Berghausen. Ende Februar läuft das Insolvenzgeld beim Automobilzulieferer aus. Aber die Mitarbeiter können optimistisch sein.

Ende Februar läuft das Insolvenzgeld für die Mitarbeitenden aus. Deswegen muss eine Entscheidung über die wirtschaftliche Zukunft des Wittgensteiner Automobilzulieferers SCS Deutschland GmbH & Co. KG fallen. Die Redaktion hat beim vorläufigen Insolvenzverwalter Jens Lieser nachgehakt. Und der hat eine positive Perspektive für den Automobilzulieferer aus Wittgenstein und die 96 Jobs am Stammsitz in Bad Berleburg. Das Unternehmen hatte wenige Tage vor Weihnachten 2023 Insolvenz angemeldet.

„Es trifft zu, dass nach Ablauf des dreimonatigen Insolvenzgeldzeitraums Ende Februar das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit nicht mehr weitergezahlt wird. Allerdings übernimmt ab Anfang März mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Siegen das Unternehmen selbst die weitere Zahlung der Löhne und Gehälter an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist sichergestellt“, antwortet Lieser.

Tatsache ist: Der Geschäftsbetrieb ist stabil und durchfinanziert.
Jens Lieser - Vorläufiger Insolvenzverwalter der SCS

Dem vorläufigen Insolvenzverwalter Jens Lieser sei es gelungen, „den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und robust aufzustellen“. Die konstruktiven Gespräche des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Managements mit Kunden und Lieferanten trügen inzwischen Früchte: „Aufgrund der vertrauensvollen und bewährten Zusammenarbeit mit Kunden und insbesondere dem vertraglichen Entgegenkommen aller Kunden läuft das operative Geschäft ruhig, gut und uneingeschränkt weiter. Sobald dann die bereits angelaufene Verlagerung der Produktion von Polen nach Marokko - mit der spätestens im Juni 2024 gerechnet wird - abgeschlossen sein wird, ist die SCS Unternehmensgruppe profitabel. Tatsache ist: Der Geschäftsbetrieb ist stabil und durchfinanziert.“

In Berghausen arbeiten am Stammsitz der SCS Deutschland GmbH & Co. KG noch rund 100 Beschäftigte.
In Berghausen arbeiten am Stammsitz der SCS Deutschland GmbH & Co. KG noch rund 100 Beschäftigte. © WP | Lars-Peter Dickel

Optimismus bei Investorensuche

Die gute Prognose über die ausgesprochen positive Entwicklung des operativen Geschäfts sowie die spätestens im Frühsommer abgeschlossene Verlagerung der Produktion nach Marokko, stimmen Rechtsanwalt Lieser optimistisch, dass ein Investor gefunden wird. Der Verkaufsprozess laufe gut. Es haben sich bereits mehrere Interessenten gemeldet, heißt es auf Anfrage der Reaktion.

Zuvor wuchsen die Sorgen erneut, nachdem neben den deutschen Gesellschaften auch die Stahlschmidt Vermögensverwaltung als Immobilienbesitzer Insolvenz anmelden musste. Deswegen stellte diese Zeitung die klare Frage: Sind die 96 Jobs bei SCS am Stammsitz Berghausen noch zu retten?

Wenn bei der SCS-Unternehmensgruppe neben dem operativen Geschäft auch die Grundstücke und Liegenschaften mit veräußert werden, ist die Bereitschaft der Investoren grundsätzlich größer, einem Verkauf zuzustimmen, da sie somit die gesamte Verfügungsgewalt über die Unternehmensgruppe erhalten.
Jens Lieser - Vorläufiger Insolvenzverwalter der SCS

Dazu Lieser: „Die gesamte SCS-Unternehmensgruppe steht zum Verkauf, zu der auch die Auslandsgesellschaften in Polen, Kanada und China gehören. Hierfür gibt es schon einige Interessenten. Der vorläufige Insolvenzverwalter erwartet, dass dieses Vorgehen den Standort und eine Vielzahl bzw. alle Arbeitsplätze sichern wird.“

SCS: Neun Jahre im Krisenmodus

Dezember 2023: Insolvenzverfahren über die SCS Cable Systems GmbH eröffnet.

Februar 2023: Die Lafayette Mittelstand Capital, ein Luxemburger Investmentfonds, übernimmt SCS von der Möhrle Gruppe.

Januar 2022: Ein neuer Produktionsstandort in Tanger/Marokko wird aufgebaut, die Werke in Polen und Ungarn schließen.

Januar 2022: Geschäftsführer Friedemann Faerber kündigt einen Arbeitsplatzabbau am Stammwerk Berghausen von 110 auf 85 Mitarbeiter an.

