Wisentherde sucht in Wittgenstein das Weite in freier Wildbahn
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Bad Berleburg. . Erstmals seit 1746 sind in Deutschland wieder Wisente in freier Wildbahn. Eine Herde mit acht Tieren streift jetzt durch die Wittgensteiner Wälder. Begleitet wird die Freilassung aus dem Eingewöhnungsgehege in Bad Berleburg-Kühhude von einem großen Medienaufgebot. Der Aufenthalt der Kolosse ist immer bekannt. Drei Wisente haben einen Peilsender.
Das Jagdmagazin „Pirsch“ hat einen Vertreter geschickt, auch das Fachorgan „Schweizer Jäger“ fehlt im 70-köpfigen Pulk der Journalisten aus ganz Europa nicht. Fängt ihre Suche nach außergewöhnlichen Jagdtrophäen bei der Pressekonferenz im Schloss in Bad Berleburg an?
Müssen sich Freunde und Förderer der Freisetzung und Wiederansiedlung der Wisente im Rothaargebirge um die Kolosse sorgen?
Einzigartiges Vorhaben in Europa
Johannes Röhl, Forstdirektor der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer, entkräftet mögliche Ansinnen: „Das entbehrt jeder Grundlage. Die Freisetzung ist kein Testosteron-Projekt für Leute, die sich ein Wisent-Fell vor den Kamin legen wollen. Das sind lächerliche Vorwürfe.“ Mehr als zehn Jahre haben sich die Verantwortlichen Vorbehalte und Vorurteile gegen das in Europa einzigartige Vorhaben angehört und am Ende widerlegt.
Paul Breuer, Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein, fällt der Widerstand der Fachabteilung im Bundesumweltministerium ein: „Sie konnten sich das nicht vorstellen und haben zunächst eine Finanzierung abgelehnt.“ Nein, weise und vorausschauend sei die Haltung in der Ministerialbürokratie nicht immer gewesen. Dass am Tag der Verwirklichung alle für das Projekt waren und sind, stört ihn nicht weiter: „Ich habe immer an die Verwirklichung geglaubt. Daraus habe ich meine Triebkraft gezogen.“
Historischer Moment im Gehege bei Bad Berleburg
Wisent Wildnis Wittgenstein
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Nicht nur Breuer genießt um 12.12 Uhr den historischen Moment im Eingewöhnungsgehege bei Bad Berleburg-Kühhude. Mit knallroten Bolzenschneidern werden sechs Drähte durchtrennt. Ein symbolischer Akt. Aus der Vision, Wisente in freier Natur im Wittgensteiner Land anzusiedeln, wird Wirklichkeit. Bernd Fuhrmann, Bürgermeister Bad Berleburgs und Vorsitzender des Projekt-Trägervereins, strahlt: „Ein genialer Tag. Jetzt geht es erst richtig los.“
Wisente sind König der Wälder im waldreichsten Kreis der Republik
Bernd Fuhrmann schwärmt vom König der Wälder im waldreichsten Kreis der Republik. „Mit ihm muss es uns gelingen, Artenschutz und Tourismus nachhaltig zu verbinden.“ Dass sich im benachbarten Hochsauerlandkreis die Ablehnung gegen die Wisente in Luft aufgelöst hat, freut ihn: „Uns ist es gelungen, die Skeptiker zu überzeugen und mitzunehmen.“ Und in der Euphorie der Ereignisse, „wann war in Bad Berleburg das Medienaufgebot so groß, um ein Artenschutzprojekt zu bestaunen?“, zieht er Vergleiche zwischen Wisenten und Wittgensteinern: „Sie sind wie wir: Sie sind gelassen und ruhen kraftvoll in sich.“
Die Herde selbst hat keinen Schimmer von dem, was die Menschen an diesem verregneten Vormittag im Wald umtreibt. Elf Kleinbusse, voll besetzt mit Kameraleuten und Fotografen, versuchen aus der Distanz, bewegte Bilder zu bekommen. Pustekuchen. Die Tiere sehen die Kolonne auf dem Forstweg, schauen kurz und suchen das Weite. Wer geglaubt hatte, die Wisente warten hinter dem Zaun mit scharrenden Hufen und schnaubenden Nüstern darauf, endlich Leine zu ziehen, wird enttäuscht.
Standort der Wisentherde ist immer bekannt
Verschwunden für immer sind die Tiere nach ihrem wenig spektakulären Abgang nicht. Zwei Kühe und ein Bulle sind mit Telemetriebändern ausgestattet. Ihr Standort ist also immer bekannt. Die Kühe haben den Sender, weil in der Herde das Matriarchat gilt, die Leitkuh sagt, wo es lang geht, und der Bulle, weil er gelegentlich eigene Weg geht und gerne erst wieder zur Brunft zur Herde zurückkehrt. „Fast wie im richtigen Leben “, sagt Agrarwissenschaftler Jörg Tillmann, der die Auswilderung wissenschaftlich begleitet, und lacht. Und was meint seine Durchlaucht Prinz Richard zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg: „Ich freue mich.“
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