Berlin. Erstmals wird ein Rüstungskonzern Sponsor eines Bundesligisten. Das sorgt für Kritik – nicht zum ersten Mal, wenn es um Millionen geht.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke spricht von einer „neuen Normalität“, Rheinmetall-Chef Armin Papperger von zwei Partnern, die „mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinander passen“. Mit Rheinmetall wird erstmals ein Rüstungskonzern Sponsor eines Fußballclubs. Das verkündeten beide Partner – das Unternehmen und der Bundesligist Borussia Dortmund – am Mittwoch.
Watzke sagte in dem Statement weiter, Sicherheit und Verteidigung seien elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. „Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss.“ Mit der neuen Partnerschaft bekenne sich der Verein zur gesellschaftlichen Bedeutung des Themas Sicherheit und Verteidigung.
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Rheinmetall ist Deutschlands größter Rüstungskonzern. Weltweit arbeiten 30.000 Beschäftigte für den Waffenproduzenten, dessen Umsätze und Auftragseingänge sich wegen des Kriegs in der Ukraine und der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende in Rüstungsfragen vervielfacht haben. Es überrascht deshalb nicht, dass der neue Sponsoring-Deal des BVB auch auf Widerspruch trifft. Ein BVB-Anhänger schrieb in einem Fanforum, Rheinmetall als Sponsor habe das Potenzial, „der Marke Borussia Dortmund in Zukunft weltweit schweren Schaden zuzufügen.“
Rheinmetall wirbt bei Borussia Dortmund: Fan mit schlimmer Prognose
Rheinmetall ist nicht das erste Unternehmen, das mit Werbung im Umfeld vom Profifußball für Diskussionen sorgt. Das Logo des russischen Staatsunternehmens Gazprom prangte seit 2007 auf den Trikots von Schalke 04, ehe sich die Gelsenkirchener nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine dazu entschlossen, den Sponsorenvertrag zu beenden. Bei Bayern München nannte Uli Hoeneß die Jahreshauptversammlung 2021 die „schlimmste Veranstaltung“, auf der er je gewesen sei.
Hauptverantwortlich dafür: Die Debatte um den damaligen Bayern-Sponsor Qatar Airways, den Fans wegen der Menschenrechtslage in Katar kritisierten. Die Anhänger von Werder Bremen prangerten jahrelang das Logo von Wiesenhof auf der Brust ihrer Kicker an – wegen vermeintlicher Massentierhaltung durch das Unternehmen. Was blüht jetzt dem BVB in Sachen Rheinmetall? Experten beschwichtigen.
Sportsponsoring im Fußball ist mit hoher Reichweite, einem positiven Image und den vielfältigen Rechtepaketen eine sehr interessante Möglichkeit, sagte der Marketingexperte Florian Riedmüller von der Technischen Hochschule Nürnberg dieser Redaktion. „Der BVB wird mit dem Vorwurf des Sportwashings konfrontiert. Allerdings handelt es sich bei dem Sponsor um keinen autokratischen Staat, sondern um ein Dax-Unternehmen“, so der Professor.
Rheinmetall neuer BVB-Sponsor – Experte: „Welt ohne Rüstung ist nicht denkbar“
Der Wirtschaftsethiker Christoph Lütge von der Technischen Universität München sagte: „Eine Welt ohne Rüstung ist nicht denkbar. Dieser Sachlage müssen wir uns stellen. Rheinmetall ist ein deutsches Unternehmen, das in Deutschland Arbeitsplätze schafft.“ Für etwa zwei Drittel der Fußballfans sind Moral und Ethik bei den Sponsoren wichtige Werte, zeigte eine Umfrage vor gut zwei Jahren. Dennoch finden sich in Stadien nach wie vor Logos von Wettanbietern, Bierherstellern oder Firmen aus Ländern mit fragwürdiger Menschenrechtslage.
Wie weit Anspruch und Realität beim Fußballsponsoring auseinander liegen, zeigt auch die in wenigen Wochen startende Europameisterschaft in Deutschland. Sponsoren des Großturniers sind unter anderem die Firmen Alipay und BYD aus China und Visit Qatar aus dem Emirat Katar. Beiden Ländern werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Mit Blick auf China warnen deutsche Sicherheitsbehörden zudem schon länger vor zunehmenden Spionageaktivitäten.
