Herne/Bochum. Start-up Antric will auf wachsendem Markt für Lastenräder mitmischen. Dafür brauchen sie Geld. So fanden die Bochumer ihren Investor.
Lastenräder sind im Kommen. Die umgebauten Fahrräder erschienen einem Team von Bochumer Studierenden aber nicht robust genug. Sie entwickelten einen kleinen Lkw mit Pedalen, der auf dem Radweg fahren kann. Aus dem Forschungsprojekt ist das Start-up Antric geworden, das über das Netzwerk Venture Capital Ruhr (VC Ruhr) potente Investoren für die Expansion fand.
In der Fertigungshalle am Bahndamm in Wanne-Eickel riecht er noch nach frischer Farbe. Antric ist gerade erst von Bochum hierher umgezogen. Das Start-up entwickelt und produziert jetzt auf dem Betriebsgelände seines neuen Mutterkonzerns. Cenntro Automotive Europe baut elektrische Nutzfahrzeuge für unterschiedliche Branchen in Europa, Afrika und im Mittleren Osten. Auf dem Hof steht gerade ein neuer Wagen für das Essener Start-up Pottsalat.
Netzwerk VC Ruhr bringt Start-ups und Mittelstand zusammen
Der international tätige Autobauer und das kleine Start-up Antric hätten wahrscheinlich nie zueinander gefunden, wenn es VC Ruhr nicht gäbe. Die Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet, die Volksbank Sprockhövel und die landeseigene NRW-Bank hatten sich bereits im Jahr 2019 dazu entschlossen, eine Plattform zu gründen, die Start-ups und etablierte Mittelständler aus der Region zusammenbringt. Corona verdonnerte das Projekt zu zwei Jahren Zwangspause. Doch inzwischen hat VC Ruhr einigen namhaften Jungunternehmen zum Durchbruch verholfen.
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„Mittelständler suchen Innovationen, und Start-ups brauchen Geld“, bringt Michael Vogelsang die Interessenlage beider Seiten auf den Punkt. Im Hauptberuf Vorstand der Volksbank Sprockhövel, im Ehrenamt Vizepräsident der IHK Mittleres Ruhrgebiet brachte Vogelsang die Partner von VC Ruhr zusammen. „Unser Fokus liegt auf Finanzierung, Kooperation und Weitergabe von Wissen“, sagt der Manager. Zweimal im Jahr haben nun Start-ups aus Bochum, Herne, Witten, Hattingen und Umgebung die Chance, ihre Geschäftsideen und Innovationen bei einem Pitch interessierten Mittelständlern vorzustellen. „Das ist das Höhle-der-Löwen-Prinzip“, lacht IHK-Vizepräsident Vogelsang und zieht Parallelen zu der erfolgreichen Show beim Privatsender Vox.
Bochumer Start-up Thinking: Brücke aus dem 3D-Drucker
Zu den Start-ups, die VC Ruhr auf die Bühne gebeten hat, gehörte auch Thinking – Additive Technology. Die junge Firma hat sich auf den 3D-Druck von Komponenten aus Metall und Kunststoff spezialisiert. Demnächst will das Start-up eine Brücke für das Ruhrgebiet ausliefern. Auf Messen sind die Bochumer bereits eine feste Größe. Für eine internationale Hotel- und Gastronomie-Messe druckten sie eine überdimensionale Coca-Cola-Flasche.
„Die Nachfrage ist sehr groß. Die Entwicklung eines Kunststoff-3D-Druckers wird aber sehr schnell sehr teuer“, sagt Mitgründer Fabian Sattelberger. Zumal die Absolventen der Ruhr-Universität das Gerät selbst entwickelt haben. Über das Netzwerk VC Ruhr hat Thinking Additive dann schließlich einen Investor gefunden. „Unsere Technik kann sein Produkt verbessern“, beschreibt Sattelberger die Win-Win-Situation. „VC Ruhr hat sich für uns super gelohnt“, meint der Mitgründer. Zumal das junge Unternehmen während der Corona-Pandemie eine Zwangspause hatte einlegen müssen. Der große Vorteil sei gewesen, über das Netzwerk mit Mittelständlern verbunden worden zu sein. „Wir mussten nicht mit Venture-Capital-Fonds reden“, so Sattelberger. „Alles lief sehr unbürokratisch.“
Lastenrad von Antric kostet rund 20.000 Euro
Ohne große Komplikationen lief auch die Investorensuche beim Lastenrad-Hersteller Antric. Das Unternehmen denkt an Expansion. Um die 20.000 Euro kostet ein Fahrzeug, das sie in Wanne-Eickel mit Komponenten von regionalen Herstellern montieren und ausliefern. 2015 als Projekt der Hochschule Bochum gestartet, gründeten Eric Diederich und Moritz Heibroch im Jahr 2020 Antric und verkauften zwei Jahre später die erste Kleinserie von 15 Lastenrädern. 2023 übernahm dann die Cenntro-Gruppe dann alle 100 Prozent der Geschäftsanteile. „Mittlerweile haben wir rund 100 Fahrzeuge verkauft“, sagt Diederich. Sie sind vor allem für den Paket-Dienstleister Hermes in Berlin und Hamburg unterwegs.
Die Gründer sehen ein großes Marktpotenzial. „Mit dem Lastenrad kommt man schneller durch die Fußgängerzone als mit einem Mercedes-Sprinter“, meint Diederich. Die großen Logistiker wie DHL, UPS, GLS oder Hermes achteten zudem immer mehr auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Antric sei „mit einigen großen Playern“ im Gespräch. Wie beim „normalen“ E-Bike müssen Fahrerinnen und Fahrer auf dem „EVO_1“, so der Name des aktuellen Modells in die Pedale treten, können aber auch eine Batterie dazu schalten. Wenn sie leer ist, gibt es Ersatz an Bord. Die Gründer glauben auch aus einem anderen anderen Grund an die Zukunft des Lastenrades. „Immer weniger junge Leute haben ein Führerschein“, sagt Diederich. „Den brauchen sie für das Cargobike auch nicht.“
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