Erndtebrück. Wegen auffälliger Fahrweise geriet ein 33-Jähriger in eine Polizeikontrolle. Diese endete in einer Verfolgungsjagd. Das war passiert.

Wegen seiner „enthemmten Fahrweise“ war ein 33-Jähriger einer Polizeistreife aufgefallen. Die Routine-Kontrolle endete in einer Verfolgungsjagd. Das war passiert:

Am 3. August vergangenen Jahres war der Angeklagte gegen 23.30 Uhr mit einem kleinen Lkw unterwegs. Einer Polizeistreife fiel seine auffällige Fahrweise auf. „Er fuhr mit so einer Geschwindigkeit, dass sich der Lkw in der Kurve neigte“, sagte der Polizeibeamte vor Gericht aus. „Wir kamen mit 120 km/h nicht näher an ihn dran.“ Erst an einem Ortsschild bremste er etwas ab. Bei der Kontrolle fiel den Polizisten Alkoholgeruch und eine „verwaschene Aussprache“ auf. Auf die Frage, ob er was getrunken habe, antwortete der Angeklagte „Ja, schon gut, ihr habt mich erwischt. Ich hatte mehr als zehn Bier.“ Eine Aussage, die Rechtsanwalt Carsten Marx, im Laufe der Verhandlung für nicht verwertbar erklärte, weil die Polizisten ihn vorher nicht belehrt hatten – die Belehrung fand erst vor dem Atemalkoholtest statt und war damit „nach Handbuch“, wie Marx sagte, zu spät. Dem stimmte auch Richter Torsten Hoffmann zu.

Der Erndtebrücker widersetze sich den Polizeibeamten

Das Ergebnis des Atemalkoholtests waren 0,77 mg/l, was 1,54 Promille entspricht. Als die Polizisten den Angeklagten daraufhin mit zur Polizeiwache nehmen wollten, um einen Blutalkoholtest durchzuführen, weigerte sich der Angeklagte und wollte den Lkw vom Straßenrand wegfahren und ordentlich parken. Zwischen dem abgestellten Lkw und einer Hauswand kam es zu einem Gerangel, als die beiden Polizeibeamten den 33-Jährigen mit zum Streifenwagen nehmen wollten. „Er war im Vierfüßlerstand und wir haben versucht seine Arme auf den Rücken zu nehmen, um Handschellen anzulegen“, erklärte der Polizeibeamte. Der Angeklagte habe sich gewehrt und nach hinten ausgetreten und dabei den Polizisten am Bein erwischt. „Er hat mir das Bein weggetreten. Ich bin mit dem Knie zuerst auf den Boden aufgekommen und halb auf ihn drauf gefallen.“ Dabei zog sich der Beamte eine oberflächliche Schürfwunde zu. Erst unter der Androhung von Pfefferspray konnten die Polizisten dem Angeklagten Handschellen anlegen und ihn zum Streifenwagen bringen.

Er hat mir das Bein weggetreten. Ich bin mit dem Knie zuerst auf den Boden aufgekommen und halb auf ihn drauf gefallen.
Polizeibeamter - zum Tathergang der Körperverletzung

Der Erndtebrücker wurde rechts auf die Rückbank gesetzt, die Polizeibeamtin saß links, um ihn zu sichern. Während der Polizeibeamte den Lkw durchsuchte und abschließen wollte. Um mitzubekommen, was im Polizeiwagen passierte, war die Autotür auf der Seite des Angeklagten noch geöffnet. Da passierte es: Im Mercedes Vito, den die Polizei fuhr, wird der Gurt, nicht wie gewohnt in der Mitte festgeschnallt, sondern außen. Deswegen konnte sich der Angeklagte unbemerkt abschnallen und rannte los. „Die Kollegin musste erst über die Sitze klettern und ich durchsuchte den geparkten Lkw, deswegen hatte er einen kleinen Vorsprung.“ Weil der Angeklagte Ortskenntnisse hatte und einen „versteckten Weg durch die Gärten“ nahm, konnte er den Polizeibeamten entkommen. Der Blutalkoholtests auf der Wache konnte deswegen nicht durchgeführt werden.

Der Angeklagte zeigte sich nur teilgeständig

Da die Atemalkoholtests aus dem Streifenwagen vor Gericht nicht gültig sind, forderte Rechtsanwalt Marx, den Angeklagten für die Trunkenheit am Steuer freizusprechen. „Es fehlt der Beweis für Alkoholisierung.“ Den Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten gestand der Angeklagte, aber den Anklagepunkt des tätlichen Angriffs mit Körperverletzung sah der Rechtsanwalt nicht: „Er wollte sich widersetzen, eine feindselige Willensrichtung sehe ich bei ihm nicht. Er hat nicht bewusst ausgetreten, um den Polizeibeamten zu verletzten, er konnte ihn hinter sich nicht sehen“, verteidigte der Rechtsanwalt seinen Mandanten.

Er wollte sich widersetzen, eine feindselige Willensrichtung sehe ich bei ihm nicht. Er hat nicht bewusst ausgetreten, um den Polizeibeamten zu verletzten.
Rechtsanwalt Carsten Marx - zur Verteidigung des Erndtebrückers

Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel schätzte die Situation anders ein: „Ich habe keine Zweifel, dass er tätlich angegriffen hat. Es war ein gezielter Tritt in unmittelbarer Nähe und räumlicher Enge. Er musste wissen, dass der Polizeibeamte hinter ihm war und dass er, sobald er tritt, den Beamten trifft.“

Bewährungsstrafe und Geldbuße für den 33-Jährigen

Richter Torsten Hoffmann verurteilte den Angeklagten zu einer Haftstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen, die zur Bewährung ausgesetzt wird – weil es die erste Strafe für den Erndtebrücker ist. Die Fahrerlaubnis, die seit dem Tattag bei den Akten liegt, wird weitere vier Monate einbehalten. Der Richter sah alle Anklagepunkte erfüllt: Trunkenheitsfahrt, der tätliche Angriff, Widerstand und Körperverletzung. „Die Fahrweise, die Alkoholfahne und die verwaschene Aussprache sind drei Umstände, die zeigen, dass er Alkohol konsumiert hat“, sagte der Richter. Auch den Widerstand und den Tritt nach dem Beamten sieht er als bewiesen. „Er hätte die Kontrolle über seinen Stand verloren, wenn er wild gestrampelt hätte“, erklärte er seine Entscheidung. „Der Angeklagte hat den Tritt nach hinten ausgeführt, nicht mit der Absicht, den Beamten zu verletzten, aber um sich zu wehren.“ Dazu bekam der Angeklagte eine Geldbuße von 2500 Euro, die er an den Förderverein Kinderzuhause Burbach zahlen muss.

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