Essen. Eine neue Studie zeigt: Mehr als die Hälfte der Menschen in NRW engagiert sich ehrenamtlich. Aber sie haben klare Forderungen.
Mehr als die Hälfte der Menschen in NRW engagiert sich ehrenamtlich. Viele von ihnen wünschen sich jedoch mehr Wertschätzung und Flexibilität bei der Ausführung ihres Ehrenamtes.
Studie zum Ehrenamt in NRW: 54 Prozent der Menschen ehrenamtlich tätig
Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigt: 54 Prozent der erwachsenen Menschen in NRW engagieren sich ehrenamtlich – und investieren dabei durchschnittlich 208 Stunden im Jahr dafür. Würde man für die ehrenamtliche Tätigkeit pro Stunde den Mindestlohn zahlen, läge der wirtschaftliche Gegenwert bei 20,9 Milliarden Euro im Jahr.
Etwa jeder vierte Engagierte (26 Prozent) ist im Bereich Sport und Bewegung tätig, etwa jeder fünfte (21 Prozent) im Bereich Religion und Kirche. 18 Prozent sind in der „Nachbarschaftshilfe“ engagiert. Fast alle Ehrenamtler (92 Prozent) wollen damit etwas für das gesellschaftliche Miteinander leisten.
Die Umfrage zeigt indes, dass sich die Menschen in NRW immer seltener in Organisationen und Vereinen engagieren: „Viele Ehrenamtler sind heute nicht institutionell engagiert“, sagt Andreas Kötter, Geschäftsführer von „Westlotto“, dem Herausgeber der Studie. „Die Menschen engagieren sich, aber sie tun es so, wie sie es möchten.“
„Informelles ungebundenes spontanes Engagement“ in NRW steigt
Viele Menschen leisten heutzutage „Nachbarschaftshilfe“, organisieren etwa Feste oder helfen der älteren Nachbarin beim Einkaufen. In der Forschung wird das als „informelles ungebundenes spontanes Engagement“ bezeichnet. „Wenn ich mich aktuell bei den Hochwasserschäden einsetze, dann ist das sogenanntes informelles Engagement“, sagt Andrea Walter, Professorin für Politikwissenschaft und Soziologie und Ehrenamts-Forscherin.
In Sachen Flexibilität und Mobilität lässt sich beim Ehrenamt ein ähnlicher Trend wie auf dem Arbeitsmarkt beobachten: 87 Prozent der Befragten wünschen sich auch im Ehrenamt zeitliche Flexibilität. 65 Prozent gaben an, dass eine Art Homeoffice die Bereitschaft sich zu engagieren erhöhen würde. „Die Antworten weisen ganz stark darauf hin, dass sich Ehrenamtler Homeoffice wünschen“, sagt Walter.
Gleichzeitig wünschen sich die Menschen eine größere Anerkennung für ihre ehrenamtliche Arbeit: 70 Prozent der Befragten wünschen sich, dass ihr Engagement eine „wahrnehmbare Wirkung“ zeigt – und 74 Prozent der Befragten wünschen sich eine „höhere Sichtbarkeit“ ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten.
Ehrenamtler in NRW wünschen sich Homeoffice und Flexibilität
An der Studie lässt sich ablesen, dass sich die Menschen für ihr Ehrenamt mehr finanzielle Mittel wünschen: 72 Prozent der Befragten kritisieren, dass Projekte zu oft „an der Geldfrage“ scheiterten. „Mit anderen Worten: Es braucht finanzielle Unterstützung“, sagt Andreas Kötter. Beim Ehrenamt fehle es an einer dauerhaften finanziellen Förderung „kleiner und mittelgroßer Projekte und Maßnahmen“. In anderen Bundesländern, zum Beispiel Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, gebe es Ehrenamts-Stiftungen – dies könnte auch für NRW ein mögliches Ziel sein, sagt Kötter.
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80 Prozent der Menschen in NRW, die sich nicht ehrenamtlich engagieren, gaben an, sich ein Ehrenamt grundsätzlich vorstellen zu können – bei den meisten scheitere es aber am Faktor Zeit. Außerdem gaben viele an, sich noch nicht mit dem Thema befasst zu haben. Um die Bereitschaft für ein Ehrenamt zu erhöhen, ist es laut Andrea Walter wichtig, starke Anreize zu bieten. „Das kann zum Beispiel die Möglichkeit zur flexiblen, digitalen Ausübung der freiwilligen Tätigkeit von zu Hause sein“, so die Ehrenamts-Forscherin. „Vor allem für zeitintensives Engagement sollten auch neue Anreizstrukturen diskutiert werden, wie etwa ein Bonus bei der Rente.“
10.000 Befragte bei Studie zum Ehrenamt in NRW
Der sogenannte „Ehrenamts-Atlas“ ist in diesem Jahr zum zweiten Mal herausgegeben worden – im Jahr 2022 fand die erste Auswertung statt. Im Vergleich zu 2022 gilt das Ehrenamt als stabil: 2022 engagierten sich 50 Prozent ehrenamtlich, in diesem Jahr sind es 54 Prozent. Der Begriff Ehrenamt wurde in der Studie allerdings breit gefasst und umfasst auch Tätigkeiten, die nicht im Verein oder für eine Organisation stattfinden, sondern lediglich von den Befragten als Ehrenamt erachtet werden. Für die Studie hat Forsa im Auftrag von „Westlotto“ rund 10.000 Menschen in allen Kreisen und kreisfreien Städten in NRW ab 18 Jahren im ersten Quartal 2024 zu ihrem ehrenamtlichen Engagement befragt.