Girkhausen. Ende Mai ist Schluss, dann schließt die Bäckerei „Gerke“ ihre Filiale. Doch das Dorf Girkhausen hat bereits einen Plan, wie es weiter gehen kann.

Wie wichtig ein Dorfladen im ländlichen Raum für die Nahversorgung und auch als sozialer Treffpunkt ist, wird am Dienstagabend in der Schützenhalle Girkhausen deutlich. Rund 150 Menschen aus dem Ort sind gekommen, um sich über die Zukunftschancen ihres Ladens zu informieren. Und sie treffen anschließend auch eine wichtige Entscheidung.

„Der Bedarf ist da und die Prognose ist gut“, nimmt Girkhausen Ortsvorsteher Timo Florin etwas vorweg, auf das viele mit Spannung gewartet haben. Julia Eitzenhöfer und Klaus Heimann stellen die Ergebnisse einer Umfrage zum Dorfladen in Girkhausen vor und präsentieren anschließend Zahlen und erste Verhandlungsergebnisse. Eitzenhöfer ist bei der Stadt Bad Berleburg für Regionalentwicklung und nachhaltige Projekte zuständig.

Lesen Sie auch:Aus für „Gerke“: In Girkhausen schließt der letzte Dorfladen

Dorfläden gehören genau in dieses Fach: „Der Stadt ist daran gelegen, Nahversorgung zu erhalten und in Girkhausen gibt es eine stabile Infrastruktur“, beschreibt sie die Ausgangslage. Klaus Heimann ist Rentner im Unruhestand. Früher betrieb er Rewe-Märkte als Selbstständiger, später gründete und betrieb er Dorfläden. Die beiden in Dotzlar und Berghausen hat Heimann in die Erfolgsspur gebracht. Er berät die Stadt Bad Berleburg als Experte und hat auch für die Zukunft des Dorfladens in Girkhausen bereits Konzepte und Ideen.

Heimanns Grundsatz ist klar: „Die Strukturen sind wichtig. Wenn der Dorfladen stirbt, stirbt die Infrastruktur“, sagt er und schiebt hinterher: „Dorfläden haben aber eine große Chance, wiederbelebt zu werden und betrieben zu werden.“

Diese positive Prognose begründen Eitzenhöfer und Heimann mit den Umfrageergebnissen aus Girkhausen und den Erfahrungen aus anderen Dorfladenprojekten. „Aber letzten Endes entscheidet das Dorf“, so Heimann.

Umfrageergebnisse

Rund 20 Prozent der aktuell knapp 800 Einwohner des Dorfes hatten sich an der Umfrage beteiligt. Und erwartungsgemäß waren es vor allem die Menschen ab 50, die sich stark beteiligt haben. Aber auch die in der Familiengründungsphase zwischen 25 und 39 haben Fragebögen ausgefüllt.

75 Prozent der Befragten wünschen sich eine Verbesserung der Nahversorgung, bezeichneten die bisherige Situation mit dem Dorfladen aber durchschnittlich mit der Schulnote 2,5. Und nahezu 100 Prozent sind auch bereit, im Dorfladen einzukaufen. Am wichtigsten sind den Kunden dabei Fleisch- und Wurst- sowie Backwaren. Das ist auch das Kernsortiment, das der bisherige Betreiber, die Bäckerei Gerke aus Langewiese, dort angeboten hat. Noch unklar war aber die Frage, ob man sich im Dorf finanziell an einem Dorfladen beteiligen wolle, oder sich dort persönlich engagieren wolle. Das änderte sich im Verlauf des Abends.

Zukunft des Dorfladens

Klaus Heimann hat ein Konzept, das auf seinen Erfahrungen fußt und erläuterte das mögliche Angebot, die Personalstruktur aber auch Kosten und mögliche Erträge.

