Essen/Düsseldorf. Sie sind Ärztinnen, Sekretärinnen oder Aufsichtsräte: Ohne Frauen geht im Berufsleben wenig. Statistiken zeigen Überraschendes.
Ohne Frauen geht es nicht: In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Frauen am Arbeitsmarkt deutlich gestiegen. 2023 waren rund 3,3 Millionen Frauen in NRW sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind über 20 Prozent mehr als 2013 – ein deutliches Plus im Vergleich zu den Männern (15 Prozent). Trotzdem haben Frauen in vielen Bereichen immer noch das Nachsehen, wie Studien anlässlich des Weltfrauentagszeigen.
Wo arbeiten Frauen in NRW?
Frauen arbeiten laut neuestem NRW-Arbeitsmarktreport immer noch vermehrt in kaufmännischen, sozialen und medizinischen Berufen. Mehr als jede Sechste ist in der Unternehmensorganisation beschäftigt, sprich als Sekretärin, Kauffrau für Bürokommunikation, Industriekauffrau oder Betriebswirtin. Blickt man auf die einzelnen Wirtschaftssektoren, zeigt sich: Nahezu neun von zehn Frauen, aber nur sechs von zehn Männern in NRW arbeiten im Dienstleistungssektor. Im produzierenden Gewerbe sind nur 11,3 Prozent der Frauen tätig. Beim medizinischen Personal indes herrscht bundesweit nahezu Parität.
Wie arbeiten Frauen?
Vor allem in Teilzeit. In NRW ist laut Report, der sich auf Zahlen von Juni 2023 bezieht, beinahe jede zweite Frau, aber nur jeder achte Mann teilzeitbeschäftigt. Fachleute verweisen auf traditionelle Familienbilder,in denen Frauen immer noch eher die Pflege von Kindern oder Eltern übernehmen. Diese Entwicklung ändere sich nur in kleinen Schritten. Frauen arbeiten im Vergleich zu Männern zudem eher in Minijobs und als Helferin. Sie füllen zudem seltener höhere Positionen aus: Fast 30 Prozent der Männer, aber nur 25 der Frauen arbeiten als spezialisierte Fachkraft mit oder ohne Uniabschluss.
Wie hoch ist die Arbeitslosigkeit unter Frauen in NRW?
Frauen sind häufiger in konjunkturunabhängigen Branchen tätig, sodass die wirtschaftliche Entwicklung geringere Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung als bei den Männern hat.
In NRW waren 2023 7,1 Prozent der Frauen arbeitslos.Damit lag die weibliche Arbeitslosenquote deutlich unter der männlichen (7,4 Prozent). Jede dritte arbeitslose Frau war 50 Jahre alt und älter. Besonders gestiegen ist die Arbeitslosigkeit zuletzt durch die vielen Frauen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Das entscheidende Problem aus Expertensicht: Zwei Drittel aller arbeitslosen Frauen haben keinen Berufsabschluss. Sie haben es damit besonders schwerer am Arbeitsmarkt.
Dringen Frauen in Männerberufe vor?
Trotz aller Bemühungen: eher nicht. Ein Beispiel sind die sogenannten MINT-Berufe. Laut NRW-Arbeitsmarktreport arbeiteten im Juni 2023 rund 246.000 Frauen in Berufen in der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Im Vergleich zu 2020 ist die Anzahl zwar um rund 6,8 Prozent gestiegen. Doch trotz Förderung schon in Kita und Schule ist immer noch nur jede sechste Stelle in diesen Berufen von Frauen besetzt. Ihnen gegenüber stehen 1,3 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigte Männer. Etwas höher (21,8 Prozent) war immerhin der Frauenanteil bei höherwertigen Experten-Stellen.
Auffällig ist: Selbst innerhalb der MINT-Berufe suchen sich Frauen eine Nische. Sie bewerben sich deutlich häufiger um Ausbildungsplätze etwa für Mediengestaltung, während die rund 23.000 Lehrstellen in der Produktionstechnik fast ausschließlich männliche Bewerber anlockte.
Warum ist das ein Problem?
