Bad Berleburg. Bad Berleburg wird tief in die Tasche greifen, um das Projekt zu retten. Die Diskussion spaltet die Politik. Aber es gibt eine Mehrheit.

Es war die erwartete heftige und auch mit Schlagworten wie „Kinder statt Rinder“ geführte Diskussion darüber, ob die Stadt Bad Berleburg in eine künftige Trägerstruktur des Wisentprojektes einsteigen solle oder nicht. Und die Fronten zwischen den Gegnern und Befürwortern einer finanziellen Beteiligung verlaufen im Stadtrat klar. Die SPD, die AfD und der parteilose, ehemalige Linken-Stadtverordnete Thorsten Fischer stehen dem Projekt oder doch zumindest einer Projektbeteiligung kritisch gegenüber. CDU, UWG, Grüne und FDP befürwortet das Engagement der Stadt.

Befangenheit des Bürgermeisters

Am Anfang aber stand die Klärung einer wichtigen juristischen Frage: Ist Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann, der in Personalunion auch Vorsitzender des Trägervereins des Wisentprojektes ist, befangen oder nicht? Für die Stadt Bad Berleburg erklärte der Beigeordnete Volker Sonneborn, dass Bernd Fuhrmann nicht befangen sei, weil der Trägerverein aufgrund des selbst beantragten Insolvenzverfahrens, das am 1. Dezember diesen Jahres eröffnet werden soll, ohnehin aus der Trägerstruktur ausscheiden werde. Gleichwohl aber habe sich Bernd Fuhrmann entschieden, sich bei der Abstimmung zu enthalten.

Lesen Sie auch:

Der Stadtverordnete Thorsten Fischer (parteilos), war der einzige, der diesen Punkt aufgriff und betonte, dass eine Insolvenz des Trägervereins nicht ausschlaggebend für die Befangenheit sein könne. Fischer kritisiert darüber hinaus: „Die vom runden Tisch gefundenen Ergebnisse werden aus meiner Sicht das Projekt nicht retten. Vielmehr werden sich die augenblicklichen Fragen in kurzer Zeit erneut stellen. Um die Interessen der Tiere geht es in diesem Verfahren wohl schon lange nicht mehr. Eher wird hier das Wohl der Tiere geopfert, um Fehler der Vergangenheit zu verdecken und auch um haftungsrechtliche Risiken zu verlagern und bestehende insolvenzrechtliche Gründe aus der Welt zu schaffen.“

Die Gegner des Wisentprojekts

Die Fraktionsvorsitzende der SPD, Iris Gerstmann, sieht die Stadt Bad Berleburg nicht in der Pflicht und verweist stattdessen auf das Land NRW und dessen Umweltminister Oliver Krischer. Der hatte im Umweltausschuss am 18. Oktober in Düsseldorf einen Bericht zum Wisentprojekt und den Ergebnissen des Runden Tische abgegeben, der dieser Zeitung vorliegt. Darin heißt es: „Die Landesregierung hat die Ergebnisse des Runden Tisches zur Kenntnis genommen und bedankt sich bei allen Beteiligten für die geleistete konstruktive Arbeit. Auch der Kreistag des Kreises Siegen-Wittgenstein hat hierzu unmittelbar im Nachgang einen Beschluss gefasst. Die Ergebnisse des Runden Tisches stellen Empfehlungen, jedoch noch keine konkretisierten umsetzungsreife Vorschläge dar. Die vorgelegten Empfehlungen sind daher im nächsten Schritt rechtlich, haushälterisch und naturschutzfachlich zu bewerten. Die Ergebnisse können zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorweggenommen werden, so dass die gestellten Fragen zum Teil noch nicht im Detail beantwortet werden können.“

Schmallenberg und HSK sollen sich beteiligen

So lange die genau finanzielle Beteiligung des Landes nicht klar sei und solange die Stadt Schmallenberg und der Hochsauerlandkreis nicht mit an einer Lösung arbeiten, möchte Gerstmann kein Geld der Stadt in die Hand nehmen und verweist auch darauf, dass dies eine freiwillige Leistung sei: „Ich sehe die Tiere im Wald sehr gern, aber zahlen möchte ich für sie nicht.“

