Essen. Nur 570 Beschäftigte dürfen in der Verwaltung bleiben. Was die 400 Gekündigten jetzt erwartet – von der Abfindung bis zum Transfergeld.
Die Betriebsversammlung am Montag um 11 Uhr dauert gerade einmal 20 Minuten. Dann steht fest, dass 400 Beschäftigte der Hauptverwaltung der Essener Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof die Kündigung erhalten werden. 570 dürfen bleiben. Stumm und mit gesenkten Köpfen steigen sie auf die Rolltreppe, um zurück an ihre Arbeitsplätze zu kommen. Einige stecken sich vor dem Haupteingang eine Zigarette an.
In dem weißen Betonklotz in der Nähe der Messe Essen spielen sich am Montag Szenen ab, die am vergangenen Samstag Beschäftigte in manchen Filialen verarbeiten mussten. Der insolvente Konzern will bundesweit 16 Warenhäuser schließen. Dazu gehören auch Essen und Wesel. 1000 Arbeitsplätze fallen an den Verkaufsstandorten weg.
Essener Zentrale blieb bei vorigen Insolvenzverfahren verschont
War die Zentrale bei den beiden Insolvenzverfahren zuvor einigermaßen vom Stellenabbau verschont worden, trifft es sie nun umso härter. Es gehe darum, das Service-Center „schlanker und agiler“ aufzustellen, hatte Galeria-Chef Olivier Van den Bossche, schon vor einigen Wochen angekündigt. Nun steht fest, dass die Zahl der Mitarbeitenden in der Verwaltung fast halbiert werden soll. Galeria will künftig erklärtermaßen ein mittelständisches Unternehmen sein.
Fragen an Van den Bossche, Arbeitsdirektor Udo Mager und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus gibt es an diesem sonnigen Vormittag kaum. Wen die Kündigungen treffen wird, sollen die Beschäftigten ohnehin in Gesprächen mit ihren Abteilungsleitern erfahren – Montag oder Dienstag. Wer keine Einladung erhalten hat, kann aufatmen.
Perspektiven der Beschäftigten sind nicht rosig
Für alle anderen gilt dagegen: Je nach Dauer der Betriebsgehörigkeit werden sie ihre Kündigungen per Ende August oder Dezember erhalten. Die Perspektiven der Beschäftigten sind nicht rosig. Der Sozialplan sieht nach Informationen unserer Redaktion eine auf maximal 7500 Euro gedeckelte Abfindung vor. So will es das Insolvenzrecht.
Die meisten Beschäftigten dürften sich daher besser stellen, für acht Monate in die Transfergesellschaft zu wechseln. Dort erhalten sie bis zu 67 Prozent ihres letzten Nettogehalts, das Galeria von sich aus auf 80 Prozent aufstocken will. Wer vorzeitig einen neuen Job findet, soll eine Prämie erhalten. Damit soll offenbar ein Anreiz geschaffen werden, sich selbst auf dem Arbeitsmarkt umzusehen.
570 Beschäftigte in der Verwaltung bleiben, müssen aber umziehen
Veränderungen wird es aber auch für die 570 Beschäftigten in der Verwaltung geben, die bleiben können. Denn Galeria will das traditionsreiche, aber baufällige Gebäude in Essen aufgeben und die Zentrale ins repräsentative Kaufhof-Gebäude an der Düsseldorfer Schadowstraße verlagern. Dort soll das Warenhaus auf drei Etagen verkleinert werden, um Platz für Büros in den beiden oberen Geschossen zu schaffen.
Seit geraumer Zeit versucht Galeria, aus dem Mietvertrag in Essen herauszukommen, der das Unternehmen nach Informationen unserer Redaktion jährlich vier Millionen Euro kostet. Pikanterweise gehört der Gebäudekomplex einer Tochtergesellschaft der ebenfalls insolventen Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko, zu der bislang auch Galeria gehörte. Der Umzug nach Düsseldorf sei keine Entscheidung gegen Essen, heißt es in Konzernkreisen. Geschäftsführer Van den Bossche hält nach eigenen Angaben nichts von einer Verwaltung auf der grünen Wiese und will näher an die Kundinnen und Kunden. „Ein Metzger steht auch in der Metzgerei und nicht daneben“, sagte der Belgier vor einigen Wochen.
Galeria-Umzug von Essen nach Düsseldorf ab Anfang 2025
Da Galeria die Filiale in Essen Ende August schließen will, fiel die Wahl auf Düsseldorf. Der Umzug soll Anfang des kommenden Jahres beginnen. Dann kann sich Essen nicht länger die „Karstadt-Stadt“ nennen. Endgültig scheint in diesen Wochen der Insolvenz allerdings gar nichts zu sein. Die Schließungsliste mit 16 Warenhaus-Standorten scheint nicht in Stein gemeißelt zu sein. Nachdem sie am Samstag veröffentlicht wurde und Galeria damit Fakten gesetzt hat, zeigt sich das Unternehmen offen für Gespräche mit Vermietern, die vielleicht doch noch günstigere Konditionen anbieten wollen.
In Essen hat dieser Mechanismus schon zweimal funktioniert. 2020 und 2023 konnten die „Wir schließen“-Schilder in letzter Minute wieder abgehängt werden. Ob die Betreiber des Einkaufszentrums Limbecker Platz ein drittes Mal zu Zugeständnissen bereit sind, gilt allerdings als fraglich. Da könnten die Chancen in Wesel besser stehen. Dort wird das gesamte Gebäude leer stehen, sollte der Kaufhof ausziehen.
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