Düsseldorf. Etliche Ministerpräsidenten halten den Kohleausstieg bis 2030 für unrealistisch. Zweifel am Zeitplan äußert auch Uniper-Chef Lewis.

Der Plan der Ampel-Koalition, bis zum Jahr 2030 komplett aus der Kohleverstromung auszusteigen, gerät zunehmend ins Wanken. Nach NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und den ostdeutschen Länderchefs äußerte am Mittwoch der Vorstandsvorsitzende des verstaatlichten Energiekonzerns Uniper Zweifel am Zeitplan. Das Tempo für die Abschaltung der Kohleblöcke sei davon abhängig, wie schnell wir neue Kraftwerke aufbauen können. „Sechs Jahre sind sehr knapp“, sagt Michael Lewis vor Journalistinnen und Journalisten in Düsseldorf.

Anfang Februar hatte die Bundesregierung ihre Kraftwerksstrategie vorgestellt. Sie sieht vor, dass Gaskraftwerke, die mittelfristig auf klimafreundlichen Wasserstoff umgestellt werden können, bis zum Jahr 2030 alle Stein- und Braunkohleblöcke ersetzen. Der Uniper-Chef begrüßt den Plan. „Ich bin Pragmatiker, wir sollten einfach anfangen“, verbreitet Lewis demonstrativ Optimismus. Der Zeitrahmen von sechs Jahren sei aber sehr knapp. „25 neue Kraftwerke sind nötig, aber zehn sind erst ausgeschrieben“, sagt der Uniper-Chef. In Branchenkreisen geht man davon aus, dass die Bauzeit eines Gaskraftwerks im Schnitt 40 Monate betrage.

Wüst: Bundesregierung gefährdet Kohleausstieg 2030

Zuvor hatte bereits NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ungewöhnlich deutlich vor einem Scheitern des Kohleausstiegs bis 2030 gewarnt, sollte die Bundesregierung bei ihrer Kraftwerksstrategie nicht nachbessern. „Die Gaskraftwerke werden die Deckungslücke nicht schließen können“, sagte Wüst im Hinblick auf den zu erwartenden Strombedarf. „Bleibt es dabei, gefährdet die Bundesregierung den Kohleausstieg zum Jahr 2030.“

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Die Wirtschaftsreporter

Die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer legten am Mittwoch nach. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat die Ampel aufgefordert, die Diskussion um einen vorgezogenen Kohleausstieg zu beenden. „Idealerweise erklärt die Bundesregierung: Wir verzichten auf 2030“, sagte Woidke in Cottbus. Die sie tragenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hielten „aus ideologischen Gründen und parteitaktischen Gründen“ an dem Datum fest, obwohl es nicht realistisch sei. Auch die CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff, lehnen die Kohleausstieg 2030 ab.

Naturschutzbund BUND: Kohleausstieg auch ökonomisch sinnvoll

Scharfe Kritik an den Absetzbewegungen der Politik übt dagegen der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) NRW. „Es gibt keinen Anlass, am Kohleausstieg zu rütteln. Es sei denn, man will den Ausbau der Erneuerbaren Energien drosseln“, sagt Landesgeschäftsleiter Dirk Jansen unserer Redaktion. Aufgrund steigender CO2-Preise seien Kohlekraftwerke auch nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. „Deshalb ist der Kohleausstieg bis 2030 auch ökonomisch sinnvoll“, so der BUND-Funktionär.

„Wir fangen jetzt mit dem Bau von Gaskraftwerken an. Wir werden mit aller Kraft unsere Strategie verfolgen“, kündigt Uniper-Chef Lewis an. Den Energiekonzern, der immens von günstigem Erdgas aus Russland abhängig war, hatte die Bundesregierung nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine verstaatlicht. Nach hohen Verlusten 2022 fuhr Uniper im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von 7,2 Milliarden Euro ein. Als Folge deutlich sinkender Rohstoffpreise erwartet Lewis für das laufende Jahr aber wieder eine „Normalisierung“. Uniper rechne nunmehr mit einer Gewinnspanne von 1,5 bis zwei Milliarden Euro.

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