Innsbruck. Am Brenner entstehen für 10 Milliarden Euro zwei neue Tunnel. Warum Frauennamen eine große Rolle spielen – und was das Projekt bremst.
Die Urlaubssaison hat noch nicht mal richtig begonnen, da stauen sich bereits wieder Fahrzeuge in langen Schlangen auf der Brennerautobahn. Zahlreiche Baustellen auf der in die Jahre gekommenen Nord-Süd-Trasse über die Tiroler Alpen lassen den Autoverkehr immer langsamer fließen. Dennoch nehmen vor allem die Schwerlasttransporte stetig zu.
Mehr als 2,5 Millionen Lkw sind 2022 über den 1370 Meter hohen Brennerpass gerollt, ein Plus von 130 Prozent gegenüber dem Jahr 2000. Hinzu kommen noch mehr als zwölf Millionen Pkw pro Jahr. Nicht nur Autofahrer und Spediteure stöhnen über den Engpass, auch Anwohner und Naturschützer klagen zunehmend über die wachsende Belastung durch Dreck, Lärm und Schleichverkehre.
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Rettung soll ein Milliardenprojekt bringen, das 2032 in Betrieb gehen soll: Seit 2007 wird am Brenner Basistunnel (BBT) gebaut. Basistunnel, weil die Röhren ohne steile Anstiege und scharfe Kurven fast geradlinig durch das Bergmassiv führen. Am Ende soll ein 64 Kilometer langer Eisenbahntunnel Innsbruck in Tirol mit Franzensfeste im italienischen Südtirol verbinden. Der Neubau würde den aktuellen Weltrekordhalter um sieben Kilometer übertreffen: Den 2016 eröffneten 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel in der Schweiz.
Brenner Basistunnel: Mit 260 Tonnen schweren Bohrtürmen in den Berg
Nach einigen Verzögerungen hat das Vorhaben wieder Fahrt aufgenommen. Nahe der Tiroler Gemeinde St. Jodok sind gerade Lkws dabei, über einen Zufahrtstunnel gewaltige Stahlteile in den Berg zu transportieren. In einer Kaverne, fast 400 Meter tief unter der Erde und groß wie ein Kirchenschiff, werden die Elemente von Spezialisten mithilfe von Kränen zu zwei Tunnelbohrmaschinen (TBM) zusammengefügt.
Allein die Bohrköpfe haben ein Gewicht von 260 Tonnen. Die je 183 Meter langen Maschinen, die sich in einem Arbeitszug durch den Berg fräsen, das ausgebrochene Gestein abtransportieren und gleich noch die Tunnelwände aus vorgefertigten Betonelementen bauen, bringen gut das Zehnfache auf die Waage. Ihr Auftrag: Das Bohren von zwei 7,6 Kilometer langen und zehn Metern im Querschnitt messenden Röhren in Richtung Innsbruck.
Anders als bei früheren Eisenbahntunneln – etwa auf der deutschen Neubaustrecke zwischen Halle/Leipzig und Erfurt – bekommt in neueren Projekten jedes Richtungsgleis eine eigene Röhre. Das erhöht laut Manuel Schwab von der Projektgesellschaft BBT SE vor allem das Sicherheitsniveau. So können etwa bei einem Brand im Tunnel Reisende und Zugpersonal in die Nachbarröhre evakuiert und von dort aus gefahrlos abtransportiert werden. Dazu werden alle 333 Meter Querschläge gebaut – also Stollen, die beide Röhren verbinden und mit Überlebenstechnik ausgestattet sind.
Gigantischer Tunnelbau: Ende 2026 soll der Durchbruch gelingen
Die von Herrenknecht in Schwanau (Baden-Württemberg) gelieferten TBM tragen traditionell Frauennamen. „Wilma“ wird die westlich gelegene Röhre – wie die Tunnelbauer sagen – auffahren. „Olga“ wird rund 70 Meter versetzt den östlichen Stollen durch das Gestein treiben. Im September soll es losgehen.
Ende 2026, so hoffen die Bauleute der österreichischen Porr AG und der Schweizer Marti Tunnel AG, kommt es im Bereich Pfons zum Durchschlag zum benachbarten Baulos. Anschließend kann mit der eisenbahntechnischen Ausrüstung der Tunnel begonnen werden. 2032, so die Projektgesellschaft BBT, soll der erste Zug fahren.
Allerdings hat das österreichisch-italienische Unternehmen den Zeitplan für die Inbetriebnahme des Brennertunnels, der an seiner tiefsten Stelle fast 600 Meter unter dem Pass liegt, bereits mehrfach korrigieren müssen. Anfangs war die Eröffnung für 2026 angekündigt, dann sollte sie 2030 gefeiert werden, nun also 2032.
BBT-Sprecher Andreas Ambrosi verweist auf die vielen Unwägbarkeiten eines solchen Riesenprojekts. Nicht unbegründet laute der Leitspruch der Tunnelbauer: „Vor der Hacke ist es duster.“ Doch nicht nur die schwierige Alpen-Geologie habe den Bauleuten zu schaffen gemacht, auch Lieferengpässe vor allem während der Pandemie bremsten das Bautempo aus.
Brenner: Mit Tempo 250 durch die Tunnelröhren
Gestiegen sind auch die Baukosten, von anfangs sechs Milliarden auf nun 10,5 Milliarden Euro (Stand 2023). Die Hälfte davon übernimmt die Europäische Union. Der Brenner-Basistunnel ist das Herzstück eines Güterverkehrskorridors, der einmal quer durch Europa von Helsinki über Berlin bis nach Palermo auf Sizilien führen soll. Mit dem Tunnel soll sich die Kapazität der Schienenstrecke über die Alpen von derzeit 180 auf 400 Güterzüge am Tag mehr als verdoppeln.
Durch das gegenüber der Bestandstrecke geringere Gefälle im Tunnel können zudem deutlich längere Züge fahren. Auch der private Autoverkehr könnte sich spürbar verringern. Personenzüge werden mit Tempo 250 durch den Tunnel fahren, was die Reisezeit zwischen Innsbruck und Verona von heute 80 auf 25 Minuten reduzieren soll.
Die Deutsche Bahn (DB) verspricht, dass die Fahrt von München nach Verona bald weniger als vier Stunden dauern wird. Aktuell muss der Reisende noch eineinhalb Stunden mehr einplanen. Voraussetzung für den Zeitgewinn ist, dass auf deutscher Seite die Zulaufstrecke zum Brenner modernisiert und erweitert wird. Da ist bislang wenig passiert. Als notwendig sieht die DB vor allem an, die heute schon hoch belastete Inntalstrecke von München über Rosenheim nach Kufstein viergleisig auszubauen.
Über Trassenführung und Ausbauart wird indes seit Jahren erbittert gestritten. Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker wehren sich vehement gegen Neubauprojekte. Wie der DB-Bevollmächtigte für Bayern, Klaus-Dieter Josel, jetzt ankündigte, will die Bahn ihre Vorzugsvariante für den Ausbau Anfang 2025 in den Bundestag einbringen. Doch auch Alternativvorschläge aus der Region sollen dort debattiert werden. Weitere Verzögerungen werden befürchtet.
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