Berlin. Die Führungsposition aufteilen? Co-Leadership soll bei vielen Problemen helfen. Zwei Profis erzählen, wie das Modell funktioniert.
Druck, Zeitstress, schwere Entscheidungen – all das kann eine Führungsposition mit sich bringen. Ein anstrengendes Umfeld in einer Arbeitswelt, in der die Work-Life-Balance an Bedeutung gewinnt und der Fachkräftemangel eine stetige Herausforderung ist. Warum nicht einfach den Job teilen? Co-Leadership nennt sich das Modell. Janina Schönitz und Stefanie Junghans haben seit Jahren Erfahrung damit. Sie erklären, wie es bei ihnen funktioniert.
„Generell kann jeder Job geteilt werden“, erklärt Schönitz. Sie ist Abteilungsleiterin bei der Deutschen Bahn, verantwortlich für Strategie und Reporting im Bereich Nachhaltigkeit und Umwelt. Seit drei Jahren arbeitet sie in geteilten Führungspositionen. Damit einher gehen gemeinsame Verantwortung, Aufgaben und Ziele, sagt Stefanie Junghans, Head of Talent im Personalbereich beim Portfolioinvestor Haniel.
Co-Leadership heißt nicht automatisch fünfzig / fünfzig
Wie die Führungsrolle gestaltet wird, sei sehr individuell. Wichtig sei vor allem die Frage nach der Zeit- und Aufgabenverteilung, erklären die Co-Leadership-Expertinnen. Denn wenn sich zwei Personen die Verantwortung teilten, dann heiße dies nicht automatisch, dass beide Parteien nur 50 Prozent der Stunden machen. Es sei genauso möglich, dass beide hundert Prozent arbeiten, erklärt Junghans.
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Ähnlich ist es bei der Organisation der Aufgaben. Für welches System sich entschieden wird, kommt ganz auf die Branche an. Junghans und ihre Tandem-Partnerin teilen sich Zuständigkeiten vor allem nach Inhalten auf. Ihr Team weiß, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Dreimal pro Woche setzen sich die beiden zusammen und bringen einander auf den neusten Stand.
Eine andere Option wäre es, eine sogenannte Persona zu kreieren, hinter der die beiden Tandem-Mitglieder alle Aufgaben gemeinsam erledigen, sagt Junghans. MiJa – so heißt die Persona, die die Abteilung Strategie und Reporting für Nachhaltigkeit und Umwelt bei der Deutschen Bahn leitet. Dahinter stecken Janina Schönitz und ihre Co-Leadership-Partnerin Miriam Kotte. Nach außen hin agieren die beiden als eine Person. „MiJa leitet die Abteilung bei uns, hat eine eigene E-Mail-Adresse und führt einen eigenen Kalender“, erklärt Schönitz. „Wer von uns beiden was im Hintergrund macht, das entscheiden wir unter uns“, sagt sie.
Flexible Arbeitsmodelle gegen den Fachkräftemangel
Das Konzept des Job-Sharings an sich ist nicht neu. Der Ursprung des Modells liegt in den 1980ern. Um diese Zeit wurde im US-amerikanischen Raum der Wunsch nach Teilzeitarbeit lauter, erklären Junghans und Schönitz in ihrem Buch, das sie zum Co-Leadership geschrieben haben. Neuer hingegen sei die Idee, eine Führungsposition zu teilen.
Co-Leadership mache Unternehmen attraktiver auf dem Arbeitsmarkt: Davon sind die beiden Autorinnen überzeugt. „Wir haben einen Mangel an Arbeitnehmenden und deshalb müssen wir die Arbeitsmodelle so flexibel wie möglich gestalten“, so Schönitz. Gleichzeitig verbessere Job-Sharing die Work-Life-Balance, und Menschen könnten so länger arbeiten, fügt sie hinzu.
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Für Schönitz selbst bedeutet Co-Leadership vor allem, zeitlich flexibel zu sein. Sie findet in ihrer Rolle mehr Zeit für Selbstverwirklichung – sie hat sich als Beraterin für neue Arbeitsmodelle ausbilden lassen – und ihre zwei Söhne. Ähnlich geht es Junghans. Für sie ist die Vereinbarkeit von privaten Bedürfnissen und Job wichtig – also Zeit für aufwendige Hobbys oder freiwilliges Engagement. „Besonders, wenn man aus der Elternzeit zurückkommt, kann mit diesem Modell eine Führungsposition interessanter werden“, ergänzt sie.
Höhere Resilienz durch die Verteilung von Verantwortung
Zusätzlich bringe die Doppelspitze den Unternehmen selbst Vorteile. „Wir stärken uns gegenseitig bei Themen und können einander Feedback geben“, erläutert Schönitz. Auch der Druck, der alleine auf einer Führungsposition laste, werde auf zwei Schultern aufgeteilt. „Ich bin überzeugt, dass wir unsere Arbeit so besser machen“, sagt sie. Zu zweit sei man außerdem resilienter, könne sich bei Krankheit vertreten und bringe zwei Netzwerke mit in die Position.
Bis diese Vorteile zum Tragen kommen, müssen einige Hürden überwunden werden. Gibt es genug Stellen für zwei Personen? Wie werden die Abrechnungen geregelt? Wie gestaltet man die IT-Infrastruktur? All diese Fragen müssten in Unternehmen zunächst geklärt werden, bevor das Konzept etabliert werden könne, so die Expertinnen.
Leadership-Tandem: Werte und Haltung müssen übereinstimmen
Gleichzeitig müssen sich zwei passende Menschen für ein Tandem finden. „Die Werte und die Haltung müssen übereinstimmen“, sagt Schönitz. „So etwas merkt man aber schnell, zum Beispiel an der Frage ‚Siezen oder Duzen wir?‘.“ Aber was ist, wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Person mehr akzeptieren als die andere? In dem Fall sei Transparenz wichtig und eine offene Kommunikation, so Junghans.
Wenn man sich gefunden hat, sollten die Bewerbungsgespräche zusammen stattfinden. Assessment-Center sollten jedoch getrennt absolviert werden. „Damit die Arbeitgeber sehen, dass beide die Rolle auch jeweils alleine erfüllen können“, sagt Schönitz. Denn auch wenn ein Tandem zunächst gut klappt, heißt das nicht, dass eine der Partnerinnen langfristig nicht doch einen anderen Weg gehen möchte.
Nicht mehr in einer Co-Leadership-Rolle zu arbeiten, können sich die beiden Expertinnen aber aktuell nicht vorstellen. „Ich wüsste nicht, warum ich anders arbeiten sollte“, sagt Junghans. „So zu arbeiten, macht mir unglaublich viel Spaß.“
„Co-Leadership: Jobsharing als Antwort auf eine veränderte Arbeitswelt“ – das Buch von Stefanie Junghans und Janina Schönitz erschien im September 2023 im Vahlen Verlag.