Birkefehl. Katharina Treude wollte ursprünglich Lehrerin werden. Jetzt hat sie über 100 Milchkühe und eine verantwortungsvolle neue Aufgabe.

Katharina Treude liebt Kühe und ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Dass sie jetzt gemeinsam mit ihrem Bruder Matthias und dem Vater einen modernen Milchviehbetrieb mit weit über 100 Tieren führt, ist ursprünglich aber nicht geplant gewesen. Und noch weniger war es der Plan der 37-Jährigen, einmal Kreislandwirtin zu werden. Am 18. Oktober dieses Jahres hat sie sich gegen drei Frauen und zwei Männer durchgesetzt und die Wahl gewonnen.

„Lothar Menn ist nicht ganz unschuldig daran“, sagt Treude und lächelt ihren Vorgänger an. Wir treffen die beiden im neuen Kuhstall kurz hinter der Birkefehler Höhe, um über einen nicht-alltäglichen Wechsel zu sprechen. Katharina Treude ist seit Oktober Kreislandwirtin. Das heißt, sie vertritt die Interessen der wenigen Vollerwerbsbetriebe und vielen Nebenerwerbslandwirte in Siegen-Wittgenstein im Westfälisch-Lippische-Landwirtschaftsverband (WLV).

Ich habe jeden Tag Kühe gemolken und liebe Kühe. Dann denkt man: Das ist doch auch eine schöne Sache.
Katharina Treude, über ihren Bezug zur Landwirtschaft

Ursprünglich hatte Katharina Treude aber ganz andere Pläne nach dem Abitur am städtischen Gymnasium Bad Laasphe. „Ich wollte Germanistik studieren, Lehrerin werden.“ Das lange Warten auf ein zweites Fach aber brachte das Umdenken. Katharina arbeitete weiter zu Hause auf dem Hof mit: „Ich habe jeden Tag Kühe gemolken und liebe Kühe. Dann denkt man: Das ist doch auch eine schöne Sache.“ Aus der Überzeugung heraus wechselte sie an die Fachhochschule Soest und studierte Agrarwissenschaften, machte ihren Bachelor. „Ich darf mich Diplom Agraringenieur nennen“, sagt die 37-Jährige heute nicht ohne Stolz.

Moderne Technik erleichtert die Arbeit

Gemeinsam mit dem Bruder Matthias Treude, einem Informatiker, der ebenfalls nach Birkefehl zurückgekehrt ist und dem Vater gründete Katharina Treude 2013 eine GBR. Die Geschwister übernehmen quasi den Hof und führen den elterlichen Betrieb in eine neue, modernere Viehhaltung. Mein Vater hatte noch mit einem Anbindestall angefangen, 1983/84 dann einen Stall für 50 Tiere gebaut, die morgens und abends gemolken wurden. „Das waren 10- bis 16-Stunden-Tage“, rechnet Katharina Treude vor. Selbst mit Liebe zur Landwirtschaft ist das heute zu viel. „Wir haben einen Stall für 140 Tiere gebaut und setzten auch Roboter ein. Das macht uns viel flexibler“, berichtet sie und zeigt auf den vollautomatischen Melkstand, in den die Kühe nach einer Trainingsphase von selbst drei bis vier Mal am Tag gehen. Der Melkroboter sammelt aber nicht nur die Milch ein und untersucht sie, er registriert auch die Kühe und kann Rückmeldungen geben, ob die Tiere gesund sind. Ein anderer Roboter säubert den Stallboden der Gänge von Dung und Urin. Zwei technische Helfer, die die Treudes im Alltag erheblich entlasten. Trotzdem verbringen sie die meiste Zeit bei und mit den Tieren. Denn Futter erwirtschaften, füttern, Klauen schneiden oder die Tiere auf die Weiden treiben bleiben als Aufgaben.

Die 37-Jährige Treude folgt auf Lothar Menn (Hof Rohrbach/rechts), der dieses Ehrenamt 18 Jahre lang ausgefüllt hat.
Die 37-Jährige Treude folgt auf Lothar Menn (Hof Rohrbach/rechts), der dieses Ehrenamt 18 Jahre lang ausgefüllt hat. © WP | Lars-Peter Dickel

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Auch wenn der Tag keine 16 Arbeitsstunden mehr hat, Landwirtschaft bleibt speziell für Tierhalter ein 365-Tage-Job. Urlaub ist selten. „Seit wir 2013 die GbR gegründet haben, war mein Bruder in diesem Jahr zum ersten Mal für drei Tage an der Nordsee. Aber er hat sich jeden Tag nach den Tieren erkundigt“, schmunzelt Katharina Treude.

Einen Teil ihrer Freizeit wird die 37-Jährige nun ihren Berufskollegen widmen. „Man trägt jetzt Verantwortung, spricht für die Landwirte“, sagt sie und freut sich zugleich darauf, neue Leute kennenzulernen und über neues Wissen. Die Probleme, die sie und ihre Berufskollegen beschäftigen, sind groß und dabei geht es nicht nur um Düngemittelverordnung oder Veränderungen bei Haltungsbedingungen: „Es geht um das Bild von der Landwirtschaft. Darum, dass nicht Biobauern prinzipiell gut und konventionelle Landwirte prinzipiell schlecht sind. Man darf uns nicht gegeneinander ausspielen“, sagt Treude. Wichtig ist ihr auch, den Menschen Landwirtschaft wieder näher bringen. „Selbst bei uns haben Nachbarn gesagt, wir wissen gar nicht, was ihr da macht“, berichtet die neue Kreislandwirtin, die ihren neuen Stall mit den vielen Veränderungen in Richtung Tierwohl zu präsentieren.

Breite Unterstützung für Neue Kreislandwirtin

„Ich erfahre aber auch viel Unterstützung von meiner Kollegin Iris Böhl, die seit zwölf Jahren stellvertretenden Kreislandwirtin ist und ich kann Oliver Beitzel (Vizepräsident der Landwirtschaftskammer aus Wingeshausen) und Lothar Menn jederzeit ansprechen.“

Für Menn ist es klar, dass er seine Nachfolgerin unterstützen wird und freut sich, dass die nächste Generation Verantwortung übernimmt. „Ich bin 68 Jahre alt und muss nicht noch einmal sechs Jahre machen“, sagt Menn, der vor seinen 18 Jahren als Kreislandwirt bereits sechs Jahre als Stellvertreter gearbeitet hat.

Seit Oktober mehr Frauenpower in Südwestfalen

Dass mit Katharina Treude jetzt eine Frau übernimmt, ist für viele Landwirte auch nichts Besonderes mehr, so scheint es. Immerhin stehen in allen drei südwestfälischen Kreisen seit Oktober Frauen an der Spitze: Lisa Sternberg in Olpe, Brigitte Wullenweber im HSK und Katharina Treude in Siegen-Wittgenstein. Aber Katharina Treude hat da doch noch einen Punkt entdeckt: „Es sind nur zehn Prozent Frauen, die einen Betrieb leiten. Ich hoffe, dass sich das ändert.“