Berlin. Schock-Fotos von Zuchtfischen im Meer schrecken Verbraucher auf. Schuld ist ein Parasit – und der kann einem den Appetit verderben.
Das Foto ist gruselig. Ein bläulicher Fisch mit rosa ausgefranstem Maul schwimmt frontal auf eine Kamera zu. Die isländische Sängerin Björk hat den entstellten Lachs auf Instagram gepostet und prangert anhand dieses „Zombie-Lachses“ die „grausamen“ Zustände in der industriellen Lachszucht ihres Landes an. Der Fisch soll von Lachsläusen angefressen worden sein – gefilmt wurde er von der Umweltaktivistin Veiga Gretarsdottir.
Die künstliche Aufzucht von Lachsen steht in Island nicht zuletzt wegen dieses Fotos seit Monaten in der Kritik. Nicht nur die Popmusikerin Björk, auch Umweltschützer und Bürger werfen den großen norwegischen Fischunternehmen vor, durch ihre Zucht in Island „große Teile unserer Fjorde, Meereslebewesen, Tiere und Pflanzen“ zu schädigen.
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Hunderttausende befallene Fische mussten bereits aus dem Meer gefischt und getötet werden. Zudem fliehen Zuchttiere immer wieder bei Stürmen aus den Netzkäfigen. Da die Fische genetisch angepasst sind, werden sie bei Vermischung und Vermehrung zusätzlich zur Gefahr für Wildlachse.
Zombie-Lachs: Will man Fische aus Aquakultur noch essen?
Kann man Fisch noch mit gutem Gewissen kaufen und essen, wenn Lebewesen unter Zuchtbedingungen derart leiden? Diese Fragen stellen sich auch Fischliebhaber in Deutschland. Je nachdem, ob man Industrie oder Umweltverbände befragt, prallen die Positionen teils unversöhnlich aufeinander. Dabei geht es um grundsätzliche Ansprüche an die Ernährungssicherheit versus Tier- und Umweltschutz.
Lachs zählt in Deutschland zu den beliebtesten Speisefischen. Die Produktion von Atlantischem Lachs in Aquakulturen ist in den vergangenen vier Jahrzehnte weltweit stark von einst 22.000 Tonnen auf mittlerweile 2,7 Millionen Tonnen angestiegen. Nur 30 Prozent der Lachse, die auf dem Tisch landen, kommen noch aus Wildfang, berichtet der Bundesverband der Deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels. In der deutschen Nord- und Ostsee gibt es keine Lachszucht.
„Die Produktion von Fischen in Aquakulturen ist in Hinblick auf die Sicherung der weltweiten Ernährung eine unbestreitbare Notwendigkeit“, argumentiert der Fischverband. „Aquakulturen ermöglichen eine zuverlässige Versorgung mit hochwertigem tierischen Eiweiß.“ Weltweit werden heute rund 178 Millionen Tonnen Fisch und Muscheln produziert – 49 Prozent davon stammen aus Aquakulturen.
Greenpeace: „Aquakultur ist Massentierhaltung von Fischen“
In vielen Regionen der Welt seien Aquakulturen laut Verbandsangaben eine der wichtigsten oder sogar die einzige Möglichkeit zur Versorgung der Menschen mit tierischen Proteinen. Zudem sei die Lachszucht – wie in Norwegen – ein wichtiger Wirtschaftszweig. Sie sichere Arbeitsplätze und stärke die lokale Wirtschaft. Hinzu kommt, dass Lachs gesund ist und wichtige Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, Proteine und Vitamine enthält.
Umweltschützer von Greenpeace lehnen die Lachszucht dennoch rigide ab. „Wir können leider keinen Lachs mehr zum Kauf empfehlen. Weder sogenannte Wildfänge noch Lachse aus der Aquakultur“, sagt die Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann. Der Raubfisch werde mit „zerstörerischen Fangmethoden wie Langleinen oder Stellnetzen gefangen, in denen ungewollte Beifänge landen“.
