Bad Berleburg. . Warum schälen die Wittgensteiner Wisente mit Vorliebe die Rinden von Buchen? Warum kommen die Tiere auf den Menschen zu, statt wegzulaufen? Diese und eine ganze Reihe weiterer offener Fragen zum Auswilderungsprojekt möchte die Wittgenstein-Berleburg’sche Rentkammer über den Winter erforschen.

Die Wisent-Herde um Leitkuh Araneta und Bulle Egnar, erst im April mit großem Medien-Spektakel ausgewildert, dürfte den Jahreswechsel wohl in sehr vertrauter Umgebung verbringen: Mit Futter angelockt, halten sich die Tiere seit einigen Tagen vorwiegend im oder rund ums Auswilderungsgehege bei Kühhude auf. Also „verstetigt auf dieser Seite des Rothaarkamms“, betont Johannes Röhl, Forstdirektor der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer.

Ein Ziel der Aktion: herauszufinden, warum den Tieren in der letzten Zeit vor allem Buchenrinde so gut schmeckt. Das liegt auch im Interesse von Hans von der Goltz, Leiter des Regionalforstamtes Oberes Sauerland in Schmallenberg, und privaten Waldbauern im benachbarten Hochsauerland.

Zusatzfutter und Blutproben

Koordinierungsgruppe berät im Februar

Nach Informationen unserer Zeitung ist für Februar 2014 ein Treffen jener Experten-Gruppe angesetzt, die das Auswilderungsprojekt koordiniert.

Dabei dürften dann auch die Ergebnisse eines internen Gesprächs der Waldbesitzer aus Wittgenstein und dem Hochsauerland und erste Erkenntnisse der erwähnten Ursachenforschung Thema sein.
Gemäß einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Freisetzung der Wisente im Rothaargebirge, dessen Regeln auch die Nachbarkreise Hochsauerland und Olpe unterstützen, kann die Koordinierungsgruppe das Projekt in dieser ersten Phase jederzeit abbrechen – wenn etwa aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Weiterführung nicht vertretbar sein sollte.

Gespräche über das Problem seien bislang „nicht sehr zielführend“ gewesen, bedauert der Forstamtsleiter. Umso wichtiger sei es, dass die Verantwortlichen in Bad Berleburg die Ursachenforschung für das Phänomen „jetzt mit Energie nach vorn bringen“, fordert von der Goltz im Gespräch mit unserer Zeitung. Bekanntlich hatten die Wisente auch in den Wäldern bei Oberkirchen an einigen Bäumen geknabbert, deren Rinden geschält. Solchen Schäden dürften künftig nicht mehr entstehen. Geklärt werden müsse auch, so von der Goltz weiter, warum der Aktionsradius der Herde größer sei als ursprünglich vermutet – und warum die Tiere ganz offensichtlich nicht vor Menschen weglaufen, sondern eher auf sie zugehen.

Überregional ein positives Echo

„Wir haben die Tiere jetzt wieder in der Fütterung“, bestätigt Forstdirektor Röhl. Allerdings hat sich der Speiseplan für die Herde des Artenschutz-Projektes geändert: Neben Heu sind für die Tiere nun Mineral-Lecksteine ausgelegt. Mit diesen Futterzusätzen, die auch in der Rinderhaltung verwendet werden und anhand von Blutproben wollen Röhl und sein Team überprüfen, ob es bei den Tieren womöglich „Mangel-Erscheinungen“ gibt. Ob ihnen zum Beispiel das Spurenelement Selen fehlt, wie das oft bei Rindern der Fall ist. Oder Kobalt und Mangan wie nicht selten beim Rotwild. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagt der Forstdirektor. Literatur-Studien, aber auch Gespräche mit Experten anderer Wisent-Gehege gehören laut Röhl dazu.

Und die entstandenen Schäden? Sie belaufen sich nach Angaben Röhls bei verschiedenen Waldbesitzern aus dem HSK bislang auf rund 6000 Euro. Allerdings hätten noch nicht alle betroffenen Waldbauern ein Schadensgutachten vorgelegt.

Eine konkrete Perspektive, eine Vision für das Artenschutz-Projekt sei in den jüngsten Gesprächen leider nicht deutlich geworden, bedauert unterdessen Forstamtsleiter von der Goltz. Gleichwohl werde man den Versuch auch von HSK-Seite weiterhin unterstützen.

Wisente sind nur von Vorteil für den Tourismus in Wittgenstein

„Ziemlich politisiert worden“ ist aus Sicht Röhls die Diskussion um Tempolimits auf 30 km/h im Wisent-Sektor. Dabei stehe aber immer die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer im Vordergrund – auf der K 39 nach Kühhude etwa die der Spaziergänger und Radfahrer und auf der K 42 die der Autofahrer. In Frage komme Tempo 30 im Übrigen nur dort, wo es bereits allgemein Wildunfälle gegeben habe – zum Beispiel zwischen der Wisent-Wildnis bei Wingeshausen hinauf nach Jagdhaus.

Generell, so Röhls Fazit, habe das Ereignis „Wisente im Rothaargebirge“ überregional ein deutlich positives Echo gefunden. Für Wittgenstein und sein Image im Tourismus könne das nur von Vorteil sein.