Oberhausen. Heike Schumann weiß, wie schwer es ist, Karriere und Kind zu vereinen. Als Chefin will sie es besser machen – und geht einen ungewöhnlichen Weg.
Sie spürte schon früh, dass sie ein Vorbild sein kann. Dass ihr Frauen folgen werden. Und dass sie sie auf ihrem Weg begleiten will. Heike Schumann ist Mutter, lange Zeit alleinerziehend, und seit 25 Jahren selbstständig. In Oberhausen betreibt sie den Friseursalon Il Capello. Ihre Meisterschule machte die heute 55-Jährige, als ihre Tochter gerade einmal vier Jahre alt war. „Was für eine verrückte Zeit“, sagt Heike Schumann und lacht.
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Von morgens bis abends saß sie damals in der Schule, am Wochenende lernte sie für die Prüfungen. Und als sie schließlich ihren Salon eröffnet hatte, nahm sie ihre kleine Tochter auch schonmal mit zur Arbeit. „Wenn niemand auf sie aufpassen konnte, saß sie bei mir im Laden und hat Wickler sortiert.“ Heike Schumann weiß, dass der Karriereweg mit Kind nicht immer einfach ist. Ihre Mitarbeiterinnen möchte sie deshalb unterstützen, wo sie nur kann. Doch nicht selten stößt ihr kleiner Betrieb dabei an seine Grenzen.
Oberhausener Friseurmeistern: „Mir ist es wichtig, Frauen auf ihrem Weg zu unterstützen“
Ihr Friseursalon bietet eine Ausbildung in Teilzeit an, „obwohl das für Arbeitgeber kein wirklich lohnenswertes Geschäft ist“. Arbeitszeiten regelt sie zudem flexibel. So frisiert eine ihrer Teilzeitmitarbeiterinnen ihre Kunden beispielsweise montags, obwohl der Laden an diesem Tag eigentlich geschlossen ist. „Denn so passt es mit der Kinderbetreuung am besten für sie“, sagt Schumann.
„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Mehr als 7000 Menschen aus dem Ruhrgebiet haben an der nicht-repräsentativen Umfrage teilgenommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt mit der Schulnote „Zwei minus“. Besser schneiden die Arbeitgeber selbst ab: Ihre Familienfreundlichkeit wird durchschnittlich mit einer glatten Zwei benotet. Auffällig ist dabei allerdings, dass die Arbeitgeber anscheinend zu selten eine spontane Kinderbetreuung (Schulnote 2,9) oder Home-Office (Schulnote 3,6) ermöglichen. Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern im Alltag? Und wie muss sich die Arbeitswelt verändern? Weitere Texte unseres Schwerpunkts lesen Sie hier:
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Eine andere Mitarbeiterin verdient sich gerade im zweiten Jahr ihrer Elternzeit als Minijobberin bei Heike Schumann etwas dazu. Und wenn die Kita mal wieder in der Notbetreuung ist, dürfen die Beschäftigten die Kleinen mit in den Salon nehmen, irgendwer sei schließlich immer da, der mit ihnen Sperenzchen macht. Schumann: „Als Arbeitgeberin ist es mir wichtig, flexibel und pragmatisch zu bleiben und die Frauen auf ihrem Weg zu unterstützen.“
Oberhausener Unternehmerin: „Wenn es um Kinderbetreung geht, stecken Friseurinnen oft zurück“
Doch das ist nicht einfach. Im Friseurberuf arbeiten überwiegend Frauen , für Gehälter knapp über dem Niedriglohnsektor. So verdient ein Friseur laut dem Jobportal Stepstone durchschnittlich 29.400 Euro brutto im Jahr. Wenn es also um Kinderbetreuung geht, steckten Friseurinnen häufiger zurück als ihre meist besser verdienenden Partner, sagt Schumann. Damit fehlten Unternehmerinnen wie ihr schnell mal die Arbeitskräfte.
Schumann erinnert sich an eine junge Frau, die bei ihr die Teilzeitausbildung absolvierte. „Ihre Kinder waren oft krank und die Mitarbeiterin nur die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Einsatz. In dieser Zeit habe ich versucht, sie auf ihre Abschlussprüfung vorzubereiten. Eine Hilfe für meinen Laden war das letztlich nicht.“ Einem kleinen, personenbezogenen Betrieb wie ihrem fehle dann schlicht die Planungssicherheit. Deshalb entscheidet sie künftig erst nach Absprache, ob sie eine Teilzeitauszubildende annimmt.
Friseurpraktikum in Teilzeit: „Schwierig, Kind und Job unter einen Hut zu bekommen“
Aleksandra (38) macht gerade ein Teilzeitpraktikum im Salon Il Capello. Die zweifache Mutter, die ihren Nachnamen nicht öffentlich lesen möchte, träumt davon, endlich auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und Friseurin zu werden. Morgens packt sie im Salon mit an, nachmittags betreut sie ihre Kinder.
Aleksandra ist 2012 mit ihrer Familie von Serbien nach Deutschland gekommen. Lange Zeit war sie Hausfrau. Dabei wollte sie schon immer mit Menschen arbeiten. „Anfangs hatte ich Sorge, wie ich Familie und Job unter einen Hut bekommen kann“, erzählt sie. „Umso schöner ist es, dass ich jetzt von einer Frau lernen kann, die selbst Mutter ist. Dafür bin ich sehr dankbar und spüre, dass ich das hier jetzt durchziehen will.“
Für Heike Schumann ist das eine „Win-Win-Situation“. Sie freut sich, dass sie der neuen Mitarbeiterin ihren langjährigen Erfahrungsschatz weitergeben kann und zudem eine zuverlässige Arbeitskraft hat, die für den Friseurberuf brennt. Schließlich sei es in diesen Zeiten gar nicht so einfach, Menschen wie Aleksandra zu finden. In diesem Jahr fangen bei Heike Schumann zum ersten Mal keine neuen Auszubildenden an. „In unserem Beruf spüren wir den Fachkräftemangel deutlich“, sagt sie. Umso wichtiger sei es, neue Wege zu gehen und familienfreundliche Angebote zu machen.
Denn ihr oberstes Ziel ist es, ihre Mitarbeiterinnen langfristig im Il Capello zu halten. Mit einigen arbeitet Schumann schon seit Jahrzehnten zusammen. „Sie haben mit 18 ihre Ausbildung begonnen und sind jetzt selbst Eltern.“ Auch Schumanns Tochter, die mittlerweile längst auf eigenen Beinen steht, schaut ab und zu im Salon vorbei, um ihrer Mutter zu helfen. „Wenn Not am Mann ist, ist sie da“, sagt Heike Schumann. Genau, wie sie es seit Jahren für ihre Mitarbeiterinnen ist.
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