Essen. Nur zwei Prozent des Wagniskapitals fließen in Start-ups von Frauen. Britta Dombrowe erklärt, warum Männer lieber Männer finanzieren.

Nur jedes fünfte Start-up wird von Frauen gegründet. Nur zwei Prozent des Wagniskapitals fließen an Gründerinnen. Die Start-up-Expertin Britta Dombrowe zeigt sich von diesen schlechten Zahlen erschüttert und spart im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ nicht mit Kritik an den „rein männlich besetzten Investorenrunden, die ihr Geld an Männer geben“ und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Frauen den Weg in die Selbstständigkeit erschweren. Die Podcastfolge können Sie direkt hier im Webplayer hören:

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Britta Dombrowe weiß, wovon sie redet. Ihren Job als freie Dokumentarfilmemacherin für ARD, ZDF, Arte und 3Sat musste sie an den Nagel hängen, weil sie die Dreharbeiten und die Betreuung ihrer beiden kleinen Kinder nicht in Einklang bringen konnte. Zumal ihr Ehemann hinter der Kamera in derselben Branche tätig war. „Ich bin dann in ein Angestellten-Verhältnis gewechselt“, berichtet Dombrowe, die zunächst für den Essener Chemiekonzern Evonik und seit 2016 für den Initiativkreis Ruhr ebenfalls in Essen arbeitet. Innerhalb des Wirtschaftsbündnisses aus rund 70 namhaften Unternehmen und Organisationen ist Dombrowe für die Gründeraktivitäten verantwortlich.

Britta Dombrowe: Frauen managen die Familien

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in der Analyse der Expertin der zentrale Grund, warum sich Frauen seltener selbstständig machen. „Selbst als Angestellte ist es ein ständiges Anliegen, wenn man nicht auf Oma und Opa zurückgreifen kann“, sagt sie. Dombrowe will den Blick aber nicht allein auf die Betreuung von Kindern richten. „Ich kenne auch viele Frauen, die gar nicht Mütter sind. Sie haben trotzdem dieses Problem, weil sie auch andere Teile der Familie viel, viel stärker bespielen, als das oftmals die Männer tun“, erklärt sie und meint damit die Versorgung der Eltern, dass Kümmern um den „missratenen Neffen“ oder die Pflege der kranken Schwägerin. Dombrowe: „Ich sehe, dass Frauen den Großteil dieser Arbeit leisten.“

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Die Initiativkreis-Managerin sieht zwar deutliche Fortschritte etwa durch das mobile Arbeiten. Sie sieht aber nicht nur den Staat am Zuge, für ausreichend Kita-Plätze zu sorgen. „Ich glaube, dass sich die Wirtschaft künftig noch stärker um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird kümmern müssen, einfach auch aus Eigennutz“, fordert Dombrowe. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels können wir es uns ja gar nicht erlauben, so viele, viele Frauen nicht in Arbeit zu bringen.“

„Frauen in Führungspositionen sichtbarer machen“

Aber Wagniskapital fließe immer noch zu 98 Prozent in Start-ups, die Männer führen. Und die Managerin glaubt, den Grund zu kennen. „Wenn ich einer rein männlichen Investorenrunde gegenüber stehe als Mann, der ähnlich aussieht, der vielleicht den gleichen Vornamen hat, setzt ein Aspekt der Homophilie ein“, sagt Dombrowe. „Deswegen ist es viel leichter für rein männlich besetzte Investorenrunden, dieses Geld auch an Männer zu geben.“ So lange es nicht mehr Frauen unter den Geldgebern gebe, befürchtet sie, würden Frauen auch kein Kapital erhalten.

Deshalb müsse sich eine Menge ändern. Ein Instrument sei, Führungspositionen auch in Teilzeit anzubieten. Es gehe aber auch um Symbole. „Wir müssen Frauen in Führungspositionen noch viel sichtbarer machen, damit sie auch eine nächste Generation nachziehen“, so Dombrowe. Dafür sei es erforderlich, „Frauen auch in den unteren Ebenen und auf den mittleren Entscheidungsebenen schon viel stärker einzubinden, damit oben überhaupt eine kritische Masse ankommt, aus der man auswählen kann.“

Im Ruhrgebiet fehlt die Schlagkraft

Durch diese erhofften Fortschritte, glaubt die Managerin, werde auch der Gründergeist entfacht. Denn das Ruhrgebiet und NRW hinken trotz zahlreicher Förderprogramme und Netzwerke Bayern und Berlin sowohl bei der Zahl der weiblichen als auch der männlichen hinterher. „Berlin und München sind die großen Hotspots für Start-ups. Diese Städte betreiben Start-up-Förderung auch 20 Jahre länger als das Ruhrgebiet“, liefert Dombrowe eine zentrale Erklärung und rät:„Wir müssen da dran bleiben. Wir können jetzt nicht sagen, dass es gescheitert ist – ganz im Gegenteil. Wir sind in der Phase des Begießens unseres Startup-Ökosystems, des Hegens und Pflegens, um das Wachstum zu fördern“, macht sie Mut und verhehlt auch nicht die komplexe Struktur der Metropole Ruhr, die aus 53 Kommunen zwischen Hamm und Wesel besteht. Dombrowe: „Diese eine große Schlagkraft ist bei uns immer etwas zu schwierig zu generieren. Für Berlin zum Beispiel ist es leichter, internationale Talente anzuziehen, für München ebenfalls – leider.“

>>> Neues Format: Bridge Builder

Der Initiativkreis Ruhr hat seine Start-up-Aktivitäten zum Jahresbeginn umgebaut. Die bislang vom Wirtschaftsbündnis sowie Evonik, RAG-Stiftung, RAG AG, RAG-S-Innovation und Vonovia getragene Gründerallianz Ruhr geht auf den Essener Start-up-Inkubator Bryck über. Initiativkreis Ruhr, RAG-Stiftung, Evonik und Vonovia starten ein neues Format, das den Namen Bridge Builder trägt. „Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen den beiden Welten der Unternehmen und der Start-ups“, sagt Koordinatorin Britta Dombrowe im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Gründerinnen und Gründer sollen noch stärker als bisher von den Netzwerken des Initiativkreises profitieren. Am 22. Februar sollen Start-ups und Unternehmen zusammengebracht werden. Es geht um das große Thema Cyber Security. Info: hello@bridgerbuilder.ruhr

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