Aus zwei Gründen: Gerade in den MINT-Berufen fehlen Arbeitskräfte. Zudem sind diese Berufe eher gut bezahlt. NRW-Agenturchef Roland Schüßler spricht im Zusammenhang mit MINT-Berufen von Schlüsselbereichen für die Modernisierung der Wirtschaft und Gesellschaft. Der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften sei hier besonders hoch. „Wenn wir nach möglichen Potenzialen suchen, kommen wir sehr schnell bei den Frauen an“, sagt Schüßler.
Der Deutsche Gewerkschaftsbundsieht darin vor allem Chancen für mehr wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen, da MINT-Berufe oft von höheren Gehältern, Tarifbindung und besseren Arbeitsbedingungen geprägt sind. „Es müssen Hürden für Frauen abgebaut werden, zum Beispiel durch Arbeitszeiten, die zum Leben passen und überholte Rollenklischees überwunden werden“, sagt DGB-Landeschefin Anja Weber.
Was hindert Frauen daran, in Männerberufen zu arbeiten?
Oft schon bei den Kleinsten würden Interessen von Mädchen und Jungen unterschiedlich geprägt, so der DGB. Schülerinnen schätzten ihr Können zudem oft schlechter ein, als es tatsächlich ist. Hemmnisse seien aber genauso Alltäglichkeiten wie fehlende Frauen-Toiletten in männlich geprägten Betrieben.
Was verdienen Frauen in ihren Jobs?
Frauen erhalten immer noch deutlich weniger Gehalt als Männer.In NRW liegt die Lohnlücke unbereinigt bei 17 Prozent. Das geht aus dem NRW-Lohnatlas hervor. Ein Großteil des Unterschieds ist auf den hohen Teilzeitanteil und Branchen zurückzuführen, in denen Frauen eher arbeiten. Selbst wenn man das berücksichtigt, bleibt aber ein Unterschied von sechs Prozent. Im Branchenvergleich fällt auf: Einzig in der eher tarifgebundenen Kreislaufwirtschaft (Wasser, Abwasser und Müll) liegt das Gehalt von Frauen im Schnitt vier Prozent über dem der Männer. In diesem Wirtschaftszweig sind Frauen allerdings auch besonders unterrepräsentiert.
Um ein paar konkrete Zahlen zu nennen: Laut Arbeitsagentur in NRW lag das mittlere Gehalt einer Frau Ende 2022 bei 3450 und bei Männern bei 3815 Euro im Monat. Im Ruhrgebiet standen 3468 Euro für Frauen gegenüber 3762 Euro. Beinahe ein Viertel der Frauen arbeitete im unteren Lohnsektor.
Macht die Stellung im Betrieb einen Unterschied?
Ja, aber eher im negativen Sinn: Je höher eine Frau qualifiziert ist, desto größer wird offenbar der Lohnunterschied: Expertinnen, Aufsichtsrätinnen oder promovierte Fachkräfte haben laut NRW-Lohnatlas besonders große Nachteile gegenüber ihren Kollegen. Selbst bei Bonuszahlungen erhalten Frauen in Deutschland durchschnittlich 6,1 Prozent weniger als Männer, wie das Ifo Institut ergänzend mitteilt.
Auf eine Folge der Gehaltslücke macht der Bankenverband zum Weltfrauentag aufmerksam: Nach wie vor stehen Frauen monatlich durchschnittlich 400 Euro weniger Geld zur Verfügung als Männern.
Wie zufrieden sind Frauen in der Arbeitswelt?
Eine Antwort darauf liefert eine Mitgliederumfrage der Industriegewerkschaft IGBCE. Demnach sind Frauen tendenziell unzufriedener als Männer. Sie sehen sich eher benachteiligt, geben ihren Arbeitgebern, aber auch der Gesamtgesellschaft schlechtere Noten in Sachen Gleichstellung. Die größten Baustellen sehen die Befragten bei der Aufteilung der Sorge-Arbeit im Privatleben, bei veralteten Rollenbildern in der Gesellschaft und bei der höheren Teilzeitquote von Frauen. Sechs von zehn Frauen wünschen sich zudem, in der Sprache sichtbarer zu werden - etwa durch geschlechtergerechte Sprache.