Berlin. Schwerer Flixbus-Unfall auf der A9 bei Leipzig: Vier Menschen sind tot, zahlreiche verletzt. Die Rettungsarbeiten dauern weiter an.
- Nach dem Busunglück auf der A9 bei Leipzig suchen die Ermittler nach der Ursache
- Der am Mittwochmorgen in Berlin gestartete Bus kam von der Autobahn ab, raste unter anderem über den Seitenstreifen und kippte dann auf die Seite
- Vier Menschen wurden getötet, über 30 verletzt. Es sind viele Fragen unklar
Bei einem Unfall mit einem Reisebus der Firma Flixbus auf der A9 bei Leipzig sind am Mittwoch vier Menschen ums Leben gekommen. Nach dem Busunglück sind viele Fragen offen: Derzeit steht für die Ermittler die Ursachenforschung im Vordergrund. Dazu stehen zahlreiche Zeugenbefragungen an, wie eine Sprecherin der Polizeidirektion Leipzig am Donnerstag auf Anfrage sagte. Auch alle Verletzten, die in einem Krankenhaus behandelt werden, sollen befragt werden, sofern es deren Gesundheitszustand zulässt. Unterdessen verunglückte am Freitag ein weiterer Reisebus in Deutschland: Dieses Mal war eine Reisegruppe mit Schülern eines Berufskollegs betroffen, über 20 Menschen wurden verletzt.
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Im Fall des tödlichen Flixbus-Unfalls auf der A9 hat die Polizei die Identität von drei der vier Todesopfer bekannt gegeben. Demnach starben bei dem Unfall eine 47-jährige Polin, eine 20-jährige Indonesierin mit Wohnsitz in Berlin sowie eine 19-Jährige aus Bayern, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Eine weitere an der Unfallstelle verstorbene Frau konnte bislang nicht zweifelsfrei identifiziert werden.
Verwirrung gab es bei der Anzahl der Fahrgäste im Flixbus. 53 Personen hatten in Berlin eingecheckt. Hinzu kamen die beiden Busfahrer. Die Polizei soll am Abend allerdings nur 52 Passagiere gezählt haben. Die „BILD“ berichtet, dass es sogar noch weitere Widersprüche gebe: Denn am Donnerstagmorgen habe die Feuerwehr bekannt gegeben, dass drei (!) Menschen, die im Bus gesessen haben sollen, noch gar nicht aufzufinden gewesen seien. Sogar Wärmebildkameras seien dabei im Einsatz gewesen. Das Fazit der Feuerwehr nach stundenlanger Suche: „Bis zum Schluss konnte nicht geklärt werden, ob die vermissten Personen überhaupt in den Bus gestiegen waren.“
Bereits am Mittwoch kursierten unterschiedliche Angaben bei der Anzahl der Opfer. Zwischenzeitlich hatte die Polizei von fünf Toten gesprochen, die Zahl aber am späten Mittwochabend auf vier korrigiert. Eine für tot gehaltene Person befinde sich demnach noch in einem lebensbedrohlichen Zustand. Mindestens 30 weitere Fahrgäste wurden nach Polizeiangaben verletzt.
Flixbus-Unfall auf A9: Streit unter Busfahrern?
Die Verkehrspolizeiinspektion hat die Ermittlungen wegen des Verdachts einer fahrlässigen Tötung aufgenommen. Der Fahrer des Busses soll nach Angaben des Busunternehmens alle Lenk- und Ruhezeiten eingehalten haben. „An Bord waren zwei Fahrer, der Fahrer im Einsatz steuerte den Bus seit Abfahrt in Berlin um 8 Uhr“, hieß es. Er ist nach Angaben der Polizei nicht unter den Toten.
Zeugen zufolge habe es bereits zum Start der Fahrt Probleme gegeben. Zunächst habe sich der Busfahrer verfahren und eine Vollbremsung einlegen müssen, so eine Zeugin zur „Leipziger Volkszeitung“. Danach habe der Busfahrer immer wieder lautstark mit seinem Kollegen diskutiert. Die „Bild“-Zeitung spekulierte daraufhin, ob möglicherweise dieser Streit die Ursache für den Unfall gewesen sein könnte.