Dazu hatte er Gespräche mit dem bisherigen Betreiber und Vermieter aber auch potenziellen Lieferanten bzw. Einkaufsgenossenschaften geführt. Das ganze Konstrukt aber steht und fällt mit der Akzeptanz: „Es liegt daran, wie viel der Dorfladen unterstützt wird.“ Und Heimann räumte mit zwei Vorurteilen auf: „Ein Dorfladen ist nicht immer teuerer als der Supermarkt“ und „ein Dorfladen ist nicht nur ein Geschäft, sondern auch eine soziale Einrichtung“. Dieser Treffpunktcharakter mit einer Café-Ecke war auch in der Umfrage als wichtig eingestuft worden.

Große Unterstützung erfährt das Dorfladenprojekt einerseits von der Firma Gerke, die sehr gute Konditionen für eine Belieferung mit Backwaren bei einem 32-Prozent-Rabatt einräumt, gleichzeitig auch die Ladeneinrichtung zu sehr günstigen Konditionen überlassen will und andererseits dem bisherigen Vermieter Thomas Decker.

Heimann hat aber auch Veränderungen im Konzept: So könnte der Laden durch ein Cash-Back-System, wie es Supermärkte anbieten, auch Kunden mit Bargeld versorgen oder Briefmarken verkaufen und Pakete oder Retouren annehmen. Ändern müsse sich auch das Kassensystem, hin zu einer Scannerkasse, die das Personal entlastet und Fehlbuchungen verhindert. Und zu guter Letzt stellte Heimann auch verschiedene Personal- und Öffnungszeitenmodelle vor, die Einfluss auf Umsatz und Fixkosten haben.

„Wir schlagen eine Genossenschaft vor“, erläuterte Julia Eitzenhöfer, „dann tragen viele Schultern die Last des Ladens“. Vorteile ergäben sich auch durch die direkte Beteiligung am Erfolg des Ladens und dass im Falle eines Misserfolges nur die Einlagen bzw. Genossenschaftsanteile betroffen wären. Um den Start des Ladens mit notwendigen Investitionen in Renovierung, Kassensystem und Waren zu finanzieren, rechnete Heimann mit rund 50.000 Euro. Die wären mit 250 Genossenschaftsanteilen zu 200 Euro zu erlösen, ohne dass ein Kredit aufgenommen werden müsste.

Nachfragen aus der Bevölkerung

Auf Nachfrage von Lothar Schmeichel erläuterte Heimann, dass man zunächst von rund 42.000 bis 48.000 Euro Personalkosten für mehrere Teilzeitkräfte im Jahr ausgehen müsse. Helga Klose wollte wissen, ob die Buchhaltung durch einen Steuerberater übernommen werden könne, was Heimann mit Verweis auf hoffentlich günstige Konditionen bestätigt. Über die Öffnungszeiten, die Einfluss auf die Kostenstruktur haben müsste das Dorf in einer Probezeit Erfahrungen sammeln. Geführt werde der Laden operativ von Ladenpersonal, beantwortete Heimann eine Frage von Dieter Homrighausen. Ein Vorstand einer Genossenschaft trage die Gesamtverantwortung.

Am Ende der Versammlung gibt es ein eindeutiges Votum für die Gründung einer Genossenschaft, die Julia Eitzenhöfer organisatorisch begleiten will. So könnte der Dorfladen in Girkhausen auf eine positive Zukunft zusteuern.

>>>INFO:

Das Dorfjubiläum von Girkhausen wird jetzt endgültig abgesagt.

2020 hätte der Ort sein 850-jähriges Bestehen gefeiert. Die Corona-Pandemie hatte die Pläne zunichte gemacht, berichtet Ortsvorsteher Timo Florin in der Dorfversammlung. Florin ist auch Vorsitzender des federführenden Verkehrs- und Heimatvereins, der lange an den Plänen festgehalten hatte, um das Fest mit fünfjähriger Verspätung doch noch feiern zu können.

Jetzt ist klar: 2025 wird kein Dorfjubiläum gefeiert, aber es gibt eine Wiederauflage des beliebten und traditionellen Turmfestes rund um die Kirche.