Bad Berleburg/Harsewinkel. „In der Landwirtschaft kommen Töchter erst zum Zug, wenn es keine Söhne gibt.“ Viele Frauen arbeiten auf Höfen – ohne große Chance auf Leitung.
Wie seht eigentlich die Rolle der Frau in der Landwirtschaft aus? Anlässlich des internationalen Weltfrauentags hat der Bioland Landesverband NRW zwei Bäuerinnen, die den Verband in vieler Weise aktiv mitgestalten und entwickelt haben, nach ihrer Wahrnehmung gefragt.
Tanja Lauber leitet eine Grund-, Haupt- und Realschule mit Förderstufe und bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Mann einen Bioland-Milchviehbetrieb in Bad Berleburg. Seit 2019 ist die zweifache Mutter im Vorstand des Bioland Landesverbandes NRW aktiv.
„Ich betrachte mich nicht als Feministin. Ich engagiere mich einfach. Aber ich glaube, dass es einen Unterschied macht, ob Frauen an Entscheidungsprozessen beteiligt sind und mitgestalten. Und ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung und von Kolleginnen sowohl in der Landwirtschaft als auch im schulischen Umfeld, dass es Unterstützung braucht, um Frauen beruflich und ehrenamtlich stärker einzubinden.
Viel häufiger als Männer übernehmen Frauen Aufgaben wie die Versorgung der Kinder, Pflege der Angehörigen und Haushaltstätigkeiten. Ich finde es gut, dass der Bioland Verband in NRW eine Frauenquote hat: Im drei- bis vierköpfigen Vorstand muss mindestens eine Frau sein.“
Landwirtin des Jahres
Stephanie Strotdrees aus Harsewinkel war von 2011 bis 2021 Vizepräsidentin des Bioland Bundesverbandes und lange Jahre Teil des Landesvorstands NRW. Sie führt einen Milchviehbetrieb mit großem Hofladen. 2014 wurde sie beim „Ceres Award“ als Landwirtin des Jahres ausgezeichnet. Zudem zog sie fünf Töchter groß, die Entscheidungen auf dem Hof mittragen, in Spitzenzeiten mit anpacken und ebenso ökolandbaubegeistert sind wie sie.
„In meinem jahrzehntelangen ehrenamtlichen Engagement habe ich unsere Branche als eine der wenigen Frauen vertreten und bin immer noch irritiert, wie wenig Frauen ich in der bäuerlichen Berufsvertretung und auf landwirtschaftlichen Fachveranstaltungen treffe, obwohl viele Frauen auf den Höfen eingebunden sind und Verantwortung tragen. In der Branche ist die Frau als Betriebsleiterin nach wie vor die Ausnahme. Das hat auch damit zu tun, dass in der Landwirtschaft Töchter erst zum Zuge kommen, wenn es keine Söhne gibt.“
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Damit bezieht sich die Landwirtin auf die kürzlich veröffentlichte Studie „Frauen.Leben.Landwirtschaft“ im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Die umfangreiche Befragung von Frauen in der Landwirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass Frauen trotz ihrer hohen Arbeitsmotivation, ihres großen Einsatzes für Betrieb und Familie nur selten über Betriebseigentum und ausreichende soziale Absicherung verfügten.
Dass es aber auch positive Tendenzen gibt, erkennt Stephanie Strotdrees in ihrem unmittelbaren Umfeld: „Ich freue mich zu sehen, wie unsere Töchter heute arbeiten und ihr Leben gestalten. Außerdem entstehen Frauen-Netzwerke, wie das Bio-Frauen-Netzwerk, das auf der Messe BIOFACH und den Öko-Feldtagen zusammenkommt oder auch das Female Agri Fellow Coffee im Rahmen der DLG Wintertagung. Das macht Mut und ist eine echte Chance für Frauen, einen Zugang zu den von Männern dominierten Veranstaltungen zu finden.“