diese Verunsicherung wurde durch die langwierige und öffentliche Debatte um das Gebäudeenergiegesetz und der korrespondierenden Förderkulisse befördert. Hier wurde massiv politisches Vertrauen verspielt“, so der BDH.

Auch Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der Ifo-Niederlassung Dresden, sieht eher ein Politikversagen. „Offensichtlich haben die Hersteller in Vertrauen auf die Ampel-Politik Kapazitäten aufgebaut, die zumindest kurzfristig nicht benötigt werden“, sagte Ragnitz unserer Redaktion.

Ist die Wärmewende in Gefahr?

Eher nicht. Die Aussichten sind gut, vor allem weil viele Heizungen modernisierungsbedürftig sind. Von rund 21 Millionen Heizungsanlagen ist laut BDH immer noch rund jede zweite technisch veraltet. Der Altersdurchschnitt der deutschen Heizungen beträgt 17 Jahre. Der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) sieht nach wie vor ein „hohes Interesse“ für die Technik. „An der Wärmepumpe als Standardheizung führt über kurz oder lang kein Weg vorbei“, heißt es. Innerhalb der Herstellerbranche geht man auch davon aus, dass der weiter ansteigende CO2-Preis noch mehr Hausbesitzer zum Umbau ihres Heizungssystems bewegen wird. Vor dem Hintergrund der Klimaziele Deutschlands und der EU rechnet auch Forscher Ragnitz damit, dass die Nachfrage nach klimafreundlichen Heizungssystemen wieder zunehmen wird.

Wie ist die hiesige Wärmepumpenindustrie aufgestellt?

Neben deutschen Herstellern wie Stiebel Eltron, Vaillant, Bosch, Viessmann Climate Solutions, ait oder Waterkotte produzieren auch ausländische Wettbewerber wie Glen Dimplex (Irland) oder Daikin (Japan) in Deutschland. 75.000 Beschäftigte hat die Branche hierzulande. Der Verband BWP sieht eine „bedeutende Rolle in der Standort- und Arbeitspolitik“, benennt aber gleichzeitig auch Standortnachteile. Unter anderem werden Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Fabriken als „zu langwierig und komplex“ angesehen.

Global betrachtet spielt die deutsche Wärmepumpenbranche aber nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich einige wenige deutsche Firmen sind unter den weltweit größten Herstellern zu finden. BWP sieht das als „Risiko für die deutsche Heizungsindustrie“. Vor allem Wettbewerber aus Japan, den USA, China, Schweden und Irland verfügen über Kapazitäten für eine hohe Produktion zu niedrigen Kosten. Dementsprechend leicht würde es diesen Anbietern fallen, in den europäischen oder deutschen Markt einzutreten. Die mittelfristig wohl wieder steigende Nachfrage könnte es deshalb für die ausländischen Wettbewerber attraktiv machen, sich stärker auf dem hiesigen Wärmepumpenmarkt zu engagieren.

Droht der Branche dasselbe Schicksal wie einst der Solarindustrie?

Das ist denkbar. Solar galt in den 2000er-Jahren als deutsche Boombranche. Produktionskapazitäten und Beschäftigtenzahlen wuchsen rapide – bis China den Markt mit billigen Modulen überschwemmte. Es folgten zahlreiche Insolvenzen. Heute gibt es kaum noch Solarmodulfertigungen in Deutschland. Der Bundesverband Wärmepumpe wähnt die Heizungsbranche jetzt an einer ähnlichen Weggabelung wie damals die Photovoltaikindustrie (PV). „Es bedarf der richtigen Industriepolitik, um das gleiche Schicksal wie das der PV-lndustrie zu vermeiden“, so der BWP.

Ifo-Wissenschaftler Ragnitz hält einen ähnlichen Niedergang jedoch für denkbar. „So eine Wärmepumpe ist ja kein technologisch besonders anspruchsvolles Ding. Klimaanlagen, die ähnlich funktionieren, werden schon heute primär in Südostasien hergestellt. Ich glaube nicht, dass die Branche in Deutschland wirklich gute Chancen hat“, so Ragnitz.