Januar 2018: Friedmann Faerber wird neuer Geschäftsführer und ersetzt Kai Uwe-Wollenhaupt. Dessen Umbau des Unternehmens hatte zu massiven Konflikten mit Gewerkschaft und Belegschaft geführt. Faerber startet nun ebenfalls einen Restrukturierungsprozess. Dabei verlor ein Drittel der 180 Mitarbeiter ihren Job.

September 2017: Stahlschmidt Cable Systems hat am Standort Berghausen etwa 190 Beschäftigte. Weltweit zählt der Hersteller von Bowdenzug-Systemen und Kunststoff-Komponenten für die Autoindustrie 1200 Mitarbeiter. SCS hat Werke in Deutschland, Polen, Ungarn, China und Kanada.

Februar 2017: Die Belegschaft macht sich Sorgen um die Jobs. Kai-Uwe Wollenhaupt kündigt Entlassungen an und verhandelt über einen Standortsicherungs-Tarifvertrag.

September 2016: SCS entlässt einen leitenden Mitarbeiter und macht mit einem Arbeitsgerichtsprozess negative Schlagzeilen.

Juli 2016: Führungswechsel: Reinhold Klein muss gehen und Kai-Uwe Wollenhaupt übernimmt.

September 2015: SCS investiert in Ausbildung und einen an die IG-Metall-Tarife angeglichenes Lohnniveau.

August 2015: Geschäftsführer Reinhold Klein fädelt einen Deal ein: Die Hamburger Peter Möhrle Holding übernimmt das seit 2009 kriselnde Familienunternehmen mit 1000 Beschäftigten an mehreren Standorten. Die Familie Stahlschmidt gibt alle Geschäftsanteile ab.

1924: Das Unternehmen Stahlschmidt wird gegründet.

Lieser erläutert auch, warum die Insolvenz der Vermögensverwaltung kein Problem sei, sondern die Aufgabe sogar erleichtern könnte: „Dass der angestrebte Verkauf durch die Insolvenz der Stahlschmidt Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG - also der nicht operativen Grundstückseigentümerin - schwieriger geworden ist, trifft nicht zu. Im Gegenteil, denn wenn bei der SCS-Unternehmensgruppe neben dem operativen Geschäft auch die Grundstücke und Liegenschaften mit veräußert werden, ist die Bereitschaft der Investoren grundsätzlich größer, einem Verkauf zuzustimmen, da sie somit die gesamte Verfügungsgewalt über die Unternehmensgruppe erhalten.“

Derzeit laufe nach wie vor der Investorenprozess, bei dem mit allen Beteiligten Vertraulichkeit vereinbart worden ist. Das Ziel des Insolvenzverwalters Lieser bestehe darin, den Geschäftsbetrieb zu erhalten und fortzuführen. Sobald es hierzu nach den Verkaufsverhandlungen ein konkretes Ergebnis gebe, werde Lieser zunächst die Belegschaft und anschließend die Medien informieren. „Bis dahin bitten wir um etwas Geduld“, so der Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter.

