Essen. Deichmann will den Geschäftsbetrieb von MyShoes einstellen. Zahlreiche Filialen und Beschäftigte in Österreich und Deutschland sind betroffen.
Der Essener Schuhhandelsriese Deichmann will den Geschäftsbetrieb der Kette MyShoes mit 61 Filialen in Deutschland und 29 Verkaufsstellen in Österreich einstellen. Das erklärte Deichmann am Mittwochmorgen (29. November) auf Anfrage unserer Redaktion. Die Unternehmensleitung habe die Entscheidung „nach reiflicher Überprüfung“ und „mit großem Bedauern“ getroffen. Zur Begründung verwies Deichmann auf „langjährige und mittlerweile erhebliche Verluste“. Nach derzeitiger Planung werde der Betrieb von MyShoes in Deutschland und Österreich spätestens zum 31. Dezember 2024 beendet.
„Trotz jahrelanger umfangreicher Investitionen, Sortimentsanpassungen, Profilschärfungen und Optimierungsprogrammen mussten wir feststellen, dass das Geschäftsmodell als Allround-Anbieter im Mittelpreissegment leider langfristig nicht wirtschaftlich zu betreiben ist“, erklärte Deichmann.
Es ist der zweite Einschnitt bei Deichmann innerhalb kurzer Zeit. Anfang Oktober teilte das Unternehmen mit, sich von seiner Modekette Onygo zu trennen und alle bundesweit 28 Filialen sowie einen Onlineshop schließen zu wollen. Bei Onygo geht es um rund 280 Beschäftigte.
Deichmann verweist auf Corona, Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt
Der gesamte Einzelhandel befinde sich „in großen Strukturveränderungen, die sich durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, des Ukraine-Kriegs und des Nahostkonflikts, gestiegener Kosten sowie der zunehmenden Inflation und Verbraucherunsicherheit noch verstärkt haben“, berichtet Deichmann. „All diese negativen Einflussfaktoren treffen besonders Modekonzepte im mittleren Preissegment, in dem sich auch unser Tochterunternehmen MyShoes bewegt. Wir alle haben die Vielzahl an Insolvenzen mitbekommen, die auch lange etablierte und namhafte Unternehmen betreffen.“
„Die Inflation führt bei den Menschen dazu, dass sie noch preisorientierter werden“, sagte Firmenchef Heinrich Deichmann unlängst im OMR-Podcast. „Davon profitieren wir in gewissem Umfang.“ Viele Handelsunternehmen sind in den vergangenen Monaten arg unter Druck geraten und mussten Insolvenz anmelden – große Namen wie Görtz, Reno, Salamander und Klauser bei den Schuhhändlern. Hinzu kommen im Textilhandelsbereich Marken wie Galeria, Gerry Weber, Esprit und P&C. „Das war fast immer im mittleren Preisbereich“, so Heinrich Deichmann. „Was der Mode-Einzelhandel in den letzten Jahren erlebt hat, das hat es seit dem Krieg so nicht gegeben.“
Bei MyShoes in Deutschland rund 600 und in Österreich 150 Mitarbeitende betroffen
Mit Blick auf die eigene Kette MyShoes, die nun ihren Betrieb einstellen soll, erklärte das Unternehmen Deichmann, es strebe „auch weiterhin einen fairen Umgang mit allen Mitarbeitenden und Partnern“ an. „Leider lässt sich der Abbau von Stellen hierbei jedoch nicht vermeiden.“ Insgesamt seien bei MyShoes in Deutschland rund 600 und in Österreich 150 Mitarbeitende betroffen. „Wir wissen um unsere soziale Verantwortung und sind der festen Überzeugung, auch in dieser schwierigen Situation eine faire, sozialverträgliche Lösung für alle Mitarbeitenden zu finden“, so Deichmann. Mit dem Betriebsrat strebe das Unternehmen zeitnah Gespräche bezüglich einer konkreten Ausgestaltung an. „Auch in die Verhandlungen mit den Vermietern werden wir zeitnah einsteigen, um die konkreten Schließungszeitpunkte der einzelnen Verkaufsstellen zu definieren.“
Im Sinne der Gesamtbelegschaft sei es die „unternehmerische Verpflichtung, im Zweifelsfall auch defizitäre Geschäftsmodelle einzustellen“, betonte Deichmann, um die „Kräfte vielmehr auf ökonomisch tragfähige Geschäftsfelder fokussieren zu können“.
Im vergangenen Jahr konnte Deichmann zulegen
Trotz der Krise konnte der Deichmann-Konzern im vergangenen Jahr insgesamt zulegen. Mit mehr als acht Milliarden Euro erzielte das Essener Familienunternehmen eigenen Angaben zufolge einen Umsatzrekord. Zum Vergleich: In dem letzten nicht von Corona betroffenen Geschäftsjahr 2019 hatte der bis dahin höchste Umsatz bei 6,4 Milliarden Euro gelegen. Rund 178 Millionen Paar Schuhe verkaufte Deichmann nach eigenen Angaben in den Filialen und über Online-Shops im vergangenen Jahr, davon etwa 69 Millionen Paar Schuhe in Deutschland.
Knapp 50.000 Menschen beschäftigt die Firmengruppe Deichmann weltweit – in rund 4600 Filialen und mehr als 40 Online-Shops in 31 Ländern. Am Unternehmenssitz in Essen zeigte sich Heinrich Deichmann vor wenigen Tagen bei der Grundsteinlegung für eine Erweiterung des Firmen-Quartiers.
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