Da hakt auch ihre Fraktionskollegin Sandra Peiser ein, die mit dem plakativen Spruch „Kinder statt Rinder“ fordert, diese 75.000 Euro doch in anderen Bereichen einzusetzen. Bodo Hüster (SPD) sieht die „Büchse der Pandora“ geöffnet, weil man nicht abschätzen könne, wie viel Geld darüber hinaus noch in das Projekt gesteckt werden müssten. So argumentiert auch Bernd Weide (SPD): „Wir wissen nicht, wie viel wir in Zukunft noch zahlen müssen, wie lange wir zahlen sollen und wie wir das finanzieren können. Wir wissen nur, dass die Teilnahme bereits in diesem Jahr 75.000 Euro Eintrittsgeld kostet.“ Weide sieht den Bund und die EU in der Pflicht und verweist auf das Eckpunktepapier des Runden Tisches: Der sehe, dass das Projekt „sowohl auf bundesweiter als auch auf europäischer Ebene eine bedeutende Rolle für den Artenschutz und den Naturschutz insgesamt eingenommen“ habe. „Damit ist auch hinsichtlich der Finanzierung für mich eigentlich alles gesagt. Artenschutzprojekte sind keine kommunale Aufgabe – und in Zeiten knapper Kassen und vieler anstehender Pflichtausgaben schon gar nicht.“

Für die AfD unterstrich Klaus Dieter Lege erneut, dass man sich wie auch in den Ausschüssen enthalten werde. Damals hatte die AfD deutlich gemacht, dass man ein privat initiiertes Projekt nach dem Scheitern nicht der Allgemeinheit aufbürden wolle.

Die Befürworter des Wisentprojekts

Martin Schneider, der Fraktionsvorsitzende der CDU, begann seine Argumentation spitz: „Ich danke der SPD, dass sie sich jetzt auch an der Diskussion beteiligt“, nachdem diese das in zwei Fachausschüssen mit Verweis auf eine zu spät eingegangenen Vorlage nicht getan hatte und im Bauausschuss sogar den Saal demonstrativ verlassen hatte. Schneider stimmte Iris Gerstmann sogar „zu 100 Prozent“ zu, dass sich auch die Stadt Schmallenberg und der Hochsauerlandkreis an den weiteren Diskussionen des Runden Tisches beteiligen müssten, um eine Lösung zu finden: „Ich hoffe, dass sie sich nicht verweigern“, so Schneider. Der CDU-Fraktionsvorsitzende argumentiert aber auch für den Verwaltungsvorschlag: „Es geht um die Finanzierung für das Jahr 2024, damit das Projekt eine neue Struktur bekommt.“ Schneider machte zudem auch Hoffnung auf zusätzliche finanzielle Möglichkeiten durch Ersatzgelder.

Ersatzgelder für Wisentprojekt

Die Ersatzgelder spielten in der Ratssitzung am Montag in Bad Berleburg gleich zweimal einen wichtige Rolle – zunächst in der Diskussion um die finanzielle Beteiligung der Stadt Bad Berleburg an der Fortführung des Wisentprojektes in einer neuern Trägerstruktur.

Hierfür regte der CDU-Fraktionsvorsitzende Martin Schneider an, dass man einen Vorstoß unternehmen solle, Ersatzgelder für die Finanzierung des Projektes heranzuziehen. Die Grünen-Ratsfrau Susanne Bald unterstützt diesen Vorstoß, verweist aber auf erste Rechercheergebnisse: „Unterm Strich gegen die Vorschriften gibt es das nicht her“, weil Artenschutz nicht durch Ersatzgelder gefördert werden könne. Bald setzt sich aber dafür ein, „beim Land den Einfluss geltend zu machen, dass diese Gesetzeslage geändert wird“. Das Land Nordrhein-Westfalen selbst müsste aufgrund der hohen Kosten die durch Wildgänse am Niederrhein, oder durch Wölfe und Biber entstünden, ein große Interesse daran haben, findet Bald.

