Schmallenberg.. Wittgensteins ausgewilderte Wisent-Herde macht sich seit April 2013 sich in den Wäldern selbstständig - zum Unmut einiger Waldbauern aus dem benachbarten Hochsauerland. Jetzt folgte ein weiterer Höhepunkt im Streit mit dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein - vor dem Schmallenberger Amtsgericht.

Aus seiner Wut macht er keinen Hehl. „Sie sollen mit den Tieren machen, was sie wollen“, sagt Waldbauer Hermann-Josef Vogt aus Schmallenberg-Oberkirchen, „aber nicht auf meinem Grundstück. Ich möchte in Ruhe gelassen werden. Mein Wald zählt nicht zum Objektgebiet.“ Der 59-Jährige will die Wisente nicht länger an der Rinde seiner Buchen knabbern sehen.

5319 Euro Entschädigung für Vogt

Förster sprechen von Schälschäden. 5319 Euro Entschädigung hat Vogt bekommen. Doch Geld ist nicht sein Ziel. Bäume will er den nachfolgenden Generationen seiner Familie übergeben. Ergo: Die Herde soll einen Bogen um seinen Bestand machen. Per einstweiliger Verfügung hat er ein Betretungsverbot erwirkt, und der Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein, des einzigartigen Artenschutzprojektes in Europa, legte postwendend Widerspruch ein.

Wisentherde ist auf 3000 Hektar unterwegs

Die Wisentherde bewegt sich in diesem Jahr auf einer Fläche von 3000 Hektar.Vier Wisente haben ein GPS-Halsband, um den Standort der Herde zu ermitteln. Bislang sind etwa 16 000 Euro an Waldbauern für Schälschäden gezahlt worden.

Keine einvernehmliche Lösung möglich

In gut dreieinhalb Stunden, ohne Pause, versucht sie herauszufinden, wie wild die Wisente aus Wittgenstein sind und wem sie gehören. An eine einvernehmliche Lösung ist offenbar nicht zu denken. Kläger und Beklagte stehen sich unversöhnlich gegenüber. Das wird der Richterin schnell klar.

Stephan Hertel, Anwalt aus Remscheid, vertritt den Trägerverein. Unmissverständlich gibt er gleich zu Beginn zu bedenken: „Mit einem Betretungsverbot ist das Projekt tot. Alle anderen Maßnahmen werden nicht ausreichen.“ Das will Waldbauer Vogt nicht, beteuert er einmal mehr. Nein, das sei nicht sein Ansinnen. „Die Herde ist hier nur im falschen Biotop.“ Schalschäden von Wisenten in Polen und Litauen seien ihm nicht bekannt.

RechtsstreitBegegnungen mit der Wisentherde

Es herrscht dicke Luft. Zum einen, weil kein Kompromiss in Sicht ist, zum anderen, weil 32 Personen im so genannten Saal 14 eng zusammensitzen. Für den Kläger gehen Waldbauern und Jäger aus Grafschaft, Bödefeld und Oberkirchen in den Zeugenstand. Sie berichten von ihren Begegnungen mit der Wisentherde, von Tieren, die sich kraulen ließen und gerne für einen Schnappschuss aus nächster Nähe posierten.

Amtsrichterin Behle-Cordes erfährt von ihnen viel über die tonnenschweren Vierbeiner: Die Wisentherde habe kein Rückzugsverhalten, sie mindere den Jagdwert, weil sich Rotwild und Sauen angesichts der Ur-Viecher verkrümelten, sie sei mit einem Eimer voll Futter leicht zu locken und zu lenken, und „wie eine Herde Kühe“ könne sie jedermann aus dem Wald vertreiben. Dass gelegentlich Knüppel mit Schlägen aus nächster Nähe nachhelfen, verhehlt ein 53-jähriger Forstwirtschaftsmeister nicht: „Sie haben direkt vor mir gestanden. Ich habe immer auf den Augendeckel gehauen. Das habe ich so in der Ausbildung gelernt.“

Urteilsverkündung am 2. Oktober

Für die Befürworter der Auswilderung der Herde im April vergangenen Jahres, mittlerweile sind es zwölf Tiere, ist Wisent-Ranger Jochen Born als Zeuge geladen. Warum es den Wisenten in Schmallenberg so gut schmeckt, dafür hat er keine Erklärung: „Wenn wir das wüssten.“ Er weiß aber, „dass das Wisent Fraß gesteuert ist. Es hält sich da auf, wo es ihm gut schmeckt.“

Der 40-Jährige ist vom ersten Tag des Projektes dabei. Von einer Vermenschlichung seien die Tiere weit entfernt. Nein, er rufe sie nicht mit Namen und registriere ihm gegenüber viel mehr Distanz als früher. „Man kann sie nicht mit einer Hauskuh vergleichen.“ Das hat Amtsrichterin Behle-Cordes auch verstanden. Sie benötigt drei Wochen Zeit, um ein Urteil zu fällen. Die Verkündung ist am 2. Oktober.