Essen. Im Dezember haben die Haushalte deutlich mehr geheizt. Laut Ista-Umfrage ist den Mietern das aber nicht bewusst. Streit bei Vonovia.

Mit Nachzahlungen für das Jahr 2022, als die Energiepreise explodierten, hatten sie ja gerechnet. Forderungen von bis zu 4000 Euro brachten Vonovia-Mieter in Bottrop-Welheim im vergangenen Frühjahr aber auf die Palme. Nach viel Protest verzichtete der Bochumer Dax-Konzern – aus Kulanz – auf einen Großteil des Geldes. Jetzt hat ein Gericht eine Klage gegen die Abrechnungspraxis bei Vonovia zurückgewiesen.

Die Emotionen kochen hoch, als die rund 140 Parteien in der Gartenstadt Bottrop-Welheim im März vergangenen Jahres die Nebenkostenabrechnungen erhalten. Deutlich vierstellige Summen sollen die Mieterinnen und Mieter nachzahlen – allein fürs Heizen. Vonovia verweist zunächst auf den Dienstleister Techem Solutions, der die Wärmeversorgung in der idyllischen Bottroper Siedlung sicherstellt und auch für die Abrechnung verantwortlich ist. Der Bochumer Konzern treibt die Zahlungen nur ein.

Vonovia erlässt Mietern in Bottrop Nachzahlung aus Kulanz

Nach viel Protest ringt sich Vonovia dann im Juli durch, den Großteil der Nachforderungen – gut 250.000 Euro - für die Heizung selbst zu übernehmen. Offenbar hat es Fehler bei der Abrechnung gegeben. Von Kulanz ist die Rede. Eine Sprecherin erklärt seinerzeit: „Mit Blick auf die auch im Abrechnungsjahr 2022/2023 weiter gestiegenen Energiepreise werden wir keine Zusagen zu gleichwertigen Kostenübernahmen tätigen.“

Doch genau diese Forderungen werden nun laut. „Verzichten Sie sofort auf die unsozialen, nicht vollständig belegten und wahrscheinlich von tatsächlichen Brennstoffkosten der Versorger abgekoppelten Heizkostennachforderungen und -erhöhungen in den Gebieten mit gewerblicher Wärmelieferung, namentlich Bottrop-Welheim, Berlin-Tempelhof, Berlin-Wedding, Berlin-Schöneberg, Berlin-Wannsee, Berlin-Mariendorf und Stuttgart“, heißt es in einem offenen Brief des Mieterbündnisses „VoNO!via & Co“ an Vonovia-Chef Rolf Buch. Zu den Sprechern des Bündnisses gehört auch der Wittener Mieterschützer Knut Unger.

Amtsgericht weist Klage gegen Vonovia zurück

Dabei hat der Konzern mit seinen rund 490.000 Wohnungen in Deutschland gerade erst einen Etappensieg erzielt. Das Amtsgericht Bottrop weist in seinem Urteil vom 10. Januar 2024 die Klage eines Mieters zurück. „Bei dem Energieleistungsvertrag der Beklagten mit der Firma Techem handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter“, heißt es in der Begründung. Der Mieter müsse zudem nicht ausdrücklich zustimmen, dass Vonovia mit Techem einen Dienstleistungsvertrag schließt. Auch sieht das Bottroper Amtsgericht keinen Grund, die Kalkulation von Techem anzuzweifeln.

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Mieterschützer werfen Vonovia dagegen seit Jahren Intransparenz bei der Berechnung von Nebenkosten vor. Das Unternehmen weist das ebenso lange entschieden zurück und sieht sich durch das aktuelle Urteil aus Bottrop bestätigt. „Die Abrechnungen entsprechen allen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen“, unterstreicht Sprecherin Nina Henckel. Das Amtsgericht sei der Auffassung, dass Vonovia Umlageschlüssel, Heizkostenvorschuss und Berechnungsformel richtig angewandt habe.

Absenkung der Nachttemperatur spart Heizkosten

Der Dax-Konzern verweist darauf, dass er auf die Entwicklung der Energiepreise keinen Einfluss habe und Nachforderungen lediglich über die Nebenkostenabrechnung im Auftrag der Versorger von den Mieterkonten abbuche. Wie auch andere große Vermieter hat Vonovia nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 und der daraus resultierenden Gaspreis-Explosion von sich aus die monatlichen Heizungsabschläge erhöht oder den Mieterinnen und Mietern zu diesem Schritt geraten.

