Berlin. Gastronomen und Hotels fehlt es massiv an Personal. Das könnte auch Folgen für Fans haben, die beim Public Viewing mitfiebern wollen.
Große Leinwand vor der Kneipe, dem Restaurant oder im Biergarten. Ein lauer Sommerabend. Dazu ein kühles Bier – mit oder ohne Alkohol. Was gibt es Schöneres für eingefleischte Fußballfans, als unter solchen Bedingungen mit Freunden und Fremden die Spiele der Europameisterschaft anzuschauen? Wohl wenig. Allerdings müssen mindestens zwei Voraussetzungen mitspielen: Das Wetter und das Personal. Ersteres kann niemand beeinflussen. Und bei letzterem ruckelt es arg. Entsprechend werden Gäste manchmal etwas länger auf ihre Getränke und Speisen warten müssen.
Zwei Jahre nach der Corona-Pandemie ist der Personalmangel in der Gastronomie und Hotellerie immer noch groß. Ob Auszubildende, Fachpersonal oder Hilfskräfte – deutschlandweit werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesucht. „Knapp ein Viertel aller offenen Stellen für Fach- und Führungskräfte im Hotel- und Gastgewerbe kann aufgrund fehlender Fachkräfte rein rechnerisch nicht besetzt werden“, wie eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) im Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) ergab, die dieser Redaktion vorliegt.
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In der Branche arbeiten rund 1,1 Millionen Beschäftigte. Zuletzt meldete die Bundesagentur für Arbeit 27.545 offene Stellen – das Kofa geht von 35.000 offenen Stellen aus, vor allem für Hilfskräfte. Auch die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, sagt, dass es deutlich mehr offene Stellen gibt als jene, die offiziell gemeldet sind. „Viele Unternehmer und Unternehmerinnen zeigen nicht mehr jeden Monat die offenen Stellen an, da die Vermittlungschancen für motivierte Mitarbeiter nicht immer hoch sind“, so Hartges.
EM 2024: Nur zwei Austragungsstätten haben keine Probleme
Vielmehr gingen Gastronomen eigene Wege, nutzten Online-Plattformen und gewinnen neue Mitarbeitende mit attraktiven Konditionen und Zuschläge. Dennoch müssten Gastwirte wegen Mitarbeitermangels ihre Öffnungszeiten verkürzen oder sogar tageweise ihre Gaststätten geschlossen lassen, erklärt Hartges. Laut Kofa-Studie fehlen 8233 ausgebildete Fachkräfte. Allein in der Gastronomie mangele es an 2975 Köche und Köchinnen sowie 1959 Servicekräften. Händeringend gesucht werden aber auch Hilfskräfte, die die Sportler aus aller Welt mit Speisen und Getränken bedienen können.
Betroffen von dem Mangel sind auch mehrere Städte, in denen die EM-Spiele ausgetragen werden – allerdings unterschiedlich stark. Am besten ist die Lage noch in Berlin und Gelsenkirchen, wo praktisch kaum Fachkräftemangel herrsche. „Berlin ist als wichtige Spielstätte und Gastgeber des großen Finales auf den Ansturm am besten eingestellt, da hier – wie in Gelsenkirchen – fast kein Fachkräftemangel im Hotel- und Gastgewerbe herrscht“, sagt die Kofa-Arbeitsmarktexpertin Franziska Arndt. So konnten im April zuletzt rein rechnerisch nur zwei offene Stellen nicht passend besetzt werden.
Fußball-Städte am Limit: In Frankfurt und Leipzig herrscht Mangel
Deutlich unentspannter sieht es an anderen Spielstätten aus. Schwierig ist die Lage etwa in Frankfurt am Main und Leipzig, wo zuletzt rund die Hälfte aller offenen Stellen nicht mit entsprechend qualifizierten Fachkräften besetzt werden konnten. „Hier fehlten zuletzt 359 beziehungsweise 298 Fachkräfte im Hotel- und Gastgewerbe“, so Arndt. In München fehlten 218 Fachkräfte, in Düsseldorf 205 und in Stuttgart 101 – somit konnten zuletzt ein Fünftel bis ein Drittel der Stellen dort nicht besetzt werden. Aber auch abseits der gut besuchten Austragungsorte werden Gäste die Engpässe zu spüren bekommen, ist Arndt überzeugt.
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In Bayern fehlten zuletzt 5154 Fachkräfte, in Baden-Württemberg 2290 und in Niedersachsen 1523. Deutlich entspannter ist die Lage hingegen in Thüringen, Sachsen-Anhalt oder dem Saarland, wo keine EM-Spiele ausgetragen werden. Unterdessen sind die Hotels in den Austragsorten schon recht gut gebucht. „An den Spieltagen und unmittelbar um die Spieltage ist die Buchungslage sehr gut, zwischen den Spieltagen gibt es noch genügend freie Kapazitäten in den Spielorten“, so Hartges. Für die EM hätten viele Gastwirte spezielle internationale Speisekarten vorbereitet, in Leinwände und Inventar fürs Public-Viewing investiert.
Dehoga-Chefin: „Das Großereignis verdrängt sonst übliche Events“
Einen riesigen Umsatzschub erwarten die Gastronomie und Hotelbranche wegen der Europameisterschaft dennoch nicht. „Die Betriebe profitieren unterschiedlich von der Europameisterschaft“, erläutert Hartges. „Denn das Großereignis verdrängt auch sonst übliche Events.“ So würden Kongresse und Tagungen, die sonst zu der Zeit in Hotels stattfinden, verschoben. „Von der EM profitieren vor allem Hotels an den Austragungsorten, Kneipen, Catering-Unternehmen und bei schönem Wetter auch die Biergärten bei Public Viewings.“
Nur 15,5 Prozent der Branche rechnet mit direkten positiven Effekten, wie eine Umfrage des Verbands im Mai ergab. Dennoch freut sich die Dehoga-Chefin über die EM in Deutschland: „Wie 2006 wollen wir erneut gute Gastgeber sein“, sagt Hartges. „Wir hoffen natürlich, dass sich unsere Mannschaft erfolgreich ins Finale kämpft und wir eine friedliche und gewaltfreie EM erleben. Solch ein Großevent bietet auch immer Chancen, den Gästen Lust auf weitere Aufenthalte in Deutschland zu machen.“
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