Essen. Trotz Immobilienkrise erweist sich das Ruhrgebiet als robust. Warum Mieten für Büros und Lager steigen und für Ladenlokale fallen.

Die gute Nachricht: Die Immobilienkrise trifft das Ruhrgebiet nicht so hart wie andere Metropolen. Vor allem die Logistikbranche boomt. Die schlechte Nachricht aber ist: Mit Einzelhandelsflächen können Vermieter im Revier immer weniger Mieteinnahmen generieren.

Wenn Jörg Kemna am kommenden Montag zur führenden Immobilienmesse Mipim in Cannes an der Côte d’Azur reist, hat er durchaus eine Portion Selbstbewusstsein im Gepäck. Am Messestand des Landes Nordrhein-Westfalen kann der Geschäftsführer der Business Metropole GmbH (BMR) Investoren solide Zahlen seiner Heimatregion präsentieren. „Die Ausschläge machen sich im Ruhrgebiet weniger stark bemerkbar als in anderen Wirtschaftsmetropolen“, sagt Kemna.

Über eine halbe Million Quadratmeter mehr Logistikfläche

Der Immobilienmarktbericht, den die BMR am Freitag, 8. März, gemeinsam mit dem Analyse- und Beratungsunternehmen Bulwiengesa vorlegte, zeigt Licht und Schatten. Ungeachtet von Wirtschaftsflaute, Inflation und gestiegenen Zinsen wurden im vergangenen Jahr im Ruhrgebiet so viele Logistikhallen fertiggestellt wie zuletzt 2017. Mehr als eine halbe Million Quadratmeter Lagerfläche kamen hinzu.

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„Der Laden brummt. Die Objekte gehen weg wie warme Semmeln. Wir haben kaum Leerstand“, sagt Kemna. Gebaut wurde insbesondere in Dortmund, Duisburg und Oberhausen, aber auch in den Kreisen Wesel, Recklinghausen und Unna. „Die Nachfrage treibt die Mieten“, fügt der Wirtschaftsförderer hinzu. Die Spitzenmiete liege inzwischen bei 7,60 Euro pro Quadratmeter.

Einzelhandel: Mieten in Innenstädten sanken um 11,4 Prozent

Ganz anders dagegen die Situation in den Innenstädten: Im Kernruhrgebiet entlang des Hellwegs purzelten die Ladenmieten 2023 um 11,4 Prozent, im gesamten Ruhrgebiet betrug das Minus 4,9 Prozent. Aber auch dieser Rückgang ist stärker als in Köln (-2,3 Prozent), in Berlin (-3,8 Prozent) und auf dem Niveau mit Hamburg (-5,0 Prozent). Während die Spitzenmieten in 1a-Lagen der deutschen Hauptstadt bei 255 Euro pro Quadratmeter liegen, lassen sich im Revier gerade einmal 160 Euro erzielen – und das auch nur auf dem hochfrequentierten Westenhellweg in Dortmund.

BMR-Chef Kemna sieht die Innenstädte vor einem großen Umbruch. „Die zweite, dritte und vierte Etage kann man heute nicht mehr mit Einzelhandel bespielen“, sagt er im Hinblick auf das geänderte Kundenverhalten. Zudem sei zu beobachten, dass Händler kleinere Flächen nachfragten als bislang. Immerhin, so der Wirtschaftsförderer, zeichne sich ab, dass sich in den guten Lagen der Stadtkerne zunehmend Gastronomie ansiedle.

Experte: Wir müssen die Innenstädte neu beleben

Aus dem Bedeutungsverlust für den Einzelhandel leitet Jan Finke, Leiter der Essener Niederlassung von Bulwiengesa, eine Handlungsempfehlung ab: „Wir müssen die Innenstädte neu beleben. Das ist das große Thema“, sagt der Experte. Das könne durch mehr Wohnungen, Restaurants in der City erreicht werden, aber auch durch das Angebot von „konsumfreien Zonen“.

Trotz des Trends zum Homeoffice bleiben aber auch nicht nur in den Innenstädten Büroimmobilien ein Wachstumtreiber für das Ruhrgebiet. Die rasanten Zuwachsraten aus der Zeit vor der Corona-Pandemie sind aber vorerst Geschichte. „Momentan stehen Investoren auf der Bremse und warten ab“, sagt Kemna. Immerhin: Trotz Krise sind die Büromieten im Kernruhrgebiet 2023 um 7,9 Prozent in der Spitze auf eine Spanne zwischen 16,50 und 21 Euro pro Quadratmeter gestiegen. In Berlin betrug das Plus nur 2,3 Prozent, in Stuttgart 7,1 Prozent, in Düsseldorf aber 11,1 Prozent. Trotz der spürbaren Delle bei Neubau-Projekten kamen im vergangenen Jahr im Revier 443.000 Quadratmeter Büros dazu. Die Region verteidigte damit ihre Stellung als zweitgrößter Bürostandort Deutschlands nach Berlin.

Energieeffiziente Bürogebäude sind gefragt

Bulwiengesa-Niederlassungsleiter Finke geht von weiter steigenden Mieten aus. Und das habe einen ganz einfachen Grund: Es seien zunehmend energieeffiziente Bürogebäude gefragt. Ihre Sanierung sei aber mit dem aktuellen Mietniveau nicht zu finanzieren. „Die Top-Werte werden wir im Ruhrgebiet aber nicht sehen“, meint der Experte. Zahlen Mieter im Revier in der Spitze 21 Euro pro Quadratmeter, sind es in Berlin 44,50 Euro oder in Düsseldorf 36,10 Euro.

Die Immobilien-Krise führte im Ruhrgebiet unter dem Strich zu einem um 28 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro geschrumpften Transaktionsvolumen. Der größte Deal im vergangenen Jahr war der Erwerb des Westfalen-Centers mit Büros und Hotel in Dortmund, das für 105 Millionen Euro in den Besitz von Union Investment überging. Auf Platz 2 landete das Mülheimer Shopping- und Freizeitcenter Rhein-Ruhr-Zentrum, das die Eurofund Group und Signal Capital für 58 Millionen Euro übernahmen.

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