Hagen. Der Hagener Spediteur Marc Simon war nach der Brückensprengung kurz euphorisiert. Warum seine Sorgen nun größer als vor dem A45-Knall sind.
Die Euphorie bei Marc Simon war am Sonntag beinahe so schnell verflogen wie der Staub nach der Sprengung der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid. Simon ist Chef des mittelständischen Hagener Unternehmens Cosi Stahllogistik. Täglich sind Dutzende seiner Lkw, beladen mit sogenanntem Langgut (Stabstähle), auf der Fahrt von Hagen nach Süden auf den Umleitungsstrecken durch die Nachbarstadt Lüdenscheid unterwegs. Schon jetzt ist dies logistisch und personell eine extreme Herausforderung, wie der Geschäftsführende Gesellschafter des Familienunternehmens skizziert. „Mit dem Durchfahrtsverbot für Lkw ab Mitte Juni droht eine Vollkatastrophe“, fürchtet Simon und erklärt, wieso.
A45: Autobahn GmbH lässt sich bei Verträgen für Brückenbau nicht in Karten schauen
Von den Niederlanden über das Ruhrgebiet und Südwestfalen reiche eine extrem befahrene Güterachse auf der Straße über das Nadelöhr nach Süden in Richtung Bayern und Baden-Württemberg. Die Begegnungsverkehre aus Süden und Norden träfen sich täglich in den Räumen Mannheim und Würzburg. Durch den wegen der Sperrung bei Lüdenscheid entstehenden Zeitverlust „ist es in Bezug auf die Lenk- und Schichtzeiten heute bereits jeden Tag Mikado“, umschreibt Simon, auf wie wackeligen Beinen die Planung für Logistikunternehmen aus der Region steht.
Wie sehr die Wirtschaft in Hagen und dem Märkischen Kreis unter dem Brückendesaster leidet, lässt sich mittlerweile konkret an den Frühjahrs-Konjunkturdaten im Bezirk der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer ablesen, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. Einige hundert Unternehmen aus verschiedenen Branchen haben sich beteiligt und rückgemeldet, wie es aktuell um die Geschäfte steht. Im Ennepe-Ruhr-Kreis (ohne Witten und Hattingen) beurteilen 42 Prozent der Befragten ihre Geschäftslage als gut oder sogar besser als zu Jahresbeginn. In Hagen (28 Prozent im grünen Bereich) und dem Märkischen Kreis (32 Prozent) sehen deutlich weniger Betriebe die Lage positiv. Für SIHK-Präsident Ralf Stoffels ein eindeutiges Indiz, wie sehr der Kammerbezirk anderthalb Jahre nach der Sperrung der Verkehrsschlagader A 45 bei Lüdenscheid in der wirtschaftlichen Entwicklung bereits gespalten ist.
Auch Stoffels war am vergangenen Sonntag vor Ort, als die Brückensprengung für viel Aufsehen und die Anreise zahlreicher Prominenter sorgte. Unter ihnen Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der noch amtierende Chef der für Abriss, Ausschreibung und Neubau zuständigen Autobahn GmbH, Stephan Krenz und Elfriede Sauerwein-Braksiek, die Praktikerin vor Ort (Chefin Autobahn GmbH Westfalen). Dass Marc Simon das spontane Glücksgefühl beim Krachen des Asphalts in die Tiefe nach eigenem Bekunden so schnell verließ, dürfte damit zu tun haben, dass die entscheidenden Personen vieles im Unklaren lassen. „Die Autobahn GmbH lässt sich bei der Vergabe des Brückenbauauftrags bislang nicht in die Karten schauen“, kritisiert Stoffels. Immerhin so viel will er aus Wissing und Co. herausbekommen haben: Der Vertrag mit dem Unternehmen, das den Zuschlag für den Neubau erhält, werde keine Vertragsstrafen bei Verzögerungen vorsehen. Aus Sicht des Kammerchefs kein gutes Zeichen, für einen beschleunigten Neubau der Brücke. Dabei war dies im Vorfeld als ein zentrales Kriterium von Minister Wissing beschrieben worden.
Warum die SIHK den Druck auf die Politik bei der A 45 weiter hoch halten will
Mit dem symbolischen Knall und Fall der Brücke will man sich aufseiten der Wirtschaft nicht zufriedengeben. „Damit allein, dass die Brücke gesprengt wurde, ändert sich ja nichts. Wir müssen verhindern, dass sich nun alle zurücklehnen, weil es dieses sichtbare Zeichen gegeben hat“, will der SIHK-Präsident den Druck auf Politik und Behörden weiter hochhalten.
Zumal in Kürze die Situation für Transportunternehmer wie Marc Simon aller Voraussicht nach noch fragiler werden wird. Kurioserweise exakt dann, wenn es im Tal der Rahmede noch einmal sichtbar voran gegangen sein wird, droht aus Sicht des Unternehmers jene erwähnte Vollkatastrophe für die Transporte im Sauer- und Siegerland: „Sobald die Altenaer Straße frei ist, kommt das Durchfahrtsverbot für Lkw.“