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Zwar sei der Bedarf ohne Zuchtlachse nicht zu decken, so die Umweltschützerin, klar sei aber: „Aquakulturen sind eine ökologische Katastrophe und nichts anderes als Massentierhaltung von Fischen.“ Die Zucht schade den Tieren und der Umwelt, führt die Umweltschützerin aus. „Aquakulturen im Meer sind eine Jauchegrube und verschmutzen das umliegende Wasser durch die ausgeschiedene Masse an Fäkalien. Das bringt das ökologische Gleichgewicht auseinander.“
Fisch: WWF empfiehlt Wildlachs aus Alaska oder Bio-Zucht
Brechen Zuchtlachse aus ihren Netzen aus, werden sie zur Gefahr für die Wildpopulation im Meer. Zuchtlachse hätten eine schwächere Muskulatur und seien nicht dafür gemacht, in der wilden Natur zu leben. „Paaren sie sich mit anderen Wildlachsen, schwächt das die Population.“ Zudem würden die Farmbetreiber oft Antibiotika und Pestizide einsetzen, um Krankheiten zu verhindern. Auch der Umweltverband WWF sieht die Lachszucht sehr kritisch – und nennt weitere Gründe.
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Oft würden die Fische in dicht besetzten Käfigen gezüchtet und die eingesetzten Chemikalien, Futterreste und Ausscheidungen belasteten die Meeresumwelt. Zudem müssten, so der WWF, für die Aufzucht von einem Kilo Lachs ein bis zwei Kilo andere Fische verfüttert werden. Das vielleicht einzig Gute im Schlechten: Im Vergleich zu tierischen Proteinen von Schweinen oder Rindern sei der „ökologische Fußabdruck“ von Fisch geringer. „Lachs hat ,nur‘ einen ähnlichen ökologischen Fußabdruck wie Hühner“, erklärt der Umweltverband.
Wer die Umwelt schonen möchte, sollte möglichst Fisch mit Bio-Siegel oder dem Umweltstandard ASC kaufen. Biozuchten haben dem WWF zufolge eine bessere Schadstoffbilanz, geringere Besatzdichten und verfüttern Fischmehl aus nachhaltigeren Quellen. Als Faustregel gelte: „Wenn Lachs, dann Wildlachs aus Alaska“, erklärt der Verband. „Bei Zuchtlachs am besten auf das Bio-Siegel von Naturland achten.“
Bekämpfung der Lachslaus kostet 100 Millionen Euro im Jahr
Selbst der Fischverband räumt ein, dass die Lachsproduktion die Umwelt belastet. „Jede Form der Lebensmittelerzeugung steht immer in Wechselwirkung mit der Umwelt“, so die Hersteller. Allerdings habe Norwegen als größter Lachsproduzent der Welt strenge Regeln eingeführt, um die Gefahren für die Umwelt zu minimieren. Auch Antibiotikagaben wurden deutlich reduziert. Das Bundesernährungsministerium (BMEL) setzt sich entsprechend für eine nachhaltige Aquakultur im Meer ein.
Das Auftreten von Krankheiten in Zuchten begründet der Fischverband biologisch. So wie jedes andere Nutztier oder auch der Mensch können auch Lachse an unterschiedlichen Krankheiten leiden. Die Lachslaus, von der offenbar auch der „Zombie-Fisch“ befallen wurde, ist wiederum keine Krankheit, sondern ein Parasit im Meer, sagt ein Ministeriumssprecher. Sie sei „kein Insekt, sondern ein Krebstier, das sich von außen auf die Haut des Fisches setzt und sich von Schleim und Blut ernährt“.
Die Kosten zur Vorbeugung und Behandlung gegen Lachslaus-Befall verschlingen laut Fischverband jährlich rund 100 Millionen Euro. Die Tiere befallen vor allem Lachse, aber auch Meerforellen oder Regenbogenforellen. Sie aus der Zucht herauszuhalten sei nahezu unmöglich.
Ist der Verzehr von Zombie-Lachs für Menschen gefährlich?
Ob auch Fische, die von Lachsläusen befallen wurden, im Handel und damit auf dem Teller von Verbrauchern gelandet sind, ist ungewiss. Der Fischverband geht davon aus, dass stark befallene Fische aussortiert und nicht als Lebensmittel exportiert werden. Es könne höchstens sein, dass sie zu Tierfutter verarbeitet würden – und das sei legal.
Dem Menschen werden solche Fische jedenfalls nicht gefährlich, gibt ein Ministeriumssprecher Entwarnung. „Eine direkte Gefahr für den Menschen besteht nicht, denn der Parasit wird nicht auf den Menschen übertragen.“ Entsprechend bestehe beim Verzehr von ordnungsgemäß zubereitetem Lachs – unabhängig von der Frage, wie appetitlich er aussieht – „kein Risiko einer Übertragung oder Infektion mit Lachsläusen“.
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