Wingeshausen. Der Ausverkauf der Ware hat bereits begonnen. Unterdessen versucht der Dorfverein Aue-Wingeshausen, den kleinen Laden im Ort zu retten.
Im „Dorfladen“ an der Alten Landstraße in Wingeshausen können Kundinnen und Kunden derzeit echte Schnäppchen machen, denn: Auf die meisten der angebotenen Waren gibt es derzeit 20 Prozent Rabatt. Der Grund dafür: Das Betreiber-Ehepaar Yury Uskov und Evgenia Suntsova, das den Laden Mitte 2020 übernahm, möchte ihr Geschäft aufgeben. „Wir verlieren schon seit zwei, drei Monaten Kunden“, bedauert Uskov – und macht dafür nicht zuletzt die aktuelle Energiekrise verantwortlich. Jetzt heißt es: Nachfolger gesucht.
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Schon am übernächsten Samstag, 22. Oktober, möchte Uskov den „Dorfladen“ zum letzten Mal öffnen – und bis dahin versuchen, möglichst viele der restlichen Waren zu verkaufen. Er wolle den Laden auch deshalb nicht länger betreiben, weil das zu viel Energie koste. Und in den Wochen nach der Schließung möchte sich Uskov im Grunde nur noch um die Post-Agentur im Geschäft kümmern, die noch bis Ende November bleibe. Gerade das Post-Geschäft laufe gut.
Dorfverein: Infrastruktur erhalten
Im Facebook-Auftritt „Dorfladen Wingeshausen“ geben die derzeitigen Betreiber „familiäre Gründe“ dafür an, dass sie schon in Kürze schließen wollen. So sieht zum Beispiel Yury Uskov seine berufliche Zukunft durchaus in der Herstellung von Wohnungsaccessoires und der Fotografie. Zwei Mitarbeiterinnen des Dorfladen-Teams müsse er leider zum Monatsende kündigen, sagt der Händler im Gespräch mit unserer Redaktion. Es sei denn, ein Nachfolger wolle sie übernehmen. Doch genau der sei bislang nicht in Sicht, bedauert Uskov. Dabei wäre ein Nachfolger „allgemein wichtig fürs Dorf“, sagt er.
Zufriedene Kundschaft
„Ich komme ab und zu, weil das Geschäft einfach erhalten bleiben muss“, sagte ein älterer Kunde bereits im vergangenen Jahr. Er bedauerte, dass viele seiner Wingeshäuser Mitbewohner lieber zum „Nahkauf“ ins nahe Aue führen. Butter, Haushaltsrollen, Klopapier und noch ein paar Kleinigkeiten mehr hatte er im Einkaufskorb. „Wir haben ja einen Rentner-Haushalt“, lacht der Senior – „da braucht man nicht so viel.“
„Ich kaufe immer hier ein“, verriet eine Kundin. Und dass das in ihrem Heimatort überhaupt möglich sei, darüber „bin ich froh“. Andernfalls wäre sie aufgeschmissen, sagte sie. Die Post sei da im Laden, so Treude – und wenn im Regal etwas fehle, werde es sofort bestellt. Die Bedienung sei freundlich, der Service hilfreich.
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Das findet auch Helmut Keßler, 1. Vorsitzender des Dorfvereins Aue-Wingeshausen. Der Dorfverein führe deshalb „Gespräche mit potenziellen Nachfolgern“. Schließlich „wollen wir ja die Infrastruktur erhalten“. Und das habe seinerzeit mit dem Hausarzt ja auch geklappt, so Keßler. Bekanntlich hatte der Erndtebrücker Allgemeinmediziner Dr. Oliver Haas einen weiteren Praxis-Standort in Wingeshausen eröffnet, nachdem sich Ende 2014 sein Vorgänger Jürgen Röhrig aus Aue verabschiedet hatte.
Keßler: Umsatz und Gewinn sind möglich
„Der Dorfladen ist wirtschaftlich zu führen, man kann damit guten Umsatz und Gewinn machen“, ist Helmut Keßler überzeugt – „der Vorgänger hat es ja auch geschafft“.
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Der Vorgänger – das ist der Wingeshäuser Einzelhandelskaufmann Burkhard Kuffner, der das Geschäft an der Alten Landstraße gemeinsam mit seiner Frau 35 Jahre lang betrieben hat. „Ich möchte da aber nicht wieder einsteigen“, sagt der heute 65-Jährige – „das wäre ja Wahnsinn“. Als Nachfolger scheidet er also aus. Vielleicht übernehme ja auch ein Bäcker oder Metzger, kann sich Kuffner die Zukunft des Dorfladens ebenfalls gut vorstellen. Jedenfalls müsse der Nachfolger „jemand sein, der Herzblut für so etwas hat“. Und sich auch mit gestiegenen Energiekosten auseinandersetze, räumt Kuffner ein.
Mietvertrag läuft noch bis 2025
Heinz-Werner Grebe als Besitzer des Ladenlokals hofft, „dass wir bald wieder vermieten können“ – und ein Nachfolger in den bestehenden Mietvertrag einsteige, der noch bis 2025 läuft. Aber hier sei ja dankenswerterweise der Dorfverein Aue-Wingeshausen bei der Suche aktiv. Und auch Grebe geht davon aus, dass sich der Betrieb eines Dorfladens in Wingeshausen tragen könne. „Der Laden besteht jetzt 98 Jahre, teilweises mit fünf, sechs Angestellten“, weiß der Hausbesitzer. Und wenn man es vernünftig führe, sei so ein kleines Lebensmittelgeschäft auch lukrativ.
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„Wichtig sind die Visionen und die Leidenschaft, die diesen Laden ausmachen und zum Erfolg führen“, wirbt Yuri Uskov bei Facebook um Nachfolger. „Dazu bietet die Räumlichkeit Platz für neue Ideen und Umsetzungen.“ Und damit sich Interessierte „ein Bild machen können, sind wir gerne offen für weitere Fragen und persönliche Gespräche“, bietet Uskov an.
Dann kam die Energiekrise
„Wir waren gerade in den grünen Bereich gekommen“, erinnert sich Uskov an den Anfang des Jahres zurück – „und dann kam die Energiekrise“. Sicher: Ein kleiner Umbau im Laden – „das hat uns schon etwas gebracht bei den Umsätzen“. Aber die Kundschaft sage auch ganz ehrlich: Wir müssen jetzt den Strom teuer bezahlen, da müsse man beim Einkauf sparen.
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Und so ist laut Uskov bald die letzte Woche im „Dorfladen“ mit Angeboten. Für die nächste Woche habe das Dorfladen-Team schon gar keine Ware mehr bestellt. Was dann noch an restlicher Ware da ist, das gibt’s vielleicht sogar nur noch für den halben Preis.