Um die erwarteten hohen Nachzahlungen abzumildern, senkte Vonovia überdies die Nachttemperatur in den Wohnungen zwischen 23 und 6 Uhr ab. Dadurch konnte in den konzerneigenen Siedlungen dem Vernehmen nach erheblich gespart werden. Gut die Hälfte der Vonovia-Häuser werden mit Gaszentralheizungen beheizt. Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale lassen sich durch die Nachtabsenkung fünf bis zwölf Prozent der Heizkosten einsparen.

LEG: Es gibt Gutschriften und Nachforderungen

Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen war auf dem Höhepunkt der Gaskrise im Frühjahr 2022 davon ausgegangen, dass es zu Preissteigerungen fürs Heizen zwischen 70 und 200 Prozent kommen könnte. Auch vor diesem Hintergrund hat Vonovia ein Härtefallmanagement eingeführt. „Wir unterstützen alle unsere Mieterinnen und Mietern, wenn sie Schwierigkeiten mit hohen Nachzahlungen haben“, erklärt Sprecherin Henckel.

Ähnlich verfährt auch der größte nordrhein-westfälische Vermieter, die LEG. Bei den Abrechnungen für 2022 habe es Guthaben, aber auch Nachforderungen „in verschiedenen Höhen“ gegeben, zieht Sprecher Mischa Lenz Bilanz. Ohne staatliche Hilfsprogramme und Energiesparmaßnahmen wie die nächtliche Absenkung der Temperatur wären die Nebenkosten für die LEG-Mieter im Schnitt um 630 Euro gestiegen. Letztlich seien sie „spürbar geringer“ ausgefallen, so Lenz.

Ratenzahlungen bei 8600 LEG-Mietern

Die LEG ruft weiterhin dazu auf, die Abschläge für die Heizkosten proaktiv zu erhöhen. Mit rund 8600 Parteien hat das börsennotierte Düsseldorfer Unternehmen Ratenzahlungen für Mieten oder Betriebskosten vereinbart. Das entspreche fünf Prozent der Mieterschaft.

Auch wenn die Gaspreise zuletzt gesunken sind, müssen sich Mieter auch für kommende Abrechnungen auf hohe Nachzahlungen einstellen. Die Gründe: Die Gaspreisbremse der Bundesregierung ist zum Jahresbeginn ausgelaufen und die CO2-Abgabe steigt schrittweise Jahr für Jahr. Zugleich wird wegen des Wintereinbruchs im Dezember und Januar wieder mehr geheizt. Der Essener Energiedienstleister Ista ermittelte für die aktuelle Saison von September bis Dezember 2023 einen witterungsbedingten Anstieg des Verbrauchs an Heizenergie um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Bewusstsein der Menschen scheint der Mehrverbrauch aber noch nicht angekommen zu sein. In einer Umfrage im Auftrag von Ista gaben mehr als 90 Prozent an, weniger oder maximal so viel im Vorjahr geheizt zu haben.

Die ISTA Zentrale am Samstag den 25. Februar 2023 in Essen. Foto:Ralf Rottmann/ Funke Foto Services
Die ISTA Zentrale am Samstag den 25. Februar 2023 in Essen. Foto:Ralf Rottmann/ Funke Foto Services © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Ista: Essen und Bochum beim Heizen sparsam

Laut Ista ist aktuell Bonn die sparsamste unter den 20 größten deutschen Städten. Hier stieg der Heizenergie-Verbrauch im Dezember um vier Prozent. Die verschwenderischste Stadt war demnach Wuppertal (+ 19 Prozent). Unter den Ruhrgebietskommunen liegen Essen (+ 8 Prozent) und Bochum (+ 9 Prozent) gut im Rennen. In Dortmund stieg der Verbrauch um elf Prozent, in Duisburg gar um 14 Prozent. Wie sich das geänderte Heizverhalten auf die Abrechnung auswirken wird, ist schwer abzuschätzen. Ista-Chef Hagen Lessing sagt nur so viel: „Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher müssen nach wie vor mit höheren Heizkosten als im Vorjahr rechnen.“