Herne. Die gebrauchten Kleidungsstücke können bis zu drei Monate lang ausgeliehen werden. Wie das funktioniert und was man dort für 100 Euro bekommt.
„Fairnica“ ist kein üblicher Secondhand-Laden. Das sieht zwar erst mal so aus: Anziehsachen hängen an Kleiderstangen im Raum, es gibt eine Umkleidekabine und ein Schaufenster, in dem eine bunte Girlande drapiert ist. Aber die Kleidung in dem Herner Geschäft hängt länger herum als in regulären Modeläden – sie wird nicht verkauft, sondern vermietet.
Start-up „Fairnica“: Kleidung zur Miete für nachhaltigeren Konsum
Die Idee hinter dem Start-up: Wer Kleidung mietet, statt sie zu kaufen, konsumiert weniger. Konsum ist schlecht für die Umwelt, weil durch größere Produktion auch mehr CO₂ in die Atmosphäre geht. Wenn Kunden bei „Fairnica“ Kleidung mieten, bekommen sie „hochwertige und fair produzierte Kleidung“ zur Verfügung gestellt und erleben Abwechslung im Kleiderschrank – ohne dabei zu überflüssigem Konsum beizutragen, findet Geschäftsführerin Nicola Henseler.
Seit 2019 bestückt Henseler ihren Laden in Herne mit Kleidungsstücken von Fair-Fashion-Marken. Bevor sie bei Kleidungs-Firmen bestellt, recherchiert Henseler, ob drei Aspekte erfüllt sind: Die Kleidung muss fair hergestellt werden, das Unternehmen sollte nachhaltige Materialien wie Wolle, Seide oder Leinen verwenden und sich sozial engagieren. Eine Marke unterstütze zum Beispiel alleinstehende Frauen in Indien, die finanziell am Abgrund stehen.
Nachdem Henseler Kleidungsstücke gekauft hat, bleiben diese jahrelang im Laden in Herne. Im Gegensatz zu vielen Modemarken werden die Teile bei „Fairnica“ so lange getragen, bis sie nicht mehr neuwertig aussehen. Das sei meist nach ein paar Jahren der Fall. Dann werden sie aus dem Sortiment genommen und als Secondhand-Kleidung verkauft.
So viel Kleidung kann man bei „Fairnica“ für 100 Euro mieten
Henseler stellt regelmäßig mit Stylistinnen sogenannte Kapseln zusammen. Das sind Sets, die aus fünf bis acht Kleidungsstücken bestehen. Es gibt sommerliche Kapseln, Kapseln mit schicken Klamotten und solche mit Pullover und langer Hose für den Winter. Hin und wieder konzipiert das Start-up auch mal eine Kapsel in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, zuletzt mit der Bochumer GLS Bank, der größten deutschen Öko-Bank.
Diese Kleidungs-Sets vermietet Henseler dann an ihre Kundinnen und Kunden – das sind häufiger Frauen als Männer, sagt sie. Für einen Monat bezahlt eine Kundin ungefähr 80 Euro pro Kapsel, zwei Monate kosten 140 Euro. Wer 100 Euro in die Hand nimmt, bekommt zum Beispiel das Set „Maja“. Das besteht aus einer rosafarbenen Hose, zwei T-Shirts, einer Strickjacke, einem Kleid und einem Pullover und kostet 79 Euro. Wer noch einen Pullunder dazu nimmt, kommt auf knapp 95 Euro für einen Monat Miete.
In welchem Zustand geben Kunden geliehene Kleidung zurück?
Wer ein Kleidungsstück länger behalten will, zahlt drauf. Wenn die Miete abgelaufen ist, gehen die Kleidungsstücke zurück in Henselers Laden. Das geht auch per Post, sodass Kunden aus ganz Europa beliefert werden können. Dann werden die Stücke weitervermietet.
Kommen die Klamotten nicht teilweise zerrissen und verdreckt wieder bei ihr an? „Wir machen sehr gute Erfahrungen mit unseren Kundinnen und Kunden“, sagt Henseler. Die meisten Mieterinnen würden sogar besonders sorgfältig mit der Mietkleidung umgehen, sagt sie – sorgfältiger als mit der eigenen Kleidung. 100 Stammkunden mieten schon regelmäßig bei „Fairnica“ Kleidung, sagt sie.
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Hin und wieder prange mal ein Fleck auf dem Shirt, dann gebe sie das Kleidungsstück in einem Ausverkauf weg oder verschenke es. Für diese „kleineren Makel“, die im Alltag passieren können, übernehme ihr Team die Verantwortung. Geld zurück will das Team nur in Ausnahmefällen: „Wenn wir sehen, du hast darin deine Wohnung gestrichen, dann würden wir es in Rechnung stellen“, sagt Henseler.
„Fairnica“-Gründerin: „Warum Sachen besitzen, die ich nur viermal tragen will?“
Doch wie kam die 39-Jährige auf die Idee, Klamotten zu vermieten? Das ging los, als sie vor ein paar Jahren Mutter wurde, sagt sie. „Ich habe dann diese Studien von Greenpeace gelesen, in denen klar wurde, dass immer mehr Kleidung gekauft und die immer seltener getragen wird“, so die Unternehmerin. „Dann dachte ich mir: Warum muss ich Sachen besitzen, die ich nur viermal tragen will? Mieten ist doch viel cooler und ich kriege immer neue Sachen und habe immer Abwechslung, wenn ich das brauche.“
2018 gewann sie bei einem Businessplan-Wettbewerb in Bochum 5000 Euro. Davon bestellte sie ihre erste Kleidungskapsel in zehnfacher Ausfertigung. Die Kapsel war durchgehend ausgebucht. 2019 gründete Henseler eine GmbH mit Eigenkapital. Inzwischen können Kundinnen bei dem Start-up aus über 20 Kapseln wählen und neben Alltagskleidung auch Outfits für besondere Anlässe bei „Fairnica“ mieten.
Doch Henseler steht ständig vor neuen Problemen: Erst kam die Pandemie, dann Krieg und Inflation. „Wir sind seit unserer Gründung durchgängig im Krisenmodus“, sagt sie. Das Start-up hat neben ihr noch zwei Mitarbeiterinnen, die bezahlt werden müssen. Um genug Geld zu verdienen, arbeitet die Geschäftsführerin nebenbei im Consulting. „Irgendwann wollen wir eine eigene Wäscherei und noch mehr Ladenfläche haben“, sagt sie. „Aber zuerst müssen wir einfach diese Wirtschaftskrise überleben.“
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