Essen. Gratis ins Schwimmbad oder günstiger ins Theater? Das geht für Ehrenamtliche in NRW. Für wen die Angebote gelten und warum sie kaum jemand kennt.

Ein freier Eintritt ins Schwimmbad, vergünstigte Theatereintritte und Rabatte auf Volkshochschulkurse: Wer sich für andere Menschen engagiert, kann landesweit mehr als 5400 Vergünstigungen und Sonderaktionen in 321 teilnehmenden Kommunen erhalten – und zwar mit der Ehrenamtskarte NRW. Seit 2008 sollen damit Ehrenamtliche wertgeschätzt werden, so die Staatskanzlei NRW. Nach über anderthalb Jahrzehnten wissen viele jedoch noch immer nicht von der Existenz der Dankeschön-Karte.

Mehr als die Hälfte der Menschen in NRW engagiert sich ehrenamtlich

Seit Einführung seien rund 70.000 Ehrenamtskarten ausgegeben worden, so die Staatskanzlei NRW. Angesichts einer Forsa-Umfrage aus diesem Jahr, nach der sich mehr als die Hälfte der Menschen in NRW ehrenamtlich engagieren, scheint diese Zahl recht gering. Bundesweit haben lediglich rund 1,2 Prozent aller Ehrenamtlichen eine solche Karte (Stand 2023), sagt Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Der Wunsch laut Umfrage: mehr Unterstützung, Wertschätzung und Anerkennung für bürgerliches Engagement.

Laut Staatskanzlei NRW sollte die Dankeschön-Karte eben diese Wertschätzung in Form eines praktischen Nutzens durch die Vergünstigungen bringen. Wo Inhaberinnen und Inhaber genau Geld sparen können, ist auf der Webseite „Engagiert NRW“ sowie der App „Ehrenamtskarte NRW“ einsehbar. Das Spektrum von Angeboten ist ziemlich groß: Einzelhandel und Dienstleistungen, Gastronomie, Bildung, Sport, Banken und Versicherungen, Kultur und Veranstaltungen. In einer Befragung von 2016 sei der kulturelle Bereich besonders beliebt gewesen, sagt die Staatskanzlei NRW auf Anfrage. Ein Manko: die geringe Zahl teilnehmender Einrichtungen. Für Dortmund gibt es aktuell zum Beispiel 49 Angebote. Bis Ende letzten Jahres wurden dort 581 Karten vergeben.

Ehrenamtskarte NRW: Vergünstigungen und Angebote

Wie können Ehrenamtliche die Vergünstigungen bekommen? Die Karten selbst werden von der jeweiligen Kommune ausgegeben, können aber auch per App beantragt werden, wobei sich die Anforderungen leicht unterscheiden können. In der Regel ist sie zwei Jahre gültig und kann nach Ablauf neu ausgestellt werden. Voraussetzung: Die antragstellende Person muss sich mehr als fünf Stunden pro Woche ehrenamtlich engagieren und das seit ein bis zwei Jahren. Zusätzlich zur regulären Karte wurde im März 2022 eine „Jubiläums-Ehrenamtskarte NRW“ eingeführt, die lebenslang gültig ist. Voraussetzung sind mindestens 25 Jahre Ehrenamt. Bisher wurden davon 2500 ausgegeben.

Seit 2008 gibt es die Ehrenamtskarte NRW, mit der Engagierte vergünstigt in öffentliche und private Einrichtungen kommen können. Zusätzlich gibt es seit einigen Jahren die Jubiläums-Ehrenamtskarte (Archivbild).
Seit 2008 gibt es die Ehrenamtskarte NRW, mit der Engagierte vergünstigt in öffentliche und private Einrichtungen kommen können. Zusätzlich gibt es seit einigen Jahren die Jubiläums-Ehrenamtskarte (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Wie kommt die Karte bei den Ehrenamtlichen an? Das sei unterschiedlich, sagt Jan Holze. „Es gibt durchaus Menschen, die die Karte und damit verbundene Leistungen als wertschätzend empfinden, sofern es in ihrem Umkreis ein vielfältiges Angebot gibt.“ Denn im Regelfall werde die Karte nur im Nahbereich eingesetzt. „Wenn eine Person auf dem Land lebt und erreichbare Angebote fehlen, wird die Karte als nutzlos empfunden.“ Am meisten wünschen sich die Ehrenamtlichen Vergünstigungen für den ÖPNV und anderweitige Mobilitätszuschüsse.

Es gibt kaum verlässliche Daten zur Nutzung der Karte

Warum nehmen Einrichtungen an dem Angebot teil? Für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), bei dem Engagierte seit Anfang 2024 in allen Museen die Hälfte des Eintrittspreises sparen, sei das Angebot eine Chance, bürgerschaftliches Engagement zu stärken und die Kultur zu fördern, so Pressesprecher Markus Fischer auf Anfrage. Verlässliche Aussagen darüber, wie häufig die Karte genutzt wird, können noch nicht getroffen werden.