St. Pauli reagiert auf BVB-Sponsor: Richtlinien, die Waffenhersteller ausschließen
Bundesregierung, DFB und Uefa haben sich bei dem Turnier hingegen zum Ziel gesetzt, neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit zu setzen. Das schließt auch Menschenrechte mit ein. Erst im März unterzeichneten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) eine Menschenrechtserklärung für das Turnier. Wirtschaftsethiker Lütge empfiehlt Fußballclubs und Sportorganisationen, Richtlinien aufzustellen, nach denen Sponsoren ausgewählt werden.
Bald-Fußballerstligist FC St. Pauli hat einen solchen Kodex bereits. Man arbeite nur mit Partnern zusammen, „die zu den Werten und dem gesellschaftlichen Engagement des Vereins passen.“ „Deshalb handelt der FCSP nach Vermarktungsleitlinien, die einen Waffenhersteller als Sponsor ausschließen würden – auch in dem Bewusstsein, auf hohe Einnahmen zu verzichten und sich damit einen selbst gemachten Wettbewerbsnachteil zu verschaffen“, teilte der Verein auf Anfrage mit.
Linke im Bundestag fordern Aus für Rheinmetall-Sponsoring beim BVB
Die gesellschaftliche Bewertung der einzelnen Vorgaben könne sich aber verändern – wie jetzt bei der Rüstungsindustrie, so Wissenschaftler Lütge. Zu enge Leitplanken seien nicht hilfreich. „Sponsoren geben das Geld ja ohne eine direkte Erwartung auf Gegenleistung“, sagte der Wissenschaftler. „Indirekt natürlich schwingen Hoffnungen wie ein Prestigegewinn und eine höhere Aufmerksamkeit mit. Aber als Fußballclub Firmen Vorschriften zu machen, ist schwierig. Im Zweifel wird dann eben nicht mehr gesponsert.“
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Bei Rheinmetall und dem BVB forderten die Linken im Bundestag am Mittwoch, ein Überdenken des Sponsorings – und einen Eingriff durch die Politik. Sportwerbung, die den Werten des Sports widerspreche, sei problematisch, sagte der sportpolitische Sprecher André Hahn dieser Redaktion. Dazu gehörten Hahn zufolge Alkohol- und Tabakwerbung, Werbung für Glücksspiele und Sportwetten, aber auch für Militär und Rüstung. „Und da Rheinmetall seinen Profit vor allem aus öffentlichen Aufträgen zieht, muss hier besonders genau hingeschaut werden. Ich sehe die Politik in der Pflicht, die Werbung für Tabak bereits untersagt hat“, so Hahn.
Begründung des BVB greift zu kurz – Amnesty mit deutlicher Kritik
Auch Amnesty International kritisierte den Deal. „Angesichts der Rolle von Rheinmetall als Rüstungsexporteur in alle Welt greift die Begründung des BVB zu kurz, Sicherheit und Verteidigung als Eckpfeiler unserer Demokratie mit dem Sponsoring durch Rheinmetall schützen zu wollen. Der BVB sollte unser Zusammenleben besser mit einem nachdrücklichen und eindeutigen Einsatz für die Menschenrechte schützen“, empfahl Mathias John, Rüstungsexperte der Menschenrechtsorganisation in Deutschland, gegenüber dieser Redaktion.
Rheinmetall liefere nicht nur Waffen für die deutsche Verteidigung, sondern produziere und schicke auch Waffensysteme und Munition in alle Welt. Dabei bestehe stets das Risiko, dass diese Rüstungsgüter Menschenrechte verletzten. „Unternehmen kaufen die Rechte zum Sponsoring von Fußballvereinen und Sportevents, weil sie mit Freude, fairem Wettbewerb und spektakulären menschlichen Leistungen auf dem Spielfeld in Verbindung gebracht werden wollen“, so John weiter. „Der Sport sollte sich nicht dafür hergeben, die schlechte Menschenrechtsbilanz von Unternehmen zu beschönigen.“
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