Essen. Gläubigerversammlung stimmt Insolvenzplan für Galeria Karstadt Kaufhof zu. Etwas Hoffnung auf Rettung weiterer Filialen gibt es noch.
Die Essener Galeria-Zentrale wirkt wie abgeschottet. Etliche Fenster sind hinter Jalousien verdeckt. Ein paar Beschäftigte machen sich an diesem Dienstagmorgen auf den Weg zur Arbeit – vorbei an einem Schild mit dem Slogan „Wir sind Galeria“. In Laufweite entfernt geht es derweil um die Frage, was auf Deutschlands einziger verbliebenen Warenhauskette wird. Die Messe Essen ist kurzerhand zur Außenstelle des Amtsgerichts Essen umfirmiert worden. Auf der Tagesordnung steht die Gläubigerversammlung eines deutschen Traditionsunternehmens.
Vor der Eingangstür haben Arbeitnehmervertreter eine Art Filial-Friedhof inszeniert. Schwarze Kreuze mit Städtenamen lehnen an der Wand des Messegebäudes. Beerdigt werden unter anderem die Standorte in Essen, Berlin-Spandau und -Tempelhof, Augsburg, Mainz und Potsdam. Auf einem Schild steht ein trotziges „Danke für nichts.“
Fest steht auch, dass die traditionsreichen Warenhausnamen Karstadt und Kaufhof verschwinden. Die neuen Eigentümer wollen sie nicht behalten. Die Zentrale soll aus Essen nach Düsseldorf umziehen.
Mannheimer Unternehmer Bernd Beetz zeigt sich in Essen
Andrea Grisail, Betriebsrätin der Warenhausfiliale im Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim, meldet sich vor den Messehallen zu Wort, spricht über die „harten Einschnitte“ im Unternehmen und den Druck, der auf den Beschäftigten lastet. Sie wirbt dafür, die Menschen „nicht nur als Kostenfaktor zu sehen“. Sie hoffe, die neuen Eigentümer würden erkennen, welches Potenzial in der Mannschaft von Galeria stecke.
Einer der neuen Eigentümer ist da schon in die Essener Messe geeilt: der Mannheimer Unternehmer Bernd Beetz. Er hatte sich vor wenigen Wochen in einem Bieterverfahren gemeinsam mit der US-Investmentgesellschaft NRDC des früheren Kaufhof-Eigners Richard Baker durchgesetzt.
„Wir werden das Unternehmen besser führen“
Mitte April war Beetz schon einmal in Essen, um in der Firmenzentrale – so gut es eben geht – Aufbruchstimmung zu verbreiten. Warum es diesmal besser klappen solle als bei seinen Vorgängern, immerhin mehreren Milliardären, mit denen es immer wieder nur abwärts ging? Das wird Beetz wie schon im April auch diesmal wieder gefragt. „Wir werden das Unternehmen besser führen“, sagt der Investor, der auch Präsident des Fußball-Drittligisten SV Waldhof Mannheim ist, nun. „Wir haben die Kompetenz und auch den Kampfgeist, hier eine Wende herbeizuführen.“
Auch Monika Günterberg, die aus Berlin nach Essen zur Gläubigerversammlung gereist ist, möchte, dass es weitergeht bei Galeria. Das berufliche Schicksal ihrer Kolleginnen und Kollegen hänge davon ab, dass Beetz und seine Partner den Laden wieder beleben. Seit 50 Jahren sei sie mittlerweile im Betrieb, erzählt die 65-Jährige, die sich als Arbeitnehmervertreterin engagiert – bei der Markthalle von Galeria, also in der Lebensmittelabteilung des Warenhauskonzerns. Sie habe miterleben müssen, wie schon viele Filialen geschlossen worden seien im Laufe der Jahre. „Wir sind auch gekniffen“, sagt sie, wenn es bei Galeria schlecht laufe. Monika Günterberg zeigt sich kämpferisch. Es sei wichtig, dass auch die Beschäftigten gehört und gesehen werden, sagt sie.
Mehr als 1400 Arbeitsplätze sollen wegfallen
Klar ist nun jedenfalls: Bei Galeria Karstadt Kaufhof geht es auch nach der dritten Insolvenz innerhalb von vier Jahren weiter. Den Grundstein dafür hat die Gläubigerversammlung in der Messe Essen gelegt – und dem Sanierungsplan von Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus zugestimmt. Er sei darüber „sehr erleichtert“, sagt er nach dem Treffen. Nun muss noch das Amtsgericht Essen zustimmen und das Insolvenzverfahren offiziell für beendet erklären. Damit rechnet Denkhaus für Ende Juli.
Auf Nachfrage sagt Denkhaus nach dem Gläubigertreffen, dass er mit dem Abbau von mehr als 1400 Arbeitsplätzen rechne. Etwa 450 Jobs sollen in der Essener Galeria-Hauptverwaltung wegfallen. 16 Filialen stehen derzeit auf der Schließungsliste, damit seien knapp 1000 Menschen betroffen, berichtet Denkhaus. Ein bisschen Hoffnung verbreitet er noch, dass einzelne Standorte noch von der Liste der Schließungen verschwinden könnten. Das werde sich im Juni entscheiden, kündigt der Insolvenzverwalter an.
Neben Denkhaus steht Galeria-Geschäftsführer Olivier Van den Bossche, der noch kurz den Beschäftigten dankt. Die Situation im Unternehmen sei in den vergangenen Wochen von „blood, sweat and tears“ geprägt gewesen – Blut, Schweiß und Tränen.
Neuer Galeria-Eigentümer Beetz: „Wir müssen besser werden“
Auch für die Geschäftspartner von Galeria ist die Gläubigerversammlung mit Härten verbunden. Zum dritten Mal in nur vier Jahren müssen die Gläubiger auf viel Geld verzichten, um Galeria zu retten. Diesmal erhalten mehr als magere 2,5 Prozent ihrer Forderungen erstattet. Das aktuell laufende Insolvenzverfahren war nötig geworden, weil Gesellschaften der bisherigen Eigentümerin, der Signa-Gruppe des österreichischen Geschäftsmanns René Benko, selbst Insolvenz anmelden mussten.
Bernd Beetz übernimmt in der schmucklosen Essener Messehalle die Rolle des Motivators und Antreibers. „Wir müssen besser werden“, sagt er. Beetz spricht von „Leistung“ und einer „höheren Schlagzahl“, die notwendig seien. „Dann werden wir das Spiel auch gewinnen.“ Er wolle bei Galeria eine „Winner-Mentalität“ etablieren.
„Auf Wiedersehen“ will zumindest Stefan Denkhaus im Zusammenhang mit der Gläubigerversammlung nicht sagen. Er hoffe, dass es diesmal auch wirklich die letzte Insolvenz von Galeria sei.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür