Berlin. Der Unfall bei Leipzig war ein Schock, sagt Flixbus-Chef André Schwämmlein. Was er daraus lernt und wie sicher Fernbusfahren ist.
Nach dem Unfall bei Leipzig mit vier Toten spricht der Chef des Fernbusunternehmens Flix, André Schwämmlein, über Lehren aus der Tragödie. Auch Fahrgäste sieht er aber in der Pflicht.
Herr Schwämmlein, Deutschland spricht über den tödlichen Unfall eines Ihrer Reisebusse bei Leipzig. Wie geschockt waren Sie?
André Schwämmlein: Man denkt sofort an die Opfer dieses tragischen Unglücks. Es ist ein Schock für uns, das ganze Team und für mich persönlich.
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Lassen sich solche Unfälle verhindern?
Für uns ist extrem wichtig, dass wir unseren Fahrgästen und Buspartnern guten Gewissens sagen können, dass wir alles getan haben, um für ihre Sicherheit zu sorgen. Wir gehen bei vielen Sicherheitsmaßnahmen für die Busse über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Leider bleibt im Straßenverkehr immer ein Restrisiko.
Der Chef des Busunternehmens, zu dem der verunglückte Bus gehörte, behauptete, dass alle Reisende noch leben könnten, wenn sie angeschnallt gewesen wären. Sehen Sie das auch so?
Da möchte ich nicht den Polizeiermittlungen vorgreifen. Anschnallen bringt aber grundsätzlich mehr Sicherheit. Die Busfahrer weisen auch auf die Gurtpflicht hin. Wir appellieren an alle Passagiere, sich anzuschnallen. Während der ist das aber für Fahrer nicht kontrollierbar.
Wie ließe sich in Bussen künftig stärker auf die Anschnallpflicht achten?
Wir prüfen sehr genau, wie wir Fahrgäste noch besser sensibilisieren können, damit sie sich anschnallen.
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Ein CDU-Verkehrspolitiker forderte nach dem Unfall, Abläufe in der Fernbusbranche grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Sehen Sie da auch Handlungsbedarf?
Der Fernbus ist bereits heute ein gut kontrolliertes Verkehrsmittel mit sehr hohem Sicherheitsstandard. Fernbusse sind laut Statistischem Bundesamt zudem besonders selten in Unfälle verwickelt.
Wie geht Flix vor, um Vorgaben auch umzusetzen?
Wir achten extrem darauf, dass bei Flix-Bussen die gesetzlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Die Flixbus-Flotte ist sehr jung, die Fahrzeuge sind im Schnitt fünf Jahre alt. Die Sicherheitsausstattung ist dementsprechend auf dem neuesten Stand der Technik. Darüber hinaus prüfen wir bei unseren Buspartnern über die Behörden hinaus selbst elektronisch, dass Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden. Das wissen auch unsere Partner. So können wir auch für den Unfall in Leipzig ausschließen, dass Lenk- und Ruhezeiten nicht eingehalten wurden. Auch der Bus war in einem guten Zustand.
Teilen Sie die Vision von autonomen, also fahrerlosen Reisebussen?
Der Fokus liegt für uns auf dem Technologiewandel im Antriebsstrang, um den CO₂-Ausstoß zu minimieren. Beim autonomen Fahren bin ich skeptisch. Ich glaube aber schon, dass wir langfristig noch mehr Technologie im Bus haben werden, die das Fahren noch sicherer und angenehmer machen werden. Aber den Arbeitsplatz des Fahrers wird das nicht ersetzen.
Können ihre Buspartner angesichts der günstigen Ticketpreise gewinnbringend fahren?
Die Busunternehmen erhalten etwa 70 Prozent des Umsatzes. Viele arbeiten seit langem mit uns zusammen und fahren ein Plus ein. Mit unserer Technologie helfen wir ihnen, neue Kundengruppen zu erschließen und die Busse noch besser auszulasten.
Flix bietet Tickets bereits ab fünf Euro an. Ist das zu halten, angesichts überall steigender Preise?
Nicht jedes Ticket kostet fünf Euro, die Preise steigen wie bei Airlines nach Zeitpunkt der Buchung und Reiseuhrzeit. Günstige Tickets wird es weiter für frühe Buchungen geben oder wenn man zu weniger frequentierten Uhrzeiten fährt. An Feiertagen wird es dagegen teurer, weil die Auslastung höher ist. Der Fernbus wird aber auch in Zukunft ein sehr günstiges Verkehrsmittel bleiben. Das wird über eine hohe Auslastung der Busse garantiert.
Haben Sie durch das Deutschlandticket Passagiere verloren?
Nein, aber wir haben ein paar Strecken verändert. Grundsätzlich halten wir es für falsch, dass Fernbusse nicht mit dem Deutschlandticket genutzt werden dürfen.
Was halten Sie von einem Tempolimit auf Autobahnen, um den Fernbus-Reiseverkehr attraktiver zu machen?
Wer gerne mit 200 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn unterwegs sein will, wird auch mit einem Tempolimit nicht auf den Fernbus umsteigen. Vielmehr muss unser Angebot so attraktiv werden, dass Menschen ihr freiwillig stehen lassen, um Bus zu fahren.