Der Flixbus war am Mittwochmorgen in Berlin gestartet und auf dem Weg nach Zürich. 53 Fahrgäste und zwei Busfahrer sollen an Bord gewesen sein. Zwischen der Anschlussstelle Wiedemar und dem Schkeuditzer Kreuz auf der A9 kam es dann zu dem Unfall:
Nach ersten Erkenntnissen ist der Doppelstockbus auf gerader Strecke zwischen der Anschlussstelle Wiedemar und dem Schkeuditzer Kreuz aus noch unbekannter Ursache von der Fahrbahn abgekommen. Dann raste das Fahrzeug noch knapp 100 Meter über den Grünstreifen, walzte Gebüsche sowie kleinere Bäume nieder und stürzte schließlich auf die Seite. An dem Unfall war wohl kein anderes Fahrzeug beteiligt, betonte ein Polizeisprecher. Die wichtige Nord-Süd-Trasse zwischen Berlin und München wurde in beide Richtungen für mehrere Stunden gesperrt.
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Flixbus-Unfall auf A9: Tote erst nach Stunden geborgen
Erst nach drei Stunden konnte der verunglückte Bus mit Hilfe von Gurten aufgerichtet und mehrere Toten aus dem Innenraum geholt werden. Dabei schirmten mobile Sichtschutzwände die Aktion ab. Der Fahrer des Reisebusses ist nach Angabe der Polizei nicht unter den Toten. Details zum Gesundheitszustandes des Mannes wurden nicht genannt. Wann der Bus geborgen wird, war noch unklar. Am frühen Nachmittag konnte zumindest die A9 in Richtung Berlin wieder freigegeben werden.
Krankenhäuser in der Umgebung hatten sich für einen Großeinsatz gewappneten. Die Notaufnahme sei alarmiert und es würden Operationssäle sowie Diagnostikräume vorbereitet und vorgehalten, sagte ein Sprecher des Diakonissen-Krankenhauses in Leipzig auf Anfrage. Zudem habe man bei der Leitstelle angegeben, welche Kapazitäten es bei der Aufnahme von Patienten gibt. Am Uniklinikum Leipzig wurden acht Verletzte versorgt, darunter ein Schwerverletzter, wie ein Sprecher auf Anfrage sagte.
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Flixbus-Unfall auf A9: Autobahn zwischen Berlin und Leipzig gesperrt
Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig zeigte sich bestürzt. „Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer und Verletzten. Ich danke den vielen Einsatzkräften vor Ort, die schnelle Hilfe leisten“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch. Flixbus zeigte sich schwer betroffen. „Unsere Gedanken sind bei allen von diesem Unfall Betroffenen und ihren Angehörigen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens am Mittwoch auf Anfrage.
Solche Unfälle seien schockierend, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) dem Nachrichtensender „Welt“. „Und jetzt geht es darum, dass die Sicherheitskräfte vor Ort die Sache aufklären müssen, dass den Menschen geholfen werden muss, die jetzt dringend Hilfe brauchen.“
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Karte zeigt Ort des Flixbus-Unfalls auf der A9
Das Schkeuditzer Kreuz liegt am Flughafen Leipzig/Halle. Die A9 ist eine wichtige Nord-Süd-Autobahn, die Berlin und München verbindet.
Ähnlicher Unfall mit Flixbus 2019 ganz in der Nähe
Schon 2019 war es nur etwa 15 Kilometer südlich zu einem ähnlichen Unfall mit einem Flixbus gekommen – damals mit einem Toten, 72 Verletzten und neun schwer Verletzten. Der Bus war ebenfalls in die Böschung gefahren und umgekippt. Ursache soll damals „Sekundenschlaf“ des Fahrers gewesen sein. Daraufhin war Kritik laut geworden an den Arbeitsbedingungen bei dem Fernbusunternehmen, das hauptsächlich auf Subunternehmer setzt.
In Deutschland müssen Reisebusse seit dem 1. Oktober 1999 verpflichtend mit Gurten ausgerüstet sein. Allerdings wurde eine Nachrüstpflicht für ältere Busse wegen technischer und wirtschaftlicher Hindernisse nie beschlossen. Über das Baujahr des Unfallbusses ist bislang nichts bekannt. Die meisten Reisebusses, die unter der Marke Flixbus fahren, gehören Subunternehmen.
Das Unternehmen selbst schreibt auf seiner Website, dass im Fernbus Anschnallpflicht herrsche. Fahrgäste werden dazu angehalten, „jederzeit während der Fernbus-Fahrt sicher angeschnallt“ zu sein.
dpa/AFP/lro/jug