Ein Rückblick auf krisenreiche Jahre bei SCS Stahlschmidt

2017: SCS Stahlschmidt Zufahrt des Stammwerkes in Berghausen
2017: SCS Stahlschmidt Zufahrt des Stammwerkes in Berghausen © WP
2022: Das neue Verwaltungsgebäude in Marokko. Die gesamte Produktion - Spiralfertigung und Kunststoffteile des Automobilzulieferers soll dorthin verlegt werden. Die Werke in Ungarn und Polen schließen.
2022: Das neue Verwaltungsgebäude in Marokko. Die gesamte Produktion - Spiralfertigung und Kunststoffteile des Automobilzulieferers soll dorthin verlegt werden. Die Werke in Ungarn und Polen schließen. © SCS Deutschland GmbH & Co. KG | SCS Deutschland GmbH & Co. KG
2021: Der Stammsitz der SCS Deutschland GmbH & Co. KG in Bad Berleburg-Berghausen. Hier wird künftig nicht mehr in Serie gefertig, dafür bleiben Entwicklung und Verwaltung am Standort und die Logistik wird gestärkt. 
2021: Der Stammsitz der SCS Deutschland GmbH & Co. KG in Bad Berleburg-Berghausen. Hier wird künftig nicht mehr in Serie gefertig, dafür bleiben Entwicklung und Verwaltung am Standort und die Logistik wird gestärkt.  © Berleburg | peter kehrle
2019: Geschäftsführer Friedemann Faerber (links) im Gespräch mit Willi Schmidt (Ferndorf) in der Spiralenfertigung. Diese Abteilung gehört zu den Stärken des Unternehmens SCS Stahlschmidt Cable Systems.
2019: Geschäftsführer Friedemann Faerber (links) im Gespräch mit Willi Schmidt (Ferndorf) in der Spiralenfertigung. Diese Abteilung gehört zu den Stärken des Unternehmens SCS Stahlschmidt Cable Systems. © WP | Lars-Peter Dickel
2019: Geschäftsführer Friedemann Faerber (links) im Gespräch mit Wilhelm Dickel (Girkhausen)  in der Spiralenfertigung. Diese Abteilung gehört zu den Stärken des Unternehmens SCS Stahlschmidt Cable Systems.
2019: Geschäftsführer Friedemann Faerber (links) im Gespräch mit Wilhelm Dickel (Girkhausen) in der Spiralenfertigung. Diese Abteilung gehört zu den Stärken des Unternehmens SCS Stahlschmidt Cable Systems. © WP | Lars-Peter Dickel
Der neue Kaufmännische Leiter Andreas Hausmann (links) und SCS-Geschäftsführer Kai-Uwe Wollenhaupt begutachten 2017 Kunststoff-Spritzguss-Produkte.
Der neue Kaufmännische Leiter Andreas Hausmann (links) und SCS-Geschäftsführer Kai-Uwe Wollenhaupt begutachten 2017 Kunststoff-Spritzguss-Produkte. © WP
Der neue Kaufmännische Leiter Andreas Hausmann (links) und SCS-Geschäftsführer Kai-Uwe Wollenhaupt begutachten 2017 Kunststoff-Spritzguss-Produkte. Diese Teile werden künftig als Sitzschienenverkleidung in Autos eingebaut.
Der neue Kaufmännische Leiter Andreas Hausmann (links) und SCS-Geschäftsführer Kai-Uwe Wollenhaupt begutachten 2017 Kunststoff-Spritzguss-Produkte. Diese Teile werden künftig als Sitzschienenverkleidung in Autos eingebaut. © WP
13 neue Azubis starten bei der SCS in Bad Berleburg in ihre Ausbildung  in 2016.
13 neue Azubis starten bei der SCS in Bad Berleburg in ihre Ausbildung in 2016. © WP
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen  in 2015.
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen in 2015. © WP
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen  in 2015.
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen in 2015. © WP
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen  in 2015.
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen in 2015. © WP
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen in 2015.
Die neuen Auszubildenden der SCS Stahlschmidt Cable Systems in Berghausen in 2015. © WP
Die SCS Stahlschmidt Cable Systems ist zum 31. Juli 2015 an die Peter Möhrle Holding aus Hamburg verkauft worden. Die Familie Stahlschmidt, die das Unternehmen vor etwa 91 Jahren gründete hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen.
Die SCS Stahlschmidt Cable Systems ist zum 31. Juli 2015 an die Peter Möhrle Holding aus Hamburg verkauft worden. Die Familie Stahlschmidt, die das Unternehmen vor etwa 91 Jahren gründete hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen. © WP
Die Polizei ermittelt 2011 nach einem Maschinenbrand bei der Fa. Stahlschmidt in Berghausen bei Bad Berleburg.
Die Polizei ermittelt 2011 nach einem Maschinenbrand bei der Fa. Stahlschmidt in Berghausen bei Bad Berleburg. © WP
Maschinenbrand 2011 bei der Fa. Stahlschmidt in Berghausen bei Bad Berleburg
Maschinenbrand 2011 bei der Fa. Stahlschmidt in Berghausen bei Bad Berleburg © WP
Der damalige Geschäftsführer Andreas Stahlschmidt (links) 2002 im Betrieb.
Der damalige Geschäftsführer Andreas Stahlschmidt (links) 2002 im Betrieb. © WP
Um solche Produkte geht es bei Stahlschmidt in Berghausen: Bowdenzüge.
Um solche Produkte geht es bei Stahlschmidt in Berghausen: Bowdenzüge. © Berleburg
Um solche Produkte geht es bei Stahlschmidt in Berghausen: Bowdenzüge.
Um solche Produkte geht es bei Stahlschmidt in Berghausen: Bowdenzüge. © Berleburg
Eine Mitarbeiterin an einer Stanze.
Eine Mitarbeiterin an einer Stanze. © WP
Die Auszubildenden im Jahr 2007.
Die Auszubildenden im Jahr 2007. © WR | WOLF, Andreas
Auszubildende Ina Reinhold mit Ausbildungsleiterin Maike Steinhanses (rechts).
Auszubildende Ina Reinhold mit Ausbildungsleiterin Maike Steinhanses (rechts). © Stahlschmidt | Stahlschmidt
Ausbildungsleiter Bender (links mit den Auszubildenden Patric Beuter und Christian Wetter
Ausbildungsleiter Bender (links mit den Auszubildenden Patric Beuter und Christian Wetter © Stahlschmidt | Stahlschmidt
Auszubildende Guido Birkelbach, Caroline Braun und Christian Wetter (von links).
Auszubildende Guido Birkelbach, Caroline Braun und Christian Wetter (von links). © WR | WOLF, Andreas
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