Wann werden Fernbusse klimaneutral fahren?
Der Fernbus wird klimaneutral werden, daran habe ich keinen Zweifel. Als Unternehmen wollen wir dieses Ziel bis 2040 in Europa und bis 2050 global erreichen. Weltweit passiert hier sehr viel.
Flixbus ist in 43 Ländern unterwegs, darunter Indien und Brasilien. In den USA übernahmen Sie den traditionsreichen Greyhound. Wo sehen Sie noch Chancen für eine Expansion?
Aktuell sind wir vor allem in Europa und Nordamerika unterwegs. Die größten Busmärkte sind aber Lateinamerika und Asien, weil Busse in diesen Regionen das Hauptverkehrsmittel sind. Dort sehen wir auch unser größtes Wachstumspotenzial. Wie in Europa arbeiten wird dort auch mit Buspartnern zusammen und wachsen organisch.
Fahren die Busse dort auch in „Flix-grün“, mit demselben Standard?
Die Busse sind auch grün. Der Standard entspricht den Landesgewohnheiten. In Indien gibt es deshalb zum Beispiel Busse mit Liegesesseln, in denen man schlafen kann. In Brasilien sitzt man in Sesseln wie in der Business-Class im Flieger. Wir wollen dort nicht die billigsten Busse anbieten, sondern über unsere Technologie Angebot und Nachfrage zusammenbringen.
Planen Sie auch in Deutschland neue Strecken?
Wir sehen vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr noch gute Chancen für neue Strecken zu kleineren Städten. Das gilt für ganz Europa.
Mit dem Flixtrain machen Sie auch der Bahn Konkurrenz. Nun stehen umfangreiche Streckensanierungen bevor. Müssen sich Flixtrain-Fahrgäste auf Verspätungen einstellen?
Wir können uns leider nicht komplett unabhängig machen vom Schienennetz. Das heißt, es wird wie bei der Deutschen Bahn auch zu Veränderungen im Fahrplan kommen, wenn sich wegen Streckensperrungen Fahrzeiten ändern. Aber natürlich versuchen wir, den Einfluss auf die Fahrgäste so gering wie möglich zu halten. Grundsätzlich bin ich optimistisch, dass die Investitionen in die Schiene auch zu einer erhöhten Qualität im Netz führen.
Wo wollen Sie auf der Schiene weiterwachsen?
Das wird sich zunächst auf bestehende Strecken konzentrieren. Dort, wo wir bereits unterwegs sind, werden wir noch längere Züge einsetzen. Gleichzeitig wollen wir an dem, was uns von der Deutschen Bahn unterscheidet, festhalten. Also: eine Sitzplatzgarantie und geringere Preise. Wir sehen, dass das Angebot gut angenommen wird.
Ist es für Sie denkbar, ein Konkurrenzprodukt zum ICE zu schaffen?
Auf der Fahrtzeit sind wir auf einigen Strecken bereits nah dran am ICE, zum Teil sogar schneller. Die ICE-Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde und mehr lässt sich ohnehin im bestehenden Netz kaum ausspielen und auf der Mehrheit der Verbindungen ist Flixtrain wettbewerbsfähig, was die Reisezeit angeht.
Würde mehr Wettbewerb im Fernzugbereich Deutschland guttun?
Flixtrain ist schon jetzt das größte, private Bahnangebot, das es jemals in Deutschland gab. Der Wettbewerb hat also begonnen – wenn auch bislang nur auf wenigen Strecken. Die Entwicklung ist nicht nur gut für den Kunden, sondern wird auch mehr Fahrgäste für den Zug bringen. Meine Prognose ist, dass wir in zehn Jahren nicht nur auf eine bessere Infrastruktur blicken, sondern auch auf ein besseres Bahnangebot insgesamt. Ein Problem allerdings bleiben die zu hohen Trassenpreise.
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Rechnen Sie wegen der steigenden Trassenentgelte ab 2025 auch mit höheren Preisen bei Flixtrain für die Passagiere?
Natürlich müssen Anbieter wie die DB oder wir die Kosten irgendwie weitergeben. Da bleibt uns keine andere Möglichkeit, als die Ticketpreise etwas zu erhöhen, was sich aber im marginalen Bereich bewegen wird. Meine Hoffnung ist, dass sich der Staat endlich zu einem System durchringt, dass sich an anderen europäischen Ländern orientiert. Dafür müsste sich die Berechnung der Trassenpreise aber grundsätzlich ändern, und zwar so, dass Bahnunternehmen lediglich die Grenzkosten und nicht so wie jetzt die Vollkosten tragen müssen. Das würde nicht nur den Markt öffnen, sondern auch niedrigere Fahrpreise möglich machen.
Ist Bahnfahren zu teuer?
Es ist auch deswegen zu teuer, weil wir zu hohe Trassenpreise und zu wenig Wettbewerb haben. Wenn ich heute spontan mit der Deutschen Bahn von Berlin nach München fahren will, werde ich schnell 300 Euro für eine Strecke los. Das ist ein Preis, bei dem sich die Leute nicht dafür entscheiden, den Zug zu nehmen.