Wingeshausen. Die Ergebnisse einer Umfrage zeigen den Bedarf. Wie ein neuer Laden in Wingeshausen funktionieren kann, dass erläutern jetzt Experten.

Das Signal aus der Wingeshäuser Schützenhalle ist eindeutig. Elf Monate nach der Schließung informierten sich rund 50 Menschen über die Chancen für eine Neueröffnung des Dorfladens. Die Stadt Bad Berleburg und Ortsvorsteherin Brigitta Dreier hatten eingeladen, um die Ergebnisse einer Umfrage vorzustellen und zugleich mit Handelsexperte und Dorfladen-Gründer Klaus Heimann auch die Grundlagen für einen Neuanfang vorzustellen. Am Ende ist das Dorf seinem Laden ein kleines Stück nähergekommen.

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Christian l’Hiver von der Stadt Bad Berleburg skizzierte die Unterstützungsmöglichkeiten durch die Stadt Bad Berleburg, die die Sicherung der Nahversorgung in den Dörfern auch über Europäische Fördermittel aus dem Leadertopf unterstützt. Projektmitarbeiterin Julia Eitzenhöfer berichtete, dass man 570 Fragebögen verteilt habe und 136 ausgefüllt zurückerhalten habe. Die Rücklaufquote von 24 Prozent sei ähnlich wie in Girkhausen, wo der vergleichbare Prozess bereits in der Gründung einer Genossenschaft gemündet ist. Typisch so Eitzenhöfer sie auch, dass die meisten Rückmeldungen aus der Altersgruppe 65+ gekommen seien. Dicht gefolgt von den 50 bis 64-Jährigen und Dorfbewohnern zwischen 40 und 49 Jahren. „Die Einsicht, dass ein Dorfladen wichtig ist, ist bei den Älteren größer“, so Eitzenhöfer. Das seien auch diejenigen, die dort einkauften. Ein deutliches Bild gibt die Auswertung ab: „Der Bedarf ist da!“ Die aktuelle Versorgung nach der Schließung des Dorfladens im Oktober 2022 erhält die Schulnote „Setzen, sechs“, formuliert es Eitzenhöfer. 92 Prozent wünschen sich eine Verbesserung und 90 Prozent seien auch bereit im Dorfladen einzukaufen, selbst wenn dessen Angebot etwas teurer sei als beim Discounter.

Die Schaufenster sind leer, die Jalousie der Ladentür heruntergelassen - so präsentiert sich der Wingeshäuser Dorfladen derzeit.
Die Schaufenster sind leer, die Jalousie der Ladentür heruntergelassen - so präsentiert sich der Wingeshäuser Dorfladen derzeit. © Eberhard Demtröder | Eberhard Demtröder

Bei den Leistungen haben die Wingeshäuser ebenfalls klare Vorstellungen: Sie wünschen sich die Poststelle im Laden zurück und ein gutes Angebot regionaler Anbieter. Das deckt sich damit, dass nachweislich viele Wingeshäuser und Müsser bereits jetzt bei den überdurchschnittlich vielen Direktvermarkter im Ort Lebensmittel einkaufen. Ebenfalls wünschenswert wäre es, Waren digital vorzubestellen. Und geschätzt wird der Dorfladen eben auch als sozialer Treffpunkt. „Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass man durch den Nahkauf in Aue super versorgt werde“, verschweigt Eitzenhöfer auch Kritische Stimmen nicht.

Für jedes Dorf eine Lösung

Klaus Heimann, der als Handelsexperte Gründer von Dorfläden begleitet hat und unter anderem auch die Dorfläden in Dotzlar und Berghausen zusammen mit den Sozialwerk St. Georg etabliert hat, macht deutlich vorauf es ankommt: „Es funktioniert, wenn das Dorf zusammenhält“, sagt Heimann. Er habe in Dörfern von 200 bis 2600 Einwohnern Läden beraten: „Es gibt für jedes Dorf eine Lösung“, macht er Mut.

Heimann nennt aber auch die Schwierigkeiten: In Deutschland bestimmten Edeka, Rewe, Lidl und Aldi den Lebensmittelmarkt. Lieferanten für kleine Märkte gebe es nur wenige. Interessant werde dies für viele erst ab einer Million Euro Umsatz. Die Preise seien beim Trockensortiment in Dorfläden aber ähnlich wie bei großen Anbietern. Nur eines gehe nicht: „Wir können nicht auf Aldi-Niveau gehen“.