Ehrenamtliche wie in Essen, die sich zu einem sogenannten „Waste Walk“ treffen, bei denen sie Müll von der Straße sammeln, gibt es viele. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie in verschiedenen Einrichtungen Vergünstigungen erhalten (Archivbild).
Ehrenamtliche wie in Essen, die sich zu einem sogenannten „Waste Walk“ treffen, bei denen sie Müll von der Straße sammeln, gibt es viele. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie in verschiedenen Einrichtungen Vergünstigungen erhalten (Archivbild). © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Während die Volkshochschule Mülheim mitteilt, dass die Karte seit 2020 durchschnittlich dreißigmal pro Jahr vorlegt wird, erheben die meisten befragten Einrichtungen keine Zahlen zur Nutzung – ebenso wenig die befragten Kommunen selbst. Nach landesweiten Umfragen seitens der Staatskanzlei NRW verwenden Inhaberinnen und Inhaber die Karte pro Halbjahr ein- bis zweimal, so der Stadtsprecher von Bochum.

Bei der Autovermietung SIXT kriegen Karteninhaberinnen und -inhaber mitunter 15 Prozent Rabatt auf einen Mietwagen. Zu den Buchungszahlen werden zwar keine Auskünfte gegeben, das Angebot werde aber „gut angenommen“. Auch die Staatskanzlei NRW verkündet auf Anfrage zur vorläufigen Bilanzierung: „Das Projekt läuft sehr erfolgreich.“

Die Ehrenamtskarte gibt es in fast allen Bundesländern

Dafür spricht auch die flächendeckende Einführung in fast allen Bundesländern, zuletzt in Hamburg im Mai dieses Jahres. Ausnahme sei Sachsen-Anhalt, so ein Sprecher der Staatskanzlei NRW. Auch für Jan Holze sei die weitläufige Verbreitung ein Zeichen dafür, dass die Karte ein wichtiges Werkzeug im Baukasten von Anerkennungsformaten für Ehrenamt sei. „Das alleine reicht natürlich nicht aus, aber es ist ein gutes Werkzeug.“

„„Die Ergebnisse legen nahe, Anerkennung anders zu denken. Vor allem für zeitintensives Engagement sollten auch neue Anreizstrukturen diskutiert werden.“ “

Andrea Walter, Ehrenamtsforscherin

Das bestätigt auch die Ehrenamtsforscherin Andrea Walter: „Die Ehrenamtskarte ist ein etabliertes Instrument der kommunalen Unterstützung.“ Studien deuten aber darauf hin, dass eher innovative Formen wie ein Bonus bei der Rente und Kinderbetreuung bei Engagierten gefragt seien. „Die Ergebnisse legen nahe, Anerkennung anders zu denken. Vor allem für zeitintensives Engagement sollten auch neue Anreizstrukturen diskutiert werden.“ Das würde die Bedeutung von Ehrenamt, insbesondere für die Daseinsvorsage zum Beispiel für Schule und Kita, unterstreichen.

Nicht jeder ist berechtigt, eine Ehrenamtskarte zu bekommen

In einigen Punkten sei die Ehrenamtskarte veraltet und müsse überarbeitet werden. Die Entwicklung im Ehrenamt zeigt: Mehr Menschen bringen weniger Zeit für ihr Engagement auf. Im Durchschnitt engagieren sie sich 208 Stunden im Jahr, während sie 250 Stunden für die Karte brauchen. „Da müsste überlegt werden, ob man den Stundenumfang anpasst“, so Andrea Walter.

„Wir wissen aber, dass informelles Engagement abseits von Vereinen und Organisationen zunimmt, zum Beispiel spontanes Helfen bei Hochwasser oder Geflüchtete zum Amt begleiten.“

Andrea Walter, Ehrenamtsforscherin

Eine weitere Hürde: Voraussetzung ist ein Nachweis über die Stundenanzahl des Engagements, in der Regel über eine Organisation oder einen Verein wie in Dortmund und Herne. „Wir wissen aber, dass informelles Engagement abseits von Vereinen und Organisationen zunimmt, zum Beispiel spontanes Helfen bei Hochwasser oder Geflüchtete zum Amt begleiten.“ Das heißt: Jene, die sich kurzentschlossen engagieren, haben kaum eine Chance auf den Erhalt einer Karte.

Jan Holze weist darauf hin, dass einige Engagierte nicht berechtigt seien, eine Karte zu erhalten. Ehrenamtliche, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, fallen oft raus. Abhängig vom Bundesland oder der Kommune gebe es zudem eine Altersbeschränkung. In Herne können zum Beispiel erst Menschen ab 16 Jahren eine Karte beantragen. Jan Holze fragt daher mit Blick auf jene, die davon ausgeschlossen sind: „Warum werden diese Menschen anders behandelt?“

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