Berlin. Hohe Zinsen und Baukosten: Deutschlands größter Immobilienkonzern wartet beim Neubau. Doch die Kritik am Handeln von CEO Buch ist groß.
Die Wohnungswirtschaft steckt in einer tiefen Krise – und der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands größtem Immobilienkonzern befürchtet, dass diese noch viel dramatischer werden wird. „Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade“, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch unserer Redaktion.
Bereits Anfang des Jahres hatte Vonovia alle für 2023 vorgesehenen Neubauprojekte gestoppt. Daran hat sich nichts geändert: „Wir machen alles fertig bis zum Baurecht. Und hoffen, dass sich Bauen bald wieder lohnt und rechnet. Dann wollen wir sofort wieder bauen“, sagte Buch. Das hieße aber nicht, dass Vonovia derzeit gar nicht mehr baue. „Alles, was schon in Arbeit war, wird auch fertiggestellt“, so der Vonovia-CEO.
Das sind die Gründe, warum Bauen so teuer ist
Zehnmal hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins seit Juli 2022 erhöht. Mit der Folge, dass insbesondere die Baukosten gestiegen sind. Zudem sind im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine viele Rohstoffe knapp geworden. „Früher bekamen wir unseren Stahl aus dem Stahlwerk in Mariupol in der Ukraine, das es leider nicht mehr gibt. Wir müssen also den Stahl viel teurer einkaufen. Das hat dazu geführt, dass die Baukosten von 3000 Euro pro Quadratmeter auf 5000 gestiegen sind“, sagte Buch. Die hohen Bau- und Finanzierungskosten würden derzeit zu einer Miete von 20 Euro pro Quadratmeter im Neubau führen.
Nach Einschätzung von Buch fehlen in Deutschland derzeit mehr als eine Million Wohnungen. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW), hatte der „Bild“-Zeitung gesagt, dass bis 2025 bis zu eine Million Wohnungen fehlen könnten. „Meine Schätzung ist, wir brauchen 700.000 Wohnungen im Jahr, auch wegen der zunehmenden Zuwanderung“, sagte Buch darauf. „Die Politik wirbt gerade richtigerweise aktiv um Fachkräfte – aber die müssen ja auch irgendwo wohnen. Dann sind das noch mal 200.000 Wohnungen on top – jedes Jahr. Das Problem sind also nicht eine Million Wohnungen, sondern mehrere Millionen Wohnungen, die fehlen – in sehr kurzer Zeit.“ Derzeit würden aber jährlich nur rund 200.000 Wohnungen gebaut. Viele mittelständische Bauunternehmen, die jetzt keine Aufträge bekommen, seien in ihrer Existenz bedroht, so der Vonovia-Chef.
Vonovia-Chef fordert Absenkung der Mehrwertsteuer
Wie schlecht es derzeit um die Immobilienwirtschaft steht, weiß auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Am Rande einer Baustellenbesichtigung, die sie am Dienstag gemeinsam mit Buch absolvierte, sagte Geywitz, dass die Immobilienwirtschaft wie eine Melkkuh tot auf der Wiese liegen würde. Um Mieter zu entlasten, hatte die SPD-Spitze Ende August in einem Beschlusspapier einen bundesweiten Mietenstopp gefordert. „Allein die Diskussion erschwert schon neue Investitionen. Ein tatsächlicher Mietenstopp würde dazu führen, dass noch weniger gebaut wird als jetzt schon“, ist sich Buch sicher.
In Richtung Geywitz fordert Buch in ausgewählten Sektoren eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent. „Nehmen wir das Beispiel Holzbau. In Deutschland gibt es auf Brennholz eine Mehrwertsteuer von 7 anstatt 19 Prozent. Warum gibt es diesen Satz nicht auch für Bauholz?“, fragte der Vonovia-CEO. Zudem müsste Überregulierung zurückgedreht werden.
„Vieles ist überreguliert und es gibt sehr viele Normen, an die man sich halten muss“, so Buch. Als Beispiel nannte er KfW40-Häuser, in die standardmäßig Lüftungsanlagen eingebaut werden. „Reicht es nicht, wenn die Bewohner das Fenster zum Lüften öffnen?“, so der Vonovia-Chef. „Der richtige Weg ist es, diese ganzen Standards zu überprüfen. Und da, wo man vernünftigerweise, ohne Abstriche bei der Sicherheit, Normen und Regulierung abbauen kann, sollte man dies tun.“
IG Bau-Chef: Vonovia verschärft Bau-Krise in Deutschland
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt greift Vonovia-Chef Buch derweil scharf an für seine Aussage. IG BAU-Chef Robert Feiger sagte dieser Redaktion, dass Deutschlands größter Wohnungskonzern derzeit keine Neubauten baue, bedeute „eine Verschärfung der Bau-Krise“. „Vonovia macht der Nation gerade deutlich, welchen Einfluss der Konzern auf dem Wohnungsmarkt hat. Vonovia will, dass sich das Bauen „wieder rechnet und lohnt“. Im Klartext: Der Konzern will den Neubau solange auf Eis legen, bis deutlich mehr Fördergelder fließen und sich Mieten munter weiter nach oben schrauben lassen.“
„60.000 Wohnungen: Das entspricht immerhin dem kompletten Wohnungsbestand von Bottrop oder Remscheid – und einem Fünftel der bundesweiten Neubauleistung des vergangenen Jahres“, sagte Feiger. Der IG BAU-Chef wirft Buch vor, mit seiner Aussage zum Baustopp bewusst zu „kalkulieren“ und die Politik und Bauwirtschaft damit unter Druck setzen zu wollen. „Es wird höchste Zeit, dass der Bund bei Vonovia einsteigt“, forderte Feiger. Der Staat könnte damit Einfluss auf die langfristige Strategie bei Vonovia bekommen. „Außerdem wäre dies ein starkes Signal: Der Staat würde damit deutlich machen, dass er sich – nach vielen Privatisierungen – auf dem Wohnungsmarkt wieder einmischt.“