Berlin. Der Arbeitskampf bei Bahn und Lufthansa hält an. Was Verbrauchern droht, welche Alternativen es gibt und ob die Politik helfen kann.
Deutschland ist genervt. Seit Monaten sorgen Arbeitskämpfe bei Bahn und Lufthansa dafür, dass Reisende Pläne überdenken müssen. Auch in der neuen Woche ändert sich das nicht. Erneut treffen Streikpläne beide Unternehmen.
Wo wird in dieser Woche gestreikt?
Bereits seit einigen Tagen sind die Streikpläne bei der Lufthansa bekannt. Die Kabinengewerkschaft Ufo hat die rund 19.000 Flugbegleiter der Lufthansa und der Lufthansa Cityline für diesen Dienstag und Mittwoch zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Bestreikt werden laut Ufo jeweils von 4 bis 23 Uhr am Dienstag alle Abflüge von Frankfurt am Main und am Mittwoch alle Abflüge von München. Laut Lufthansa könnten 100.000 Passagiere von dem Streik betroffen sein.
Kommentar zum Bahnstreik: Weselsky holt das Auto aus der Schmuddelecke
Immer wieder war Deutschlands größte Fluggesellschaft in den vergangenen Wochen von Arbeitskämpfen betroffen. Erst in den vergangenen Tagen hatten Boden- und Sicherheitspersonal die Arbeit niedergelegt. Auch bei der Tochter-Airline Discover sind die Streikaktivitäten wohl nicht vorbei. Zuletzt waren dort Mitte Februar die Piloten im Ausstand.
Auch bei der Deutschen Bahn kehrt keine Ruhe ein. Am Sonntagabend verkündete die Lokführer-Gewerkschaft GDL, im Personenverkehr am Dienstag um 2 Uhr mit einem neuen, 24 Stunden andauernden Streik beginnen zu wollen. Im Güterverkehr sollen die Arbeitsniederlegungen ebenso lang dauern und bereits am Montagabend um 18 Uhr starten.
GDL-Chef Claus Weselsky lässt damit seiner Ankündigung, Wellenstreiks durchführen zu wollen, Taten folgen. Nachdem bereits in der zurückliegenden Woche für 35 Stunden deutschlandweit Züge stillstanden, folgen damit nun Arbeitskämpfe in kürzeren Abständen und ohne längerfristige Ankündigung. Das könnte vor allem verhindern, dass die Bahn wie bislang bei Streiks Notfahrpläne auf die Beine stellen kann.
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Streikexperte Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln warnte zuvor bereits im Gespräch mit unserer Redaktion: „Bahnfahren wird absolut unkalkulierbar.“ Vor allem gegenüber den Bahnkunden seien Wellenstreiks unverhältnismäßig. „Im Extremfall streikt man zwei Stunden, bringt den Fahrplan durcheinander – und sobald es wieder normal läuft, geht es wieder los. Das kostet kaum Streikgeld, verursacht aber, dass viele Menschen keine Tickets mehr kaufen“, so Lesch.
Welche Alternativen haben die Passagiere?
Vom Streik betroffene Bahnfahrer können kostenlos stornieren oder das bereits gekaufte Ticket an einem beliebigen anderen Tag nutzen. Auch Lufthansa bietet kostenlose Umbuchungen an. Bei Reisen innerhalb Deutschlands können Fahrgäste versuchen auszuweichen: Vom zurückliegenden Bahnstreik zum Beispiel war der Anbieter Flixbus/Flixtrain nicht betroffen, ebenso andere Bahnunternehmen, die Regionalstrecken befahren. Auch Mietwagen zu nehmen oder Fahrgemeinschaften mit dem eigenen Auto zu bilden, könnten Alternativen für von Streiks betroffene Reisende sein.
Wie reagiert die Politik auf die Streikaktionen?
Bereits in der vergangenen Woche kochte eine Debatte um mögliche Änderungen des Streikrechts hoch. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm schlug gegenüber unserer Redaktion vor, ein Schlichtungsverfahren vor dem Streik vorzuschreiben. Der CDU-Verkehrsexperte Christoph Ploß forderte generell Taten von der Ampelkoalition in Berlin. „Die permanenten Streiks nerven nicht nur die Bürger massiv, sondern belasten immer stärker die schwächelnde deutsche Volkswirtschaft. Wir brauchen sofort einen Anti-Streik-Gipfel, auf dem Bundeskanzler Olaf Scholz und Verkehrsminister Volker Wissing klarmachen: Im Sinne Deutschlands muss umgehend eine Lösung gefunden werden“, sagte er unserer Redaktion. Ploß machte auch klar, dass aus seiner Sicht über die nahenden Osterfeiertage nicht gestreikt werden sollte. Bei der Bahn hatte das GDL-Chef Weselsky zuvor nicht ausgeschlossen.
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Was machen die Dauerstreiks mit den Unternehmen?
Streikbeobachter Lesch vom IW Köln hält den wirtschaftlichenSchaden bei der Bahn für „enorm“. „Die GDL kann sich das nur leisten, weil ein öffentliches Unternehmen nicht pleitegehen kann. Bund und Steuerzahler springen ein“, sagte Lesch weiter. Ein Streiktag kostet die Deutsche Bahn eigenen Angaben zufolge 25 Millionen Euro. Produktivitätsausfälle innerhalb der deutschen Wirtschaft wegen fehlender Waren oder Personals, das nicht zur Arbeit kommt, könnten weit höher sein.
Die Lufthansa hat die zurückliegenden Warnstreiks bislang gut 100 Millionen Euro gekostet. Bei der Fluggesellschaft sieht Luftfahrt-Experte Cord Schellenberg aber noch weitergehende Folgen. „Die vielen Streiktage beschädigen nicht nur das Image einer verlässlichen Lufthansa, sie schaden zugleich dem gesamten Luftverkehrssystem in Deutschland. Auf europäischen Strecken wird ein Fluggast auch nach den Streiks wohl wieder mit Lufthansa fliegen, aber jeder Langstreckenreisende, der aufgrund der Flugausfälle zwangsweise zu großen ausländischen Wettbewerbern wie British Airways, Emirates oder Turkish Airlines wechselt und dort ein gutes, zuverlässiges Flugerlebnis erfährt, fehlt künftig hierzulande“, sagte Schellenberg unserer Redaktion.
Worum geht es bei den einzelnen Konflikten?
Bei der Lufthansa will das Kabinenpersonal vor allem mehr Gehalt. Ufo fordert eine Erhöhung um 15 Prozent, Lufthansa bot für die Beschäftigten der Kern-Airline bislang knapp neun Prozent. Einig war man sich, dass 3000 Euro Inflationsprämie gezahlt werden sollen.
Der Tarifkonflikt zwischen GDL und Bahn ist verhärteter. Zuletzt scheiterte sogar eine Schlichtung. Die GDL will für die Lokführer auch mehr Geld, im Fokus steht aber vor allem die Arbeitszeitreduzierung auf eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Am Wochenende hatte die Bahn zunächst eine Wiederaufnahme der Gespräche für diesen Montag angeboten – ohne allerdings ein neues Angebot vorzulegen. Die GDL antwortet darauf mit der neuerlichen Streikankündigung.