Gelder aus der Windkraft

Der zweite Punkt bei den Ersatzgeldern bezieht sich auf die Millionensumme, die allein in Bad Berleburg durch den Ausbau der Windkraft zu erwarten ist. Der Kreis rechnet mit 75.000 bis 120.000 Euro pro Anlage – je nach Windradtyp. Die CDU möchte, dass die Stadt Bad Berleburg ein „Strategiepapier“ erarbeitet, wie diese Gelder auch in Bad Berleburg in Naturschutzmaßnahmen reinvestiert werden können. Diese Gelder werden von der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises verwaltet und auf Antrag an geeignete Projekte ausgegeben. Einen fast gleichlautenden Antrag hatte die SPD bereits vor zwei Jahren gestellt. Entsprechend einstimmig passierte dieser Vorschlag der Union den Rat.

Kai-Uwe Jochims (CDU) unterstützt den Verwaltungsvorschlag ebenfalls und betonte: „Ich zolle den Initiatoren des Projektes allen Respekt.“ Und den Kritiker, die jetzt auf den Fehlern der Vergangenheit herumreiten würden, sagte Jochims: „Das nennt man in der Wissenschaft den Rückschaufehler. Nachher sind immer alle klüger.“

Susanne Bald (Bündnis90/Die Grünen) macht deutlich: „Wir sind glühende Befürworter des Projektes und werden zustimmen.“ Bald moniert aber, dass Landrat Andreas Müller (SPD) angeregt habe, dass Kreis und Stadt sich die Kosten teilen. „Der Landrat schiebt uns die Verantwortung zu und seine SPD möchte diesen Beschluss nun kippen“, kritisierte Bald die Haltung der Bad Berleburger Genossen.

Wolfgang Völker (FDP) sieht ein in den Vorschlägen des Runden Tisches ein „gut ausgearbeitetes Konzept“ und möchte, dass das Wisentprojekt aus zwei Gründen weiter geführt wird, weil es einerseits Marketing für die gesamt Region sei und auch ein Artenschutzprojekt. Dem schließen sich auch die UWG-Stadtverordneten Marion Linde und Nadine Raad an. Linde argumentiert, dass „wir jetzt die Aufgabe haben, die Probleme zu lösen. Wir übernehmen Verantwortung und ducken uns nicht weg“.

Die SPD beantragte namentliche Abstimmung, weil sie im Falle von Haftungsrisiken für die Stadt deutlich machen wollte, wer für und wer gegen den Verwaltungsvorschlag gestimmt habe, der vorsieht, dass die Stadt Bad Berleburg sich mit zunächst 75.000 Euro im Haushaltsjahr 2024 an der Etablierung einer neuen Trägerstruktur mit einem Sitz in einer Stiftung beteiligen will.

Am Ende war das Abstimmungsergebnis deutlich: 19 der 33 möglichen Stimmen waren dafür, zehn dagegen und vier enthielten sich.

Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung

Die SPD hatte namentliche Abstimmung beantragt. Dabei müssen alle Stadtverordneten in offener Abstimmung sagen, ob sie dem Beschlussvorschlag zustimmen, ihn ablehnen oder sich enthalten:

Die Befürworter: Susanne Bald (Grüne), Ulla Belz (CDU), Rolf Dickel (CDU), Birgitta Dreier (CDU),

Georg Freitag (CDU), Anke Fuchs-Dreisbach (CDU), Frank Henk (CDU), Kai-Uwe Jochims (CDU), Elmar Knoche (CDU), Heinz Limper (CDU), Marion Linde (UWG), Andreas Lückel (CDU), Nadine Raad (UWG), Katja Schmidt (CDU), Bernd Schneider (Grüne), Martin Schneider (CDU), Wolfgang Völker (FDP), Werner Wegener (CDU), und Martina Winter (CDU).

Die Gegner: Joshua Briel (SPD),

Ulrich Dienst (SPD), Thorsten Fischer (parteilos), Iris Gerstmann (SPD), Bodo Hüster (SPD), Andreas Meinecke (SPD), Sandra Peiser (SPD), Michael Sittler (SPD),

Bernd Weide (SPD) und Sandra Wied (SPD).

Die Enthaltungen: Bürgermeister Bernd Fuhrmann (parteilos), Sven Becker und Klaus Dieter Lege (AfD) und Timo Florin (CDU).