Wichtig für den Erfolg seien drei Sortimente: Backwaren machten 15 Prozent des Umsatzes aus. Obst zwischen 8 und 10 und Fleisch zwischen 12 und 15 Prozent. Regionale Produkte machten ebenfalls einen Unterschied. In Dotzlar und Berghausen gebe es 12 Anbieter im Sortiment.

So viel Umsatz ist nötig für einen erfolgreichen Laden

Neben dem Angebot und den Preisen, sei es wichtig, dass der Dorfladen gut geführt werde und Heimann wiederholte sich im Punkt Dorfgemeinschaft: „Wir müssen uns als Solidargemeinschaft unterstützen“. Übersetzt heißt das, das Dorf muss ein Viertel seiner Kaufkraft im Laden umsetzen. Mit seinen 1525 Einwohnern geht Heimann von jährlich rund 3,28 Millionen Euro Kaufkraft aus, was 2150 Euro für Lebensmittel und Non-Food entspreche. Die übliche Kaufkraftabschöpfung von Dorfläden liege zwischen 20 und 25 Prozent. Um den Laden am Leben zu erhalten, müssten die 320 Haushalte wöchentlich rund 22 Euro in ihren Laden umsetzen. „Gehen sie drei, viel Mal Brötchen kaufen und schon haben Sie es.“ Heimann skizzierte aber auch ein düsteres Bild, warum es wichtig sein könnte, den Dorfladen zu erhalten. „Wo der Dorfladen schließt, gibt es bald keinen Kindergarten mehr und die Kirche schließt. Und es gibt einen Wertverlust der privaten Immobilien. Das ist eine Abwärtsspirale.“

Alternative: Reiner Automaten-Dorfladen

Peter Beuter fragte nach, warum man nicht die Möglichkeit eines Automatensupermarktes in Betracht ziehe. Das könne langfristig Personalkosten sparen und eine 24/7-Öffnung des Ladens möglich machen, was den Laden wirtschaftlicher machen könnte. Beuter stützt sich dabei auf Beispiele aus Bad Drieburg.

Dem entgegnet Christian l-Hiver von der der Stadt Bad Berleburg, dass solche Automaten eine sechsstellige Summe kosteten und auch nicht Wartungsfrei oder ohne Personal zum Einräumen von Waren funktionierten. Und l’Hiver monierte, dass dann ein ganz wesentlicher Aspekt – die soziale Komponente – des Dorfladens - wegfallen könnte. Deswegen bleibt es bei dem Modell des herkömmlichen Ladens.

Christian l’Hiver von der Stadt Bad Berleburg unterstrich: „Ein Dorfladen kann hier ohne weiteres bestehen, aber wir haben trotz einiger Bemühungen niemanden gefunden, der einen Dorfladen betrieben will“, deswegen komme es nun auf die Eigeninitiative der Wingeshäuser an.

Als Betreibermodell schlagen Stadt und auch Heimann eine Genossenschaft oder einen vergleichbaren wirtschaftlichen Verein vor, nachdem laut Heimann soziale Träger wie St. Georg inzwischen keine neuen Dorfläden eröffnen wolle.

So viel Startkapital wird für einen neuen Laden gebraucht

Durch die Genossenschaftsanteile könnten die rund 80.000 Euro Anfangsinvestition gestemmt werden. 31.000 für Ausstattung, der Rest für den Warenanfangsbestand.

Karl Heinrich Sonneborn wollte wissen, wie viele Anteile dafür gezeichnet werden müssten. Eitzenhöfer rechnet mit 320 Anteilen zu 250 Euro. Und berichtet, dass man in Girkhausen von Haus zu Haus gegangene sei, um die dort 200 Anteile zusammenzubekommen. „Wenn sie die 320 zusammenbekommen, können wir zu einer Gründungsversammlung einladen“, so Eitzenhöfer. Daraus würden dann Vorstand und Aufsichtsrat bestimmt.

Karl-Heinrich Sonneborn und der Dorfvereinsvorsitzende Helmut Keßler signalisierten, sich dafür einsetzen zu wollen, dass die Anteile zusammenkommen und in einem ersten Arbeitskreis mitzuarbeiten. Dem folgten schnell weitere Unterstützer und bei der Abfrage, wer sich vorstellen könnte, einen Anteil zu zeichnen, hoben etwa zwei Drittel der 50 